Fiesta
Aus aller Welt strömen die Menschen herbei, um am "Fest der Feste" in Pamplona mit den Stieren zu laufen: eine Fotoreportage
Mit seinem Roman "Fiesta" (Fest) hat der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway vor 80 Jahren das bunte Treiben der San Fermin Feiern in der nordspanischen Stadt Pamplona beschrieben. Neun Tage lang wird dann aus Iruña, wie die Basken ihre historische Hauptstadt nennen, ein brodelnder Kessel. Vom 6.-14. Juli dauert das "Fest der Feste", dem Hemingway mit seinem Roman zu internationalem Ruhm verholfen hat. Doch die Bekanntheit hat auch seine Schattenseiten. Aus aller Welt strömen Menschen herbei, um mit den Stieren zu laufen. So genannte "Peñas" (Freundskreise) gibt es in der gesamten Welt. Beim Treiben (Encierro) der Stiere durch die Altstadt kommen Unerfahrene schnell unter die Hufe. Es gibt Schwerverletzte und Tote. Die Gefahren, die von einem 700 Kilogramm schweren Stier mit seinen spitzen Hörnern ausgehen, unterschätzen viele. Der Alkohol, der in Strömen fließt, erhöht die Risikofreude.
Eigentlich beginnt das Fest erst am 7. Juli, am Tag des Schutzpatrons San Fermin. Doch bis zu diesem Tag wartet man hier nicht mehr. Die Vorfreude auf das 500jährige Ereignis ist so groß, dass schon am Sonntag zuvor der "Tag der Peñas" gefeiert wird. Dann ist man unter sich und für viele Bewohner der Stadt ist das "ihr" Festtag, angesichts des erwarteten Ansturms von mehr als einer Million Menschen. Doch auch die große Zahl der US-Amerikaner, angelockt durch Hemingway, verschreckt die Menschen in Pamplona nicht. Pünktlich am 6. Juli ist die ganze Stadt auf den Beinen. Um 12 Uhr wird das Fest mit dem "Txupinazo" offiziell eröffnet. Der zentrale Platz vor dem Bürgermeisteramt färbt sich in die rot und weiß. Nach dem Startschuss folgt: "San Fermin lebe hoch" auf baskisch und spanisch und das Fest hat begonnen. Sektflaschen werden zahllos entkorkt und ihr Inhalt über die umstehenden verteilt (Bilder zum Txupinazo.
Von nun an wird überall gefeiert, gesungen, getanzt und getrunken.
"Txarrangas" - Musikgruppen ziehen überall durch die Stadt.
Eine gute Vorbereitung ist die Vorraussetzung für einen guten und langen Festtag. Kühlboxen halten die Getränke kühl, man vermeidet so lange Schlangen in Kneipen und deren vor dem Fest extra erhöhte Preise. Die mexikanisch-argentinische Combo kam jedenfalls gut gerüstet.
Die Zeit vergeht ungemein schnell, der Alkohol und die gute Stimmung sorgen dafür, dass auch die lange Nacht schnell vergeht.
Dem Spaß werden nur wenige Grenzen gesetzt und auch der "König" wird geschmückt.
Langsam machen aber einige schlapp.
Andere feiern dagegen in der Altstadt weiter dem "Encierro" entgegen.
Gegen 5 Uhr nehmen die Putztruppen die Arbeit auf, um die etwa 850 Meter lange Wegstrecke von Flaschen, Scherben, Bechern und Betrunkenen zu reinigen. Hier werden sich später die Stiere ihren Weg durch die Altstadt zur Stierkampfarena bahnen.
Der eine oder andere ist derart angeschlagen, dass er den Lauf kaum zu sehen bekommt.
Auf der Strecke werden die doppelten Schutzwälle errichtet, die den Weg eingrenzen.
Läufer,
und Zuschauer bringen sich in Stellung. Wer, vor allem am Wochenende, sich nicht schon gegen 6 Uhr einen Platz auf dem zweiten Wall sichert, hat kaum eine Chance das Stiertreiben zu sehen.
Einige Läufer halten noch ein letztes Nickerchen.
Die Zuschauer lassen sich nun auch durch die Reinigungsmaschinen nicht mehr vom Platz vertreiben.
Auch die Stiere warten geduldig.
Wer zu spät kommt, versucht irgendwie eine freie Sicht auf die Strecke zu erhalten. Ampeln und Laternen sind aber eingefettet, um ein Hochklettern zu verhindern.
Kurz bevor das Treiben beginnt, weisen Lautsprecheranlagen in etlichen Sprachen die Läufer zum richtigen Verhalten an. Keinesfalls die Stiere berühren, keine Fotos, nicht die gesamte Strecke laufen. Wer hinfällt, Hände über den Kopf und still liegen bleiben. Aufgrund des Lärms sind die Durchsagen aber kaum zu verstehen.
Das Treiben beginnt pünktlich um acht mit zwei Raketen: "Sie rannten alle, dicht gedrängt . . . und hinter ihnen kamen mehr Leute, die noch schneller liefen und dann ein paar Nachzügler, die wirklich rannten. Hinter ihnen war ein kleiner, freier Zwischenraum, und dann galoppierten die Stiere heran, ihre Köpfe auf und ab werfend." So beschrieb Hemingway einst das Szenario. Doch der ahnte nicht, dass seine Worte alsbald Tausende zum Stierrennen treiben würden. Selbst für die Zuschauer wird es eng. Viele bekommen nicht ein Horn zu Gesicht. Der ganze Encierro dauert in aller Regel nur zwei bis drei Minuten. Meist kann das Vorbeilaufen der Tiere nur dadurch erahnt werden, dass etliche weniger mutige "Mozos" panisch in den Zwischenraum flüchten, der für sie durch die beiden Schutzwälle gebildet wird.
Dass alles vorbei ist, wird deutlich, wenn die Verletzten geborgen werden.
Bereitstehende Sanitäter beginnen sofort mit der Arbeit.
Wegen der Masse der Läufer ist es für die Stiere unmöglich, niemanden zu verletzen. Viele kommen einfach zu Schaden, weil sie auf dem oft noch nassen Kopfsteinpflaster ausrutschen.
Dem Abtransport der Verletzten …
sehen die Ortsansässigen aus guten Positionen gelangweilt zu.
In der Stierkampfarena angelangt toben sich die Helden dann noch mit Jungtieren aus.
Manche merken dabei nicht einmal, dass sie sich auch dabei einer tödlichen Gefahr aussetzen.
Unter den zahllosen Schwerverletzten oder Toten sind nicht wenige, die erst in der Arena aufgespießt wurden. Seit 1924 wurden 14 Menschen von den Stieren getötet, zuvor wurde keine Statistik geführt. Das vorletzte Opfer war der US-Amerikaner Matthew Tassio, der 1995 von einem Stier durchbohrt wurde. Der 22-Jährige lief zum ersten und letzten Mal. Dass auch erfahrene Läufer ein tödliches Schicksal treffen kann, zeigte der Fall des Basken Fermin Etxeberria Irañeta. Der 63-Jährige lief seit seinem 14. Lebensjahr. 2003 wurde er so schwer verletzt, dass er Monate später den Verletzungen erlag.
Tote und Verletzten halten aber niemandem vom Feiern ab. Dieses Jahr war kein Toter zu beklagen. Ein US-Amerikaner aus New York bezahlte seinen Mut allerdings mit einer Querschnittslähmung und wird derzeit noch künstlich beatmet. Den Davongekommenen ist nun jeder Platz genehm, um eine Mütze Schlaf zu nehmen.
Sich auf der großen Festungsmauer nieder zu lassen, ist dabei nicht ratsam. Einige haben auch das schon mit ihrem Leben bezahlt. Einmal umdrehen, im vermeintlichen Bett, genügt für einen Sturz in die Tiefe.
Bis zum Tag "Pobre de mí" (Ach ich Armer) am 14. Juli gilt die Devise: Nach dem Fest ist vor dem Fest. Deshalb begibt man sich in seine vier Wände, schläft seinen Rausch aus, um bald wieder einsatzbereit zu sein.
Am Freitag wurde der Pobre de mí gesungen und die lange Wartezeit auf das Fest im nächsten Jahr eingeläutet.
Anmerkung: Viele wissen nicht, dass San Fermin gleichzeitig auch an anderen Orten des Baskenlandes ähnlicher Form gefeiert wird. Wer das Fest, vor allem am Wochenende, ungefähr so genießen oder erleiden will, wie es einst Hemingway tat, sollte deshalb lieber einen anderen Ort als Iruña (Pamplona) aufsuchen.