Filtern ist nicht einfach

Googles SafeSearch erweist sich nicht als besonders treffsicher und blockiert etwa das Büro des israelischen Premierministers oder die Biblical Studies Foundation

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Die Betreiber der Suchmaschine Google sind besorgt um das sittliche Wohlergehen der Internet-Nutzer. Deshalb bieten sie die Option SafeSearch an. In den persönlichen Voreinstellungen kann man wählen zwischen einer "moderaten" Filterfunktion, die nur unerwünschte Bilder ausschließt, und einer "strikten", die auch Texte sortiert. Pornografische Websites und "explicit sexual content" würden dann "eliminiert". Das stimmt natürlich so nicht. Jetzt bescheinigt ein detaillierter Bericht des "Harvard Law School's Berkman Center for Internet & Society", Googles SafeSearch würde Kindern und Jugendlichen weitaus mehr vorenthalten als besorgten Eltern recht sein könnte.

Warum Google überhaupt die Option "SafeSearch" anbietet, wird ohnehin nur vage begründet: "Many Google users prefer not to have adult sites included in their search results." Wieviele Nutzer das sind und ob und wie der Anblick des "sexually-explicit content" etwas bewirkt, darüber bekommt niemand eine Auskunft. Google gibt zwar zu, dass Filter nicht zu hundert Prozent akkurat sein könnten, verweist aber zur Beruhigung auf seine "advanced proprietary technology".

Mit der scheint es nicht weit her zu ein. "SafeSearch" identifiziert das völlig harmlose Spiel Scrabble als jugendgefährdend, weil das Stichwort "adult" vorkommt. Auch die Website der Nashville Public Library mit Informationen über Kindesmissbrauch, Suizid-Prävention und allgemeinen Gesundheitstipps akzeptiert der Google-Filter nicht. Ben Edelmann, der die "Empirical Analysis of Google SafeSearch" verfasst hat, resümiert, dass Zehntausende von Websites ohne irgendeinen sexuellen Inhalt durch "SafeSearch" blockiert würden. Hinter der "jugendschützenden" Funktion sei kein rationales Prinzip zu erkennen; welche Adressen nicht angezeigt würden, sei offenbar reiner Zufall:

"SafeSearch blocks results in a way that seems essentially random; it is difficult to construct a rational non-arbitrary basis for which pages are allowed and which are omitted."

Das lässt sich leicht verifizieren. Wer etwa den HTML-Code für die Google-Maske inklusive SafeSearch benutzt, erhält bei den Suchbegriffen "cumshot" und "blowjob" keinen einzigen Treffer. Bei "animal sex" jedoch wimmelt es gleich vor einschlägigen Resultaten. Der Report enthält zahlreiche Screenshots, die zeigen, wie unsinnig "SafeSearch" ist: gesperrt wegen "offensiver" sexueller Inhalte werden unter anderem der "Library of Congress's index of federal legislation", das Büro des iraelischen Premierministers und die Juristische Fakultät der "Northeastern University" in Boston. Auch die "Biblical Studies Foundation" scheint "SafeSeach" verdächtig zu sein, pornografische Inhalte anzubieten.

Der Report fordert, Google müsse seine Kriterien, Websites zu filtern, transparent machen. Diejenigen Websites, die zu Unrecht gefiltert würde, erführen davon nichts. Es gäbe auch kein System zu kontrollieren, wann und warum "SafeSearch" eine Seite in den Index aufnehme oder die Suchalgorithmen zu testen. Googles Hinweise für Webmaster enthalten keinen Hinweise darauf, dass bestimmte Phrasen in der für die Robots bestimmten Datei robots.txt dazu führen, als jugendgefährdend eingestuft zu werden.

Ben Edelmann hält die jetzige Praxis der Suchmaschinen-Betreiber für sehr gefährlich. "Google puts its name and reputation behind this specific implementation of content filtering." Offenbar, so Edelmann, nehme Google, ohne das zuzugeben, auf die nationalen Befindlichkeiten aus rein kommerziellen Erwägungen Rücksicht. Nachdem China im letzten September Coogle zeitweilig ganz sperrte (Gefiltertes Internet für China), wurden die Algorithmen so verändert, dass bestimmte, den chinesischen Zensoren missliebigen Begriffe nicht mehr ausgeworfen wurden. Bei der deutschen Google-Version, auf die deutsche Nutzer anhand ihrer IP-Adresse automatisch identifiziert und umgeleitet werden, fehlen bestimmte rechtsextremistische Angebote (Google filtert).

Edelman ist pessimistisch, was heimliche Zensur angeht:

"Langfristig haben diejenigen, die Online-Inhalte zensieren wollen, die besseren Karten: Sie können nicht nur heimlich das Verhalten der Nutzer überwachen. sie können auch nach Umgehungssystemen suchen und Filterprogramme installieren, die täglich besser, bedrohender und strafender sind."

Alle Versuche, das World Wide Web zu filtern, seien außergewöhnlich schwierig und mit den gegenwärtigen Methoden zum Scheitern verurteilt.