Finnlandwahl: Eurokritiker zweitstärkste Partei im Parlament

Medien erwarten Koalition mit der liberalen Zentrumspartei

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Bei der Parlamentswahl in Finnland wurde gestern das bislang oppositionelle Keskusta, ("Zentrum") mit 49 Mandaten die klar stärkste Kraft. Die Partei gehört im Europaparlament der liberalen Fraktion an und gilt in ihrer Heimat vor allem als Vertretung der Landbewohner. Zweitstärkste Partei im Parlament sind jetzt mit 38 Sitzen trotz leichter Verluste die Perussuomalaiset, die "Wahren Finnen". Ihr Motto lautet: "Gegen niemanden - aber für Finnland". Konkreter fordert die Partei unter anderem deutliche Steuererhöhungen für Reiche und einen Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone.

Die im Europaparlament zur EVP gehörige Kansallinen Kokoomus ("Nationale Sammlung"), die aktuell den Ministerpräsidenten stellt, landete mit nun nur mehr 37 (statt vorher 44) Sitzen auf dem dritten Platz. An Stimmen liegt sie zwar mit 18,2 zu 17,6 Prozent knapp vor der Perussuomalaiset, aber das finnische Wahlrecht führt den Experten von Wahlrecht.de zufolge zu Rundungen, bei denen Parteien Glück oder Pech haben können.

Vierter wurden mit 34 Sitzen (acht weniger als vorher) die Sozialdemokraten, Fünfter mit 15 Sitzen (+5) die Grünen, Sechster mit 12 Sitzen (-2) die Linken, Siebter mit 9 Sitzen die Minderheitenvertreter der Schwedischen Volkspartei und Achter mit fünf Sitzen (-1) die Christdemokraten. Ein Sitz geht wie bisher an die Vertreter der Åland-Inseln, wo fast ausschließlich Schweden leben und wo es eine Abspaltungsbewegung gibt.

Die meisten Medien erwarten nun, dass der Zentrumsvorsitzende Juha Sipilä eine Koalition mit den Perussuomalaiset eingeht. Das deutete er vor der Wahl an, als er meinte, die Partei sei zwar "populistisch", habe jedoch "in volkswirtschaftlichen Fragen einen realistischen Blick". Allerdings fehlen einer Koalition aus Zentrum und Perussuomalaiset noch 14 Sitze zur absoluten Mehrheit - die könnten von den Sozialdemokraten, den Grünen oder der Schwedischen Volkspartei und den Christdemokraten kommen. Nach der Parlamentswahl 2011 hatten in Finnland sechs Parteien miteinander koaliert: Nationale Sammlung, Sozialdemokraten, Linke, Grüne, Schweden und Christdemokraten.

Finnlands künftiger Ministerpräsident Juha Sipilä - poltitischer Seiteneinsteiger und gelernter Ingenieur. Foto: Soppakanuuna. Lizenz: CCF BY-SA 3.0

Für die europäische Ebene wäre eine Koalition aus Zentrum und Perussuomalaiset eine interessante Entwicklung, weil sie einen "Grexit" wahrscheinlicher macht. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass diese Koalition Sonderkonditionen für Finnland durchsetzt, die dazu führen, dass die anderen Euro-Geberländer in stärkerem Ausmaß haften.

Bewegung könnte auch in die Frage weiterer oder verlängerter Sanktionen gegen Russland kommen, denen der voraussichtliche neue Ministerpräsident skeptisch gegenübersteht (vgl. Wahlen in Finnland - der Unternehmer als Ministerpräsident). Seine Partei ist traditionell für einen Ausgleich mit dem großen östlichen Nachbarn bekannt - ihre Politik während des Kalten Krieges abstrahierten Politologen als "Finnlandisierung". Eine neue Ausgleichspolitik mit Russland könnte dazu beitragen, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu beseitigen: Die Ausfuhren nach Russland, die vor der Ukrainekrise zehn Prozent des Exportvolumens ausmachten, gingen im letzten Jahr nämlich empfindlich zurück - vor allem bei landwirtschaftlichen Produkten.

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