Flotter Vierer
Pilzzüchtende Ameisen haben ihr Schädlingsbekämpfungsmittel immer dabei
Anpassung ist das A und O in einer Lebensgemeinschaft – ob zum gegenseitigen Nutzen oder zum gegenseitigen Schaden. Die Blattschneiderameisen leben seit Jahrmillionen in einer Symbiose mit bestimmten Pilzen – auf deren aggressive Parasiten haben sie sich auf wirkungsvolle Weise eingestellt.
Rund 9.500 Ameisenarten kennt die Wissenschaft; viele Ameisenvölker unterhalten interessante Wechselbeziehungen mit ihrer Umwelt. Die Blattschneiderameise der Gattung Atta zum Beispiel betreibt seit 50 bis 65 Millionen Jahren Ackerbau: in ihrem Stock züchtet sie Pilze. Dazu zerkaut die fürsorgliche Gärtnerin Laubblätter und legt den dabei entstehenden Brei in angelegten Pilzkammern aus. Auf diesem Humus wachsen Pilzfäden, deren Fruchtkörper – kleine Knöllchen, auch Kohlrabikörperchen genannt – als Nahrung dienen.
Eine nette Symbiose nach dem bekannten Muster, so könnte man meinen: Die Ameise hat Futter, die Pilze erhalten dafür Substrat zum Wachsen, Schutz vor Konkurrenten etc. Doch die Idylle trügt. Denn auch der parasitische Mikropilz der Art Escovopsis hat es auf die Pilze abgesehen – sehr sogar: In der freien Natur weisen etwa zwei Drittel der Ameisengärten einen solchen Befall auf. Der Schädling kann sich dabei so verheerend auswirken, dass die Ameisen die Gärtchen aufgeben müssen.
Alte Bande
Die Dreierbeziehung Ameise-Feldfrucht-Parasit ist uralt. Wie der amerikanische Bakteriologe Cameron R. Currie schon vor einigen Jahren anhand von DNS-Analysen feststellte, ist der parasitische Pilz bereits kurz nach Beginn der Gemeinschaft zwischen Ameisen und ihren Nutzpilzen auf der Bildfläche erschienen. Seine Evolution verlief parallel zu der seiner Partner, so dass bestimmte Gruppen des Parasiten sich auf bestimmte Ameisen-Nutzpilz-Paare spezialisierten.
1999 entdeckte Currie dann, dass die Blattschneiderameisen ein natürliches „Unkrautvernichtungsmittel“ gegen den Parasiten besitzen. An bestimmten Körperstellen tragen die Tierchen Bakterien der Gattung Pseudonocardia, die Antibiotika produzieren und mit denen sich das Wachstum des Parasiten bekämpfen lässt. Duch sorgfältige Pflege der Pilze durch die Arbeiterinnen kann der aggressive Schmarotzer in Schach gehalten werden.
Jetzt hat sich Currie, derzeit am Department für Bakteriologie der University of Wisconsin tätig, zusammen mit dänischen und belgischen Kollegen die antibiotikaproduzierenden Bakterien bei verschiedenen Ameisenarten unter dem Elektronenmikroskop genauer angesehen.
Erstes Forschungsobjekt: Cyphomyrmex, bei der die Bakterien als weißer Flor zwischen Kopf und dem ersten Vorderbeinpaar gut sichtbar sind. Zum ersten Mal haben die Wissenschaftler die weiße Bakterienansammlung entfernt. Sie stellten fest, dass das Bakterium in kleinen halbmondförmigen Einbuchtungen (Krypten) in der Außenhaut (Exoskelett) der Ameisen lebt. Unter jeder Körperhöhle fanden sie zudem eine exokrine Drüse aus Drüsenzellen, die über eine Röhre (engl. tubercle) in die Krypte führt. Das von der Drüse produzierte Sekret ernährt die Bakterien.
Gemeinsame Entwicklung
Die Untersuchung weiterer Ameisenarten ergab, dass sämtliche pilzanbauende Ameisenarten Bakterien am Körper beherbergen. Bei eng verwandten Gattungen hingegen (Wasmannia, Blepharidatta), die keine Pilze züchten, fehlen sie. Wie Currie und sein Team im aktuellen Science schreiben, waren die Pseudonocardia-Bakterien mit großer Sicherheit ebenfalls schon sehr früh mit von der Partie. Denn bereits die stammesgeschichtlich sehr frühen Gattungen Apterostigma, Mycocepurus und Myrmicocrypta leben in einer Symbiose mit Bakterien.
Bei ihnen hausen sie jedoch noch direkt auf der Haut unter dem ersten Vorderbeinpaar. Die Körpereinbuchtungen entwickelten sich erst mit jüngeren Arten jeweils in unterschiedlicher Ausformung: Bei Cyphomyrmex befinden sie sich am ganzen Körper, bei den meisten Blattschneiderameisen-Arten konzentrieren sich die Krypten auf die Vorderbrust.
Noch ein zweites Indiz spricht laut Currie für eine evolutionsgeschichtlich frühe Kooperation: Die reproduktionsfähigen Weibchen nehmen sowohl Pilz als auch Bakterium mit auf den Hochzeitsflug und geben sie auf diese Weise an die Nachwuchs weiter.
Keine Resistenzen
Die Bakterien haben ihren Wirten über Millionen Jahre einen effektiven Schutz vor dem Escovapsis-Pilz gewährt. Damit eröffnet sich eine wichtige Frage, für deren Antwort sich vermutlich auch Mediziner interessieren werden: Wie nämlich gelang es den Bakterien über die Jahrmillionen ihrer Symbiosegeschichte hinweg, ihre Wirkung zu behalten, ohne dass es dem Parasiten gelungen wäre, resistent zu werden?