Flüchtlingspolitik: Merkel für "legale Kontingente" Schutzsuchender

Die Kanzlerin grenzt sich weiter von CSU-Forderungen ab

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Als die Kanzlerin nach dem letzten Wahldebakel in Berlin Fehler in der Flüchtlingspolitik einräumte und dies mit dem Satz unterstrich: "Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückspulen", konnte man für einen Augenblick glauben, dass die Angriffe aus der eigenen Partei und der CSU nun doch deutlich mehr Wirkung zeigen, als Merkel zuvor zugegeben hatte.

Allerdings hatte Seehofer schon tags darauf relativiert. Zwar begrüßte er die selbstkritischen Töne der Kanzlerin, aber das, worauf es ihm ankomme, einen Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik sehe er in den Aussagen nicht.

Dabei bleibt es auch. Kurz vor den Feiern zur deutschen Einheit in Dresden macht Merkel Wahlkampf gegen die AfD und die CSU-Forderung nach einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik. Ihr Satz: "Ich habe meine Politik nicht geändert, sondern Politik gemacht", den sie in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung äußerte, richtet sich auch an die Adresse derjenigen, die darauf hinweisen, dass Merkel in der Praxis längst einen Kurswechsel vollzogen hat. Das macht der folgende Satz klar:

Ich sehe keinen Kurswechsel, sondern eine in sich schlüssige Arbeit seit vielen, vielen Monaten.

Angela Merkel

Sie hat es geschafft, ihren Satz "Wir schaffen das" zur Leerformel zuerklären, so dass Angriffe, die damit geführt werden, erst mal nicht weiter zünden. Nun macht sie sich daran, die Forderung nach einer Kurskorrektur ins Leere laufen zu lassen.

Im Interview spult sie die eingeübten Formeln der Selbstkritik ab, man habe Fehler gemacht, kurz die Kontrolle verloren, aber jetzt sei man auf einem guten Weg, lautet der Tenor.

Für den Merkel-Weg hat sie nun eine neue Spitze gegen die CSU in petto. Sie fordert "legale Kontingente" für Menschen, die "vor Krieg und Terrorismus geflohen sind". Während die CSU auf Dichtmachen drängt, um damit auch Wähler, die mit der AfD liebäugeln bei der Stange zu halten, erklärt Merkel, dass sie offen bleibt für Schutzsuchende. Das dürfte den Konflikt zwischen den beiden Schwesterparteien nicht beruhigen.

Der Botschaft mit der Betonung, dass die Grenzen offen bleiben - wenn es um Menschen geht, die vor Krieg und Terrorismus fliehen - wird von einem wahltaktischen Kalkül, von dem sich Merkel mehr verspricht als vom Akzent auf Abschottung, wie ihn die CSU verlangt. Merkel baut auf Umfrageergebnisse, wonach sich der Unmut der Bevölkerung nicht an der Aufnahme von tatsächlich Schutzbedürftigen aufschaukelt, sondern am Kontrollverlust, an der Aufnahme zu vieler.

Zum anderen dürfte sie damit rechnen, dass die internationale Reputation, die Lobreden über ihre humanitäre Flüchtlingspolitik, wie sie kürzlich in der Generalversammlung der UN wiederholt wurden, auch auf eine Mehrheit in Deutschland zurückstrahlen.

Zugleich legt sie Wert darauf, dass auch die andere Botschaft übermittelt wird: Die Rückführung von Asylsuchenden sollte vorangebracht und konsequenter umgesetzt werden.