Flutkatastrophe trifft Menschen und Infrastruktur
Tote, Vermisste und Sachschäden vor allem in NRW und Rheinland-Pfalz. Klimaforscher warnen: Die aktuellen Verwüstungen könnten nur ein Vorgeschmack sein
Eingestürzte Häuser, Tote und Vermisste, geschlossene Schulen und Kitas, evakuierte Seniorinnen und Senioren: Die Starkregenfälle der letzten Tage hatten vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz katastrophale Folgen. Keller, Straßen und Ortsteile standen und stehen teils noch unter Wasser.
Am Donnerstagmorgen gab es allein in der Eifel fast 70 Vermisste, nachdem im Landkreis Ahrweiler sechs Häuser eingestürzt waren. Am späten Vormittag sagte ein Sprecher der Polizei Koblenz gegenüber Telepolis, einige dieser Vermisstenfälle hätten sich inzwischen geklärt, die Lage sei aber unübersichtlich. Das Polizeipräsidium Koblenz hatte nach dem Katastrophenfall in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Personenauskunftsstelle eingerichtet und die Bevölkerung um Mithilfe gebeten - zum Beispiel durch Übermittlung von Videosequenzen und Fotos, die Hinweise auf vermisste Personen oder Tote geben könnten. Mindestens 18 Menschen sind in dem rheinland-pfälzischen Landkreis im Zuge der Unwetter sicher gestorben, wie die Polizei am frühen Nachmittag mitteilte.
Der Landkreis Vulkaneifel hatte bereits am Mittwochabend den Katastrophenfall ausgerufen. Straßen wurden gesperrt und Schulen geschlossen.
Ortsteile ohne Trinkwasser
Der Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen zählte zunächst acht Tote und meldete sowohl Schäden an lebenswichtiger Infrastruktur als auch Schwierigkeiten der Rettungskräfte, zu Geschädigten durchzukommen. Internet und Telefonverbindungen seien stark eingeschränkt. In den Mechernicher Ortsteilen Kommern und Satzvey sei außerdem die Trinkwasserversorgung unterbrochen.
Im Märkischen Kreis starben außerdem zwei Feuerwehrleute: In der Kleinstadt Altena ertrank ein Feuerwehrmann bei Rettungsarbeiten, in Werdohl kollabierte ein weiterer im Einsatz und konnte nicht reanimiert werden.
Bundesweit wohl mehr als 30 Tote
Insgesamt wurden bis zur Mittagszeit in Deutschland mehr als 30 Tote im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe gezählt, von mindestens 15 Todesfällen in NRW war die Rede. Mehrere Menschen starben in überfluteten Kellern. In Köln fand die Feuerwehr die Leichen einer 72-jährigen Frau und eines 54-jährigen Mannes in vollgelaufenen Kellern. Im Kreis Unna starb ein 77-Jähriger ebenfalls im unter Wasser stehenden Keller seines Wohnhauses. In Solingen starb nach Polizeiangaben ein 82-Jähriger im Krankenhaus, nachdem er gestürzt und mit dem Kopf unter Wasser geraten war. Auch in Rheinbach gab es laut Kölner Polizeieinen Todesfall in Verbindung mit der Unwetterlage.
In Hagen musste nach Angaben der Stadt ein Seniorenzentrum vollständig evakuiert werden, weil die unteren Etagen vollgelaufen waren. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden in andere Hagener Einrichtungen sowie örtliche Krankenhäuser gebracht.
200.000 Menschen ohne Strom
Die wirtschaftlichen Schäden sind noch nicht abschätzbar. Von der Stromversorgung seien in NRW und Rheinland-Pfalz insgesamt mindestens 200.000 Menschen abgeschnitten, meldete die ARD-tagesschau unter Berufung auf den Verteilnetzbetreiber Westnetz. Das Unternehmen selbst gab an, "mit Hochdruck an der Wiederversorgung" zu arbeiten.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden am Donnerstagmorgen 200 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr nach Hagen und 100 nach Ahrweiler verlegt, um "vor Ort gegen das Hochwasser" zu helfen.
Was Klimaforscher sagen
Klimaforscher gehen davon aus, dass derlei Extremwetterereignisse durch die menschengemachte Erderwärmung häufiger werden könnten. "Als Einzelereignis kann man das immer als Wetter abtun", hatte Prof. Mojib Latif Anfang der Woche in einem Interview mit dem WDR gesagt. Die Datenlage sei bisher schlecht. "Aber die neuesten Daten, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, deuten darauf hin, dass solche Extremniederschläge noch mal stärker ausfallen können. Wir beobachten auch in den letzten Jahren, dass es immer häufiger zu diesen sintflutartigen Niederschlägen mit Überschwemmungen kommt."
Erklärt wird dies mit der Verlangsamung des "Jetstream" in der oberen Atmosphäre. Wenn sich dieses Starkwindband verlangsame, könnten sich Wetterlagen länger halten - das gelte sowohl für Hitze- oder Dürrephasen als auch für Niederschlagsphasen, betont Latif. Die Verlangsamung des Jetstream ist wiederum dadurch erklärbar, dass sich die Arktis in den letzten Jahren schneller erwärmt hat als der Rest der Welt. Dadurch verringert sich der Temperaturunterschied, der den Jetstream antreibt.
Demnach gibt es schon jetzt keine Altersgruppe mehr, die der Klimawandel nicht mehr betreffen kann - nicht in Deutschland und nicht weltweit.
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