Folgenschwerer Liquiditätsabfluss in den Anlagesektor

Seite 2: Entstehung eines Liquiditätsüberschusses

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Die Tabelle 2 enthält die Zahlen zu Einkommen, Konsum und Anlagevermögen, wie sie sich ein Jahr später darstellen. Mit dem Konsum vergrößern sich die Transaktionskassen und mit dem Anlagevermögen die Spekulationskassen.

Tabelle 2
Bevölkerungsgruppe 1 Prozent 99 Prozent Summe
Arbeitseinkommen 303 2727 3030
Kapitaleinkommen 165 18 183
Gesamteinkommen 468 2745 3213
Konsum 117 2718 2835
Transaktionskasse 23 544 567
Anlagevermögen 5508 612 6120
Spekulationskasse 551 61 612
Kassenveränderung 11 7 18
Verbleibende Geldmittel 340 20 360

Die Haushalte verwenden ihre Einkünfte für den Konsum und für den gestiegenen Kassenhaltungsbedarf. Nach Subtraktion vom Gesamteinkommen verbleibt ein Betrag von 360. Was geschieht nun mit diesem Geld? Wird es den Spekulationskassen zugeschlagen, dann wächst deren Inhalt um 59 Prozent. Hierfür gibt es aber keinen Bedarf. Ebenso wenig ist anzunehmen, dass mehr konsumiert wird, um die verbleibende Liquidität in den Wirtschaftskreislauf zurück zu schleusen. Eine verbrauchsfördernde Kampagne könnte bei den 99 Prozent noch erfolgreich sein, bei dem reichsten Prozent angesichts des erreichten hohen Konsumniveaus kaum mehr. Doch gerade dort sammelt sich das Gros der überschüssigen Gelder.

Da für die Gruppe der Vermögenden auch eine Aufstockung der Transaktionskasse keinen Sinn macht, verbleibt offenbar als einzige Verwendung der Erwerb von Anlagetiteln. Weil die Wirtschaftsleistung zugenommen hat, wäre eine Platzierung neuer Anleihen zu erwarten, die dann käuflich erworben werden können. Für den gewachsenen Konsumbedarf reichen jedoch die gestiegenen Arbeitseinkommen. Falls sich einige Privathaushalte dennoch verschulden, werden die Kredite in der Regel über Banken durch eine Erhöhung der Geldmenge bereitgestellt.

Ein Anlagepotential lässt sich über Unternehmenskredite erschließen, da diese im Gegensatz zu Privatdarlehen häufig verbrieft werden. Ein Verschuldungsbedarf besteht bei großen Investitionen, aber auch bei Gewinneinbrüchen infolge falscher Markteinschätzungen. Gleichwohl finanzieren sich die meisten Unternehmen aus Eigenmitteln oder durch Bankkredite. Manche stocken sogar ihre Rücklagen auf und erwerben Anlagetitel. Es sei im Folgenden angenommen, dass sich durch eine Emission von Unternehmensanleihen das Nettoangebot für Geldanlagen in einer Größenordnung erhöht, die einem Zehntel des Anlagevermögenszuwachses entspricht. Inklusive der Aufstockung der Spekulationskassen errechnet sich als Wert 13, sodass ein Betrag von 347 verbleibt, der in den Anlagesektor strebt.

Geldflutung des Anlagesektors

Da sich das Volumen der angebotenen Anlageobjekte nur geringfügig erhöht, verursacht die auf den Kapitalmarkt drängende überschüssige Liquidität einen Nachfrageüberhang. Tatsächlich mehren sich in Wirtschaftskreisen Klagen über einen Anlagenotstand. Zunehmend werden Wertpapiere gekauft, die trotz hohen Risikos nur geringe Renditen versprechen. Es droht eine allgemeine Verteuerung.

Nun bleibt die ungleichgewichtige Angebot-Nachfrage-Konstellation trotz erfolgter Handelsakte nahezu unverändert, da der Verkäufer in der Regel ein Fonds, ein Finanzinstitut, ein institutioneller Anleger oder ein vermögender Privathaushalt ist. Der erhaltene Geldbetrag fließt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in den Konsum, sondern wird für den Erwerb anderweitiger Anlageobjekte verwendet, die gewinnträchtiger erscheinen. Das überschüssige Geld vagabundiert folglich weiter im Anlagebereich.

Da für Kaufentscheidungen nicht die Art von Anlageobjekten sondern Ertrag und Risiko ausschlaggebend sind, ziehen alle Preise auf dem Kapitalmarkt gleichermaßen an. Bald haben sie den tatsächlichen Wert, der durch das Gewinnpotential bestimmt ist, übertroffen. Wie hoch kann das Preisniveau steigen, wo liegt die obere Schranke? Es ließe sich vermuten, dass der Geldwert des Anlagevermögens soweit zunehmen muss, bis die verbleibenden Mittel von 347 vollständig absorbiert sind. Unter Berücksichtigung des Spekulationskassenanteils müsste er sich von 6120 auf 6435 erhöhen. Das Wachstum würde mit 7,3 Prozent die reale Wertsteigerung deutlich übertreffen.

Da sich die liquiden Mittel aber weiter im Anlagesektor befinden, handelt es sich offenbar um eine Scheinlösung. Erfolgversprechender erscheint der folgende Versuch. Es wurde bislang angenommen, dass die Spekulationskassen sich am Realwert des angelegten Vermögens orientieren. Besteht nun zwischen realem und Marktwert eine erhebliche Diskrepanz, die sich nicht schließen lässt, dann soll sich die Kassengröße an letzerem orientieren. Die Preise der Anlageobjekte würden so weit steigen, bis der überschüssige Betrag aufgebraucht, d.h. die Summe der Spekulationskasseninhalte von 612 auf 959 angewachsen ist. Das Anlagevermögen würde in diesem Fall den Wert von 9590 erklimmen.

Zwar wären jetzt die überschüssigen Geldmittel in den Spekulationskassen gebunden, doch ein extremer Preisanstieg der Vermögenswerte hätte Konsequenzen für die Entscheidungen der Anleger. Es würde sich kaum mehr lohnen, größere Beträge in Cash zu halten. Hohe Gewinnspannen auf dem Anlagemarkt, hervorgerufen durch kräftige Kurszunahmen, würden unweigerlich zu einem Abbau der Spekulationskassen führen. Eine Reduzierung von zehn auf fünf Prozent würde aber die Anlagevermögen auf den doppelten Marktwert steigen lassen. Der Zuwachs würde allein in einem Jahr 220 Prozent betragen.

Bleibt der Umfang der Transaktionen auf dem Kapitalmarkt konstant, nimmt mit den Kursen das in Geld gemessene Handelsvolumen zu. Tatsächlich ermöglicht die gestiegene Liquidität wachsende finanzielle Umsätze, jedoch wird bald eine Grenze erreicht. Ein darüber hinausgehender Kursanstieg hätte zur Folge, dass weniger Wertpapiere ihre Besitzer wechseln. Eine sich verringernde Anzahl von Transaktionen könnte wiederum den Spekulationskassenbedarf nach unten drücken. Die überschüssige Liquidität würde sich vergrößern, was die Kurse weiter in die Höhe treiben und in einem Teufelskreis münden könnte.