Forencheck: Forschung zu klimaresilienten Bäumen, Förderung von kleineren Erdgasvorkommen, blockiertes Getreide in der Ukraine

Seite 3: Welche Arten von Getreide warten in der Ukraine auf den Export und lassen sich damit wirklich Hungerkrisen abwenden?

Unter anderem als Reaktion auf den Artikel "Freie Fahrt für Getreide aus der Ukraine" von Susanne Aigner befassen sich zahlreiche Kommentare mit den Inhalten der ukrainischen Getreidesilos und der Bedeutung dieser Mengen für die Ernährungslage, vor allem in afrikanischen Ländern. Ein User schreibt:

(…) Ich habe keinen einzigen Mainstream-Bericht gefunden, in dem die ominösen, durch den Krieg angeblich nicht exportierbaren 25 Mio. Tonnen Getreide in ukrain. Silos nach Getreidearten aufgeschlüsselt werden. Auf den überragenden Anteil des Futtergetreides hinzuweisen würde ja auch die gewünschte Assoziation "Russischer Krieg sorgt für Hunger in Afrika" bei den Mediennutzern erschweren.

Eine Aufschlüsselung nach Getreidearten und sogar danach, ob es sich nun um Lebensmittel oder um Futtermittel handelt, wird sich schwerlich finden lassen. Die Ukraine erzeugte im Jahr 2020 33 Millionen Tonnen Weizen, davon gingen 70 Prozent in den Export.

Mit 42 Millionen Tonnen war die Maisernte sogar noch größer, auch hier werden große Mengen exportiert, wie erst kürzlich über die Schiene nach Westeuropa. Mais wird zum größten Teil als Tierfutter angebaut, beim Weizen unterscheidet man zwischen Brotweizen und Futterweizen, was aber in den Exportstatistiken nicht gesondert aufgeführt wird.

Dabei ist es nicht so, dass Futterweizen für Menschen nicht genießbar wäre. Die Kategorisierung des Weizens erfolgt nach dem Proteingehalt. Dass es sich bei einem Teil des in ukrainischen Silos lagernden Getreides um Futtergetreide handelt, bildet dabei nur die Situation der globalen Landwirtschaft ab. Rund 42 Prozent des weltweit erzeugten Getreides dient direkt der menschlichen Ernährung, knapp 38 Prozent wird an Tiere verfüttert, gut 20 Prozent fällt unter "Sonstige".

Ein Ausweg aus der Ernährungskrise könnte also sein, die Fleischproduktion herunterzufahren und mehr Menschen zu ernähren. Die aktuelle Ernährungskrise in zahlreichen afrikanischen Ländern ist jedoch nicht allein auf den akuten Mangel an Getreide zurückzuführen, sondern auf strukturelle Schwächen im globalen Ernährungssystem, stellt das internationale Expertengremium für nachhaltige Ernährung IPES Food (International Panel of Experts on Sustainable Food Systems) klar.

Zu diesen Schwächen zählen hohe Importabhängigkeiten und Intransparenz und Spekulation auf den Märkten, die die Preise in die Höhe treiben. "Die weltweiten Weizenvorräte sind im Vergleich zu den historischen Trends derzeit hoch, und das Verhältnis zwischen Vorräten und Verbrauch ist angemessen; was die Preisspitzen verschlimmert, ist die mangelnde Transparenz der Bestände und die anscheinend exzessive Rohstoffspekulation", heißt es in der Pressemitteilung von IPES Food vom 6. Mai 2022.

Konflikte, Klimawandel, Armut und Ernährungsunsicherheit würden einen Teufelskreis bilden. Als Gegenmaßnahmen werden u.a. Schuldenerlasse für arme Länder, transparentere Märkte, eine diversifizierte Agrarproduktion und eine Reduktion von Biodieselherstellung und Viehhaltung vorgeschlagen.