Forencheck: Niedrige Übersterblichkeit in Sachsen, Impfquote in Afrika und der Begriff der Immunität

Seite 2: Sterben in Afrika trotz geringer Impfquoten weniger Menschen an Covid-19?

"Die Ungeimpften in Afrika sind schuld an allem…" lautet ein Kommentar auf den Artikel "Sind nur die Ungeimpften schuld?".

Bei diesem Kommentar ist sich die Redaktion nicht ganz sicher, ob es sich nicht vielleicht um Satire handelt. Gegenübergestellt werden hier verschiedene Werte von der Seite ourworldindata.org:

Afrika Impfquote 6 Prozent
Europa Impfquote 57 Prozent

Afrika Inzidenz 2 von 1. Mio.
Europa Inzidenz 439 von 1. Mio.

Afrika positive Fälle 6.247 von 1. Mio.
Europa positive Fälle 94.579 von 1. Mio.

Afrika Todesfälle 168 von 1 Mio.
Europa Todesfälle 1.848 von 1 Mio.

mit der Schlussfolgerung:

Lasset uns BOOOOOOOSTERN …

Sollte mit diesem Kommentar gemeint sein, dass Covid-19 trotz sehr geringer Impfquote auf dem afrikanischen Kontinent kaum verbreitet ist und dass dort kaum Menschen an Covid-19 sterben, dann werden wohl einige grundlegende Unterschiede ignoriert.

Die Impfquote dürfte wohl ein annähernd exakter Wert sein, die Fallzahlen, die daraus abgeleitete Inzidenz und auch die Todesfälle aufgrund von Covid-19 dürften hingegen untererfasst sein, da in vielen Regionen kaum getestet wird und auch von Verstorbenen oftmals nicht bekannt sein dürfte, ob sie mit Sars-CoV-2 infiziert waren. Es wird geschätzt, dass dreimal so viele Menschen an Covid-19 verstorben sind, als die offiziellen Zahlen angeben.

Im Covid-Dashboard der Africa Centres for Disease Control and Prevention, die Daten aus den afrikanischen Staaten zusammentragen, ist aber auch zu sehen, dass Länder mit einer höheren Zahl von Tests auch höhere Fallzahlen aufweisen. Hier sticht vorwiegend Südafrika mit 2,9 Millionen Fällen, 89.600 Verstorbenen und 19,2 Millionen Tests hervor.

In Nordafrika führt Marokko, bei Fall-, Verstorbenen- und Testzahlen. Südafrika war zwischen Mai und August 2020 schwer von der ersten Welle getroffen und verzeichnete währenddessen 33,3 Tote pro 100.000 Einwohner:innen. Die hohen Todesraten in Südafrika könnten wiederum mit der hohen Verbreitung von HIV in der Bevölkerung, größerer Urbanität und einer etwas älteren Bevölkerung zusammenhängen, wie die Professorin für Global Health Francisca Mutapi schreibt.

Umgekehrt könnte das Virus in durchschnittlich sehr jungen und weniger urbanen Bevölkerungen auch weniger tödliche Wirkung entfaltet haben. Auch könnte in einigen Ländern unbemerkt eine weitgehende Durchseuchung stattgefunden haben, wie in diesem Spiegel-Bericht vermutet wird.

Kreuz-Immunitäten mit anderen Coronaviren könnten zudem regional zu einer größeren Immunität beigetragen haben. Es gilt mit Sicherheit noch viele Faktoren zu erforschen. Ein generalisierter Blick auf den ganzen Kontinent bringt jedenfalls wenig Erkenntnisgewinn.

Gerade wurde die Entdeckung einer neuen besorgniserregenden Virusvariante (B.1.1.529) in Südafrika gemeldet. In Südafrika beträgt die Quote der vollständig Geimpften derzeit 23,7 Prozent, was für den Kontinent vergleichsweise hoch ist, aber noch immer viel zu niedrig, um das Auftreten neuer Mutationen zu verhindern.

Wenn in diesem Zusammenhang eine Schuldfrage zu stellen ist, dann allerdings nur die nach der Schuld an der unzureichenden Impfstoffverteilung. Nein, nicht die Ungeimpften in Afrika sind schuld an allem, aber der Globale Norden ist indirekt schuld an der Entstehung neuer Virusvarianten, die dann umgehend wieder im Globalen Norden ankommen.