"Fortsetzung von unlauterem Wettbewerb"

Nord-Stream-2-Röhre. Foto: Vuo. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der US-Kongress will die Fertigstellung von Nord Stream 2 mit weiteren Sanktionen verhindern, die nächste Woche angegangen werden sollen

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Nachdem der gestern demissionierte US-Botschafter Richard Grenell kurz vor seinem Abschied aus der amerikanischen Botschaft in Berlin dem Handelsblatt verraten hatte, dass weitere Sanktionen gegen das Gaspipelineprojekt Nord Stream 2 in seiner Heimat "auf überparteiliche Zustimmung treffen", bestätigte und konkretisierte eine anonyme Nachrichtenagenturquelle aus dem Kongress diese Information. Ihren Angaben nach wollen zwei Senatoren bereits nächste Woche einen überparteilichen Antrag dazu einbringen, der unter anderem ein amerikanisches Anlegeverbot für am Bau dieser Pipeline beteiligte Schiffe und das Einfrieren von Vermögenswerten natürlicher und juristischer Personen vorsieht.

Die ersten Sanktionen, die der US-Kongress im Dezember im National Defense Authorization Act (NDAA) verankert hatte, drohten Unternehmen, die sich an der Verlegung russischer Unterwassergasleitungen beteiligen, Sanktionen an. Die mit der Verlegung der Rohre für die Nord-Stream-2-Gaspipeline beauftragte schweizerisch-niederländische Firma Allseas stellte daraufhin ihre Arbeit am Bau der Erdgaspipeline ein (vgl. Nord Stream 2 gestoppt). Seitdem ruhen die Bauarbeiten an der Pipeline, die eigentlich schon Ende 2019 fertig werden sollte.

Untätige Akademik Cherskiy

Ein Schiff, das für die Fertigstellung der fehlenden sechs Prozent der Strecke infrage käme, ist die russische Akademik Cherskiy, die Anfang Mai im Nord-Stream-2-Logistikzentrum auf Rügen anlegte. Sie wurde aus dem Japanischen Meer in die Ostsee verlegt. Auf dem Weg dorthin wechselten ihre angeblichen Bestimmungsorte ständig, was womöglich ein amerikanisches Versicherungsverbot vermeiden sollte (vgl. Katz-und-Maus-Spiel um Nord Stream 2?).

Dazu, warum die Akademik Cherskiy nun schon seit einem Monat untätig an der Baustelle ankert, obwohl schon ab Juli wegen der Kabeljau-Laichzeit ein zweimonatiges Verlegeverbot gilt, gibt das Nord-Stream-2-Konsortium keine Auskunft. Eine Möglichkeit wäre, dass nötige Umbauarbeiten noch nicht fertig sind. Eine andere könnte sein, dass die Akademik Cherskiy, die lediglich einen Kilometer Rohre am Tag verlegen kann, nur der Begleiter eines deutlich schnelleren russischen Verlegeschiffs sein soll: der Fortuna.

Die dänischen Behörden, die den Bau von Nord-Stream-2 auch auf andere Weise lange verzögerten, wollen die Fortuna nämlich nicht zum Fertigbau zulassen, weil sie nur über ein 12-Punkte-System zur automatischen Positionsänderung bei Seegang verfügt. Die Akademik Cherskiy verfügt dagegen über ein dynamisches Positionierungssystem. Deshalb könnte das Nord-Stream-2-Konsortium versuchen, den Dänen einen Kompromiss abzuringen: Eine Erlaubnis des Verlegens der fehlenden 160 Kilometer durch die Fortuna in Begleitung eines Schiffs mit dynamischem Positionierungssystem.

Union uneins

In Deutschland sind die Grünen sowie Teile der Union und der FDP gegen eine Fertigstellung der Gaspipeline (vgl. Grüne schärfen ihr Profil als Verbotspartei, Merz lockt Grüne mit Infragestellung von Nord Stream 2 und Weber will als EU-Kommissionspräsident Nord Stream 2 blockieren). Andere Teile von Union und FDP, die SPD, die Linke, die AfD und die Freien Wähler befürworten das Projekt.

Das vom CDU-Politiker Peter Altmaier geführte deutsche Bundeswirtschaftsministerium kritisiert die neuen amerikanischen Sanktionspläne gestern mit der Bemerkung, eine "Zeit, in der die Corona-Pandemie die Länder rund um den Globus unter gewaltigen Druck setzt", sei "nicht die Zeit, um an der Eskalationsspirale zu drehen und weitere extraterritoriale, also völkerrechtswidrige Sanktionen anzudrohen". Franz-Robert Liskow, der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, machte auf den anscheinenden Zusammenhang der US-Position mit "eigenen energiepolitischen Interessen" aufmerksam und meinte, es sei "nicht sehr naheliegend, US-amerikanisches Erdgas auf kostspielige und ökologisch wenig verträgliche Weise mit dem Schiff aus den USA nach Europa zu transportieren".

Auch für den Sozialdemokraten Christian Pegel, den Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern, ist Nord Stream 2 trotz der Gegnerschaft von Ländern wie Polen "ein Infrastrukturprojekt der europäischen Energiewirtschaft", das "in rechtsstaatlichen Verfahren genehmigt wurde". Während er für einen Dialog plädierte, forderte Mignon Schwenke, die energiepolitische Sprecherin der Linkspartei im Schweriner Landtag, "dass die EU bei einer weiteren Eskalation auch mit Gegenmaßnahmen in Form von Strafzöllen auf Gas aus den USA reagiert".

Im Kreml verlautbarte Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow, die amerikanischen Sanktionen gegen Nord Stream 2 seien "nichts anderes sind als eine Fortsetzung von unlauterem Wettbewerb" und "Handlungen, die gegen internationales Recht verstoßen". Das Branchenjournal Neftegaz spekuliert währenddessen, ob Gas aus Westsibirien, das eigentlich über Nord Stream 2 nach Europa fließen sollte, über die im letzten Jahr eröffnete Pipeline Sila Sibiri nach China geliefert wird (vgl. "Kraft Sibiriens" liefert russisches Gas nach China).

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