Fragen sie Doktor Net: Online-Medizin im Aufwind
Neues Prüfungssystem wird vorbereitet
Das Interesse amerikanischer Web-Surfer an medizinischen Themen übertrifft das an Sportergebnissen, Börsentendenzen oder besonderen Angeboten, so die Ergebnisse einer Studie zum Effekt des Internet auf das Privatleben.
Folgt man der Studie, haben hochgerechnet 52 Millionen Amerikaner bislang das Internet benützt, um ihr Wissen über Krankheit und Behandlung zu erweitern.
"Der Report illustriert vielleicht die einschneidendste und dramatischste Wirkung des Internet auf die amerikanische Gesellschaft", so Lee Rainie, Leiter des untersuchenden American Life Projects. "In einem Zeitalter, in dem die durchschnittliche Dauer des Arztbesuches auf unter 15 Minuten gesunken ist, wenden sich viele dem Web zu, um sich die Information zu holen, die sie benötigen."
Im Rahmen der Untersuchung wurden 12000 Amerikaner befragt, etwa 55 Prozent gaben an, sich bereits mit medizinischen Themen im Netz befasst zu haben, die meisten von ihnen um Tipps zur Bekämpfung einer Krankheit zu erhalten, die sie oder Menschen aus dem privaten Umfeld befallen hat. Zum Vergleich: Lediglich 47 Prozent der Befragten hatten sich zum Zeitpunkt der Erhebung am Online-Shopping beteiligt.
Etwa 41 Prozent gaben an, dass bei den Netz-Recherchen gefundenes Material ihre Entscheidungen zur Behandlung der Krankheit beeinflusst hätte. Sorgen macht den Befragten hauptsächlich der Datenschutz, 63 Prozent würden sich in jedem Fall gegen eine Verfügbarkeit von persönlichen Krankenakten im Internet stellen; auch ein Schutz durch Passwörter könnte sie nicht beruhigen - die Sorge vor nicht autorisierten Zugriffen sei zu groß.
Auch in Deutschland steigt das Interesse an medizinischen Seiten, wie Untersuchungen des Gesundheitsportals www.netdoktor.de belegen. Eine Ferndiagnose via Internet ist in Deutschland nicht zulässig. Deswegen beschränkt sich das Portal auf Hilfe zur Prävention, Selbsthilfe und Nachsorge. Andere Projekte wie das Trainingsprojekt gegen Atemnot nutzen das Netz zur Fernüberwachung asthmakranker Kinder.
AtuLine geht da schon weiter. Das finnische "Online-Krankenhaus" hat Ärzte aller Herren Länder als Mitarbeiter verpflichtet, um einer internationalen Kundenschaft medizinischen Service anbieten zu können. Auch deutschen Patienten wohlgemerkt. Allerdings zeigt ein Blick auf die Nutzungsbedingungen, dass sich auch AtuLine bis auf weiteres nur für "nicht-akute Fälle, bei denen ein persönlicher Kontakt mit einem Arzt nicht erforderlich ist", zuständig fühlt.
Vorsicht ist auf jeden Fall geboten, besonders wenn es um die Auszeichnung von über 3000 medizinischen Seiten mit dem Gütesiegel der Schweizer Stiftung Health on the Net geht. Dieses kann sich letztendlich jeder Anbieter, der glaubt den Bestimmungen gerecht zu werden, ungeprüft auf die Seite kleben - Aussagekraft also gleich Null.
Weit interessanter ist das Projekt des Leiters der Forschungsgruppe Cyber-Medizin und eHealth an der Universität in Heidelberg, Dr. med. Gunther Eysenbach, der mit engagierten Kollegen und EU-Förderung derzeit ein neues Prüfsystem für medizinische Websites entwickelt: MedCERTAIN soll ab Januar 2001 Anbieter formal und inhaltlich prüfen.