Frankreich: Asylsuchende sollen deutlicher von Migranten unterschieden werden
Innenminister Collomb reagiert auf schlechte Umfrageergebnisse
Man kennt den Ausdruck "Flüchtlingskrise", der hierzulande immer wieder kritisiert wird, auch im Französischen. Dort wird er entweder mit "la crise migratoire" oder mit "crise des migrants" wiedergegeben. Letzterer gäbe auch Anlass zur Sprachkritik, wie sie in Deutschland vorgebracht wird, da die Krise, welche die politischen Lager im Zusammenhang mit der Aufnahme einer großen Anzahl von Zuwanderern beschäftigt, ja mehr die der Aufnahmeländer ist als die der Migranten.
Von einer solchen Begriffskritik ist in den großen französischen Medien wenig zu lesen. Es stehen andere Probleme im Vordergrund, die im großen Bild denen in Deutschland ähneln - die neue Regierung drängt darauf, das Asylverfahren zu beschleunigen und setzt auf mehr und effektivere Rückführungen - und in den Nahaufnahmen etwas aus Calais und Paris speziell sind. Die Bilder von Migranten in Behelfsunterkünften oder auf der Straße sind wichtig für die Debatte über Migration in Frankreich, die einem oberflächlichen Eindruck nach etwas weniger erhitzt ist als in Deutschland.
Schaut man sich die Kommentare unter Artikel über Migranten und Flüchtlinge an, entdeckt man allerdings sehr rasch ganz ähnliche Anschuldigungen der Verharmlosung der Situation, Vorwürfe der Manipulation einerseits und Vorwürfe der Unmenschlichkeit und des Rassismus in einem ähnlich harschen Ton wie hierzulande.
Behelfscamps sollen verschwinden
Zur Empörung gehören die Bilder von den Migranten, die auf den Straßen in Paris lagern, berüchtigt ist hier die Porte de la Chapelle, oder im Norden in Calais ("Jungle") und Grande-Synthe und im Süden beim italienisch-französischen Grenzübergang bei Vintimille (Ventimiglia) Camps aufgeschlagen haben.
Von Präsident Macron, immer auf Tuchfühlung mit der öffentlichen Meinung, kam im Juli die Vorgabe, dass er "bis Ende des Jahres keine Männer und Frauen mehr auf den Straßen" haben will. Zur ersten Bataille der Migrationskrise bestimmte er, dass "alle Welt in Würde untergebracht werden soll".
Diesen Handlungsfaden hat nun sein Innenminister Gérard Collomb in einem Interview zu Anfang der Politikerferien in Frankreich aufgenommen.
Bessere Trennung zwischen Asysuchenden und Migranten aus wirtschaftlichen Gründen
Das Gespräch mit der Zeitung Le Journal du Dimanche (Jdd) fand einigen kritischen Widerhall, weil Collomb darin betonte, dass die französischen Behörden künftig mehr auf die Trennung zwischen Asylberechtigten und Migranten aus wirtschaftlichen Gründen achten werde. Diese sollten effektiver in ihr Heimatland zurückgeführt werden. Als Beispiel nannte der Innenminister Immigranten aus Albanien. Man habe sich mit der dortigen Regierung über bessere Rückführungsmodalitäten verständigt.
Bemerkenswert ist, dass Collomb sich in diesem Zusammenhang auf Umfragen stützt. Sollte die bisherige Praxis weitergeführt werden, lässt er verstehen, würde das Asylrecht infrage gestellt. Meinungsumfragen würden auf wachsende Vorbehalte bei der Aufnahme von Migranten verweisen. Offensichtlich sind die schlechten Umfragewerte der neuen Regierung nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. Man achtet auf diesen Spiegel.
88.000 Asylanträge 2016
Als "generös und effektiv" propagiert Collomb die migrationspolitische Ausrichtung der Regierung. Man will die Kapazitäten der Aufnahmelager bis Ende 2019 auf etwa 88. 000 erhöhen. Das entspricht in etwa der Zahl der registrierten Asylgesuche 2016. Die Aufstufung geschieht schrittweise, sachte mit der Schaffung von zwisvchen 3.500 und 4.000 Aufnahmeplätzen pro Jahr. Ob dies auch mit der Zahl der ankommenden Migranten korrespondieren wird, ist freilich noch unklar.
Die Regierung ist noch im Ankündigungsmodus. Der Innenminister selbst beschreibt die Lage in Calais als "komplex". Dort halten sich noch immer "einige Hundert" in improvisierten Camps auf und noch immer gibt es Meldungen über Migranten, die versuchen auf Lastwagen nach Großbritannien zu kommen, noch immer gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen, die auf die Härte der Polizei aufmerksam machen. Bloß keine festen Installationen etwa von Sanitäranlagen, sagt der Innenminister. Man will keinen neuen Jungle in Calais.
Ob es der Regierung anders als den Vorgängerregierungen gelingt, den Kreislauf von Evakuieren, Niederreißen und der stetig aufs Neue sich ereignenden Rückkehr und dem Wiederaufbau der Camps zu vermeiden, ist noch nicht absehbar. Auch in Paris bemühte sich die Regierung Hollande vergeblich darum, die Camps bei der Porte de la Chapelle "ein für alle Mal" zu räumen.
Die Lage an der französisch-italienischen Grenze bei Vintimille erwähnte Collomb gar nicht. Er nannte lediglich das Behelfslager für Migranten im nicht weit entfernten Vallée de la Roya, das ein französischer Bauer auf seinem Grund errichtet hat.
Collomb erörterte er noch einmal den Plan der Regierung, Hotspots in Afrika zu errichten. Libyen käme zwar derzeit nicht in Frage, aber im benachbarten Niger, in Agadez, habe man mit Einwilligung der dortigen Regierung bereits konkrete Vorbereitungen getroffen.