Frankreich: Druck auf Löhne und Kündigungsschutz
Haushaltsdefizit: Die EU gewährt der Regierung in Paris Aufschub - mit "Reformdruck"
Noch gibt es keine Sanktionen für Frankreich, weil der Haushalt 2015 aufs Neue die vorgegebene Neuverschuldungsgrenze übersteigt, sondern "nur" Druck. Die EU-Kommission gewährt Frankreichs Regierung einen dreimonatigen Aufschub, um den Haushalt in Ordnung zu bringen. Dafür will man aber Zeichen sehen. Im Sinne der bekannten Schlüsselbegriffe: "strukturelle Reformen" und "Modernisierung des Arbeitsmarktes". Übersetzt: weniger Investitionen des Staates und Erleichterungen für Unternehmer bei der Kündigung.
Die Arbeitslosigkeit, besonders der Jugend, ist ein Kernproblem der "alten, nicht mehr fruchtbaren und nicht mehr lebendigen Großmutter Europa" (Papst Franziskus). Im engen, abgeschlossenen Kreis der Wirtschaftselite, der Unternehmensführer und Ökonomen, deren Vorgaben die Politiker aus Mangel an gegenläufigen Überzeugungen übernehmen, wird dagegen nur ein Rezept laut: "Wachstum". Nur daher komme die Dynamik.
Gemeint ist das Wachstum großer Unternehmen, die sich in der internationalen Konkurrenz dadurch gut plazieren, dass sie nicht durch hohe Personalkosten gebremst werden. Politisch gesehen ist es längst so, dass Unternehmen nicht mehr nur Produkte herstellen, sondern Arbeitsplätze produzieren. Dies wollen sie möglichst kostengünstig. Genau danach richten sich die Empfehlungen der EU.
Oettunger bellt
Frankreich müsse "zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es seine Verpflichtungen gegenüber dem Staatsdefizit respektiert". "Es muss den Weg der strukturellen Reformen schneller gehen." Die Kommission werde die Schritte genau überwachen und, wenn nötig, wenn Frankreich keine neue Liste der Reformen und Einsparungen vorlege, von der Phase der "Empfehlungen" in eine andere wechseln, in die der Sanktionen. So ist das bei Le Monde nachzulesen.
Einige Tage zuvor hatte der deutsche EU-Kommissar Oettinger scharf Richtung Paris gebellt. In der Art eines deutschen Schulmeisters erklärte er, dass Paris zwar schon ein wenig getan hätte, aber bei weitem nicht genug. Mit dem Zeigefinger deutete er auf nötige Nachbesserungen: bei den öffentlichen Schulden, bei den Lohnkosten, bei Steuererleichterungen für Unternehmen.
Modell "flexible Sicherheit"
Derweil ist Frankreichs Premierminister Valls in Dänemark unterwegs, um sich vom Modell "Fléxisecurité" inspirieren zu lassen. Französische Medien informierten darüber, dass die Arbeitslosigkeit in Dänemark nur 5 Prozent betrage, während man in Frankreich bei 10 Prozent stehe und im Oktober erneut eine Rekordzahl von 3,46 Millionen gemeldet wurde.
Valls, der zuletzt eine Debatte über die Reform der Arbeitslosenversicherung neu anschubste, rühmt das dänische Modell als gute Vorlage für Sozialdemokraten. Wegen der Mischung zweier Konzepte: große Flexibilität bei den Kündigungsregelungen für die Arbeitgeber bei soliden Sicherheiten für die Arbeitnehmer.
Laut Nouvel Observateur sieht das grob so aus: kein Mindestlohn, Kündigungsvereinbarungen wie in Großbritannien und den USA, keine Belastung der Unternehmen durch lange Kündigungsfristen oder -hemnisse, geringe Abfindungssummen. Dem stehe gegenüber, dass Arbeitslose von Jobagenturen individueller, beständiger und strenger betreut würden. Dazu kämen gute Weiterbildungsmöglichkeiten.
Hinzugefügt wird anderswo aber auch, dass ein sehr hoher Anteil der Beschäftigten in Dänemark beim Staat arbeitet - und Frankreich soll ja seine Staatsquote abbauen...
Deutsch-franzöische Ökonomenexpertise fordert Flexibilität beim Kündigungsschutz
Arbeitsmarktreformen stehen auch im Zentrum des Papiers der beiden französisch-deutschen Ökonomen Jean Pisani-Ferry und Henrik Enderkein zum Wachstum der beiden Volkswirtschaften.
Auch dort geht es um Ideen, den Kündigungsschutz soweit zu flexibilisieren, dass Unternehmen dazu angestiftet werden, mehr Arbeitnehmer einzustellen, wenn möglich mit "unbefristeten Verträgen". Was aber reine Symbolpolitik ist, wenn zugleich die Kündigung erleichtert wird. Zudem sollen Kündigungsfristen und Abfindungen gekürzt werden. Damit die Unternehmer besser kalkulieren können.
Vorgeschlagen wird auch die Herabsetzung des Mindestlohns und längere Fristen bei den Lohnverhandlungen. Statt jährlich sollen sie nur mehr alle drei Jahre stattfinden. Wirtschaftsminister Macron hat hier schon mal Einspruch eingelegt. Oettinger wird die Stirn runzeln und er ist nicht der einzige. Denn er vertritt wie immer Interessen anderer. Er ist nur Sprachrohr.