Frankreich: Geheimdienstüberwachung ohne richterliche Ermächtigung

Ein neuer Gesetzentwurf erweitert die Befugnisse der Überwacher

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Der französischen Ministerrunde wird am Donnerstag ein neuer Gesetzesentwurf zu den Befugnissen der Geheimdienste vorgelegt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Entwurf, für den sich Ministerpräsident Valls stark macht, akzeptiert und zur Vorlage vors Parlament weitergereicht. Der konservative Figaro entdeckt im Gesetzesentwurf eine Revolution

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Nüchtern betrachtet besteht die "Revolution" darin, dass für Überwachungsmaßnahmen, die gang und gäbe sind, künftig "Formvorgaben" wegfallen, die praktisch keine gewichtige Rolle spielten: richterliche Ermächtigungen. Der Kontrolle der Richter entzogen, dürfen die Geheimdienstler Wohnungen, Büros und Autos ihrer Zielobjekte überwachen, Kameras installieren, Abhöranlagen sowie Instrumente zur Geolokalisierung und die Inhalte der Computer wie auch übermittelte Nachrichten durchsehen - "wie es bereits Praxis ist", so fasst Le Monde, dessen Redaktion wie der des Figaro der Gesetzesentwurf vorliegen soll, zusammen.

Neu dazukommen laut Entwurf ein paar zusätzliche Fahndungsbefugnisse, wie der Einsatz von IMSI-Catchern, mehr Möglichkeiten, Skype-Gespräche abzuhören und Facebook- wie auch Twitterkommunikation zu verfolgen, um "Terrorakte zu verhindern", notiert Le Monde. Darüber hinaus sollen Betreiber von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen zu einer besseren Mitarbeit verpflichtet werden. Neu sind die Vorhaben allesamt nicht, mit Ausnahme vielleicht der speziellen, ausdrücklichen Befugnis, die dem Premierminister künftig erteilt werden soll: Er soll künftig die Internetprovider wie auch Betreiber von sozialen Netzwerken anweisen können, dass ihm Verbindungsdaten von Verdächtigen ausgehändigt werden.

Beachtenswert ist der Versuch, die Möglichkeiten zum Machtmissbrauch, der den Geheimdiensten und der Regierung aus der Ermächtigung zum Eindringen in die Privatsphäre erwächst, rechtsstaatlich abzusichern. Immerhin stehen hier Freiheitsrechte und das Briefgeheimnis auf dem Spiel. Um zu dokumentieren, dass von deren Aushöhlung nicht die Rede sein kann ("Unser neues Gesetz ist kein Patriot Act"), beabsichtigt die regierung die Schaffung einer Kontrollbehörde: die nationale Kommission zur Kontrolle der Techniken, die von den Geheimdiensten angewandt werden, im Akronym: CNCTR.

Die CNCTR soll die Angemessenheit der angewandten Mittel prüfen. Vorgesehen ist, dass dies vor dem Einsatz geschieht. Allerdings gibt es dazu die bekannte Ausnahme, wenn eine "Bedrohung unmittelbar gegeben ist" bzw. das Risiko bei einer Verzögerung der Überwachung zu groß erscheint.

Hervorgehoben wird, dass sich auch Bürger, die befürchten, dass sie überwacht werden, die Kommission - oder den Staatsrat - anrufen können, um der Sorge nachzugehen und gegebenfalls die Überwachung zu beenden und die gesammelten Daten zu zerstören. Wie ernst das gemeint ist, wird sich zeigen.