Frankreich: Polizei fürchtet gewalttätige Demonstrationen
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Macron hat es eilig mit den Reformen, die er mit präsidentiellen Verfügungen beschleunigen will. Für die Opposition werden Demonstrationen zu einem wichtigen Mittel, um Gegendruck auszuüben
In Deutschland bereiten sich Behörden und Polizei auf Demonstrationen in einer Woche beim G-20-Gipfel in Hamburg vor. Justizminister Heiko Maaß droht gewaltbereiten Demonstranten mit hohen Strafen, Polizei und Verfassungsschutzämter sollen eine "Reihe von Maßnahmen" verabredet haben, berichtet der Spiegel.
Überschneidungen mit der Terrorabwehr
Man wolle verhindern, dass "gewaltbereite Extremisten" anreisen, besprochen würden gezielte Gefährderansprachen, Meldeauflagen und Betretungsverbote, Observationsmaßnahmen und Telefonüberwachungen. Auffalled ist eine gewisse Überschneidung oder Ähnlichkeit mit Maßnahmen zur Terrorbekämpfung, die im Bericht auch angesprochen wird: Obwohl es bislang keine Hinweise auf Anschläge oder eine Mobilisierung in der islamistischen Szene anlässlich des G20-Treffens gebe, "werden wir in Einzelfällen auch dort die Überwachungsmaßnahmen hochfahren", wird ein Sicherheitsbeamter zitiert.
Gegen wen genau?, wäre die Frage und die daran anschließende, ob damit nicht ein Abwehr-Format aufgebaut wird, das sich schließlich auch gegen politische Gegner richtet. Die Grenzen zwischen Terrorabwehr und vorbeugenden Maßnahmen gegen Demonstranten, von denen möglicherweise Gewalt ausgehen kann, sind fließend, wie sich in Frankreich exemplarisch zeigt. Dort stehen dem Sicherheitsapparat durch den Ausnahmezustand ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung.
Laut einem Bericht von Amnesty International Anfang Juni wurden die durch den Ausnahmezustand erweiterten oder erleichterten Befugnisse der Präfekten und der Polizei dazu benutzt, um Demonstrationen gänzlich abzusagen oder Teilnehmer mit einem Platzverbot zu belegen.
Der Organisation fiel dabei auf, dass Demonstrationen gegen das Arbeitsrecht auffallend häufig Ziel der Maßnahmen waren: Von 639 präventiven Platzverboten wurden 574(!) im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen das Arbeitsrecht ausgesprochen (vgl. Der Ausnahmezustand als Mittel gegen unerwünschte Demonstrationen).
Nun könnte man einwenden, dass die Möglichkeit bestehe, dass sich Dschihad-Terroristen unter Demonstranten mischen, und in einer etwas abstrakteren Sicht, dass sich durch die Gefährdung der öffentlichen Ordnung ebenfalls Möglichkeiten für Anschläge eröffnen, durch das "Chaos" oder weil viele Polizeikräfte dadurch auf ein bestimmtes Geschehen konzentriert sind und Lücken preisgeben. Nach den vielen Anschlägen und Anschlagsversuchen in Frankreich ist dies nicht so leicht vom Tisch zu wischen.
Missbrauch und ein Signal von den Verfassungshütern
Allerdings zeigten auch die zu Anfang des Ausnahmezustands vielfach durchgeführten Hausdurchsuchungen und verhängten Hausarreste, die damals noch wachsam von Medien beobachtet wurden, dass es missbräuchliche Praktiken gab, die mit dem Ziel der Verhinderung von Terroranschlägen nichts direkt zu tun hatten.
Ein starkes Signal kam am 9.Juni vom französischen Verfassungsrat. Er kassierte die Bestimmungen zum Aufenthaltsverbot. Der Artikel zu Regelungen des Ausnahmezustands, der noch aus dem Jahr 1955 stammt, müsse überarbeitet werden. Dem Urteil zugrunde lag die Klage eines Mannes, der von der Polizei daran gehindert wurde, an einer Demonstration teilzunehmen.
Offensichtlich war der Einzelfall, der der Entscheidung des Verfassungsrats zugrunde lag, keiner, der den Verdacht begründete, dass sich hier jemand mit Gewaltabsichten auf den Weg zu einer Demonstration machte. Und ganz offensichtlich hielten die Verfassungsrichter den Einzelfall für so exemplarisch wichtig, dass sich nicht nur damit beschäftigten, sondern darüber auch dem Gewicht der freiheitlichen Grundgesetze, die mit dem Vorgehen des Sicherheitsapparats kollidieren, wieder Geltung verschafften.