Frankreich: Waffenverkäufe für den schmutzigen Krieg im Jemen
Französische investigative Journalisten enthüllen die Scheinheiligkeit der französischen Regierung, damit aber auch des Westens, der am Krieg im Jemen verdient
Zuletzt gab es Streit zwischen der französischen und der deutschen Regierung, aber auch mit der britischen Regierung wegen des von der SPD durchgedrückten Stopps für den Waffenexport nach Saudi-Arabien. Der würde auch Rüstungsgüter betreffen, in denen aus Deutschland stammende Teile enthalten sind. Gedroht wurde, dass es bald nur noch Rüstung "German free" geben könne (Waffenexporte: Frankreich will freie Bahn von Deutschland). Die Bundesregierung lenkte trotz Verlängerung des Exportstopps schnell ein, lockerte diesen für Zulieferungen für Gemeinschaftsprojekte auf und gab auch gleich wieder Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien und die auch am Jemen-Krieg beteiligten Vereinigten Arabischen Emirate, die Cobra-Artillerie-Ortungsradarsysteme erhalten.
Eigentlich war im Koalitionsvertrag von CSU/CDU und SPD vereinbart worden: "Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben." Die Frage war und ist natürlich auch, welche Ländern "unmittelbar" am Jemen-Krieg beteiligt sind. Dabei wurde die Beteiligung durch aktive Unterstützung des Jemenkriegs seitens der USA und Großbritanniens nicht einmal diskutiert.
Frankreich verwies zwar in seiner Aufforderung oder Drohung Vom "German-free" zum gegenseitigen Vertrauen Ende März auf den Gemeinsamen Standpunkt der EU für Waffenexporte, ohne aber näher darauf einzugehen, abgesehen davon, dass man ihn erfüllen wolle.
Auch ohne Jemenkrieg wären nach dem zweiten Kriterium, der Achtung der Menschenrechte, Exporte nach Saudi-Arabien eigentlich nicht möglich. Überdies dürfen danach keine Waffen an Staaten geliefert werden, in denen ein "klares Risiko" besteht, dass sie zur "internen Repression" oder zur Begehung von schweren Verletzungen des "internationalen humanitären Rechts" eingesetzt werden. Verboten wären danach auch Waffenlieferungen an Staaten, die in einen militärischen Konflikt mit einem anderen Staat verwickelt sind, wenn sie den bewaffneten Konflikt verlängern. Aber in Frankreich sieht man dies ganz offen pragmatisch und machtstrategisch. Es sei Aufgabe jeden Staates, "eine verantwortungsvolle Ausfuhrpolitik anzustreben, die mit seinen internationalen Verpflichtungen im Einklang steht und unsere kollektive Sicherheit stärkt".
Angeblich nur zur Verteidigung
Wie pragmatisch dies die französische Regierung sieht, wurde jetzt durch den Leak eines geheimen Regierungsdokuments deutlich, das investigative Journalisten auf der neuen Plattform Disclose mit einem umfangreichen Dossier über den schmutzigen Krieg veröffentlicht haben. Es handelt sich um einen geheim eingestuften 15-seitigen Bericht des militärischen Geheimdienstes Direction du Renseignement Militaire (DRM) vom September 2018 über Waffen, die seit 2015, also seit Beginn des Jemen-Kriegs, an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verkauft wurden. Der Bericht wurde im Oktober auch Präsident Macron vorgelegt und belegt, wo die französischen Waffen eingesetzt werden. Im Oktober wurde noch ein ebenfalls geheimer, kürzerer DRM-Bericht an verschiedene Ministerien überreicht.
Die französische Regierung wird der Lüge bezichtigt, weil diese immer behauptet habe, die Waffen würden nur zu Verteidigungszwecken vor Angriffen der Huthis, aber nicht zu Angriffen verwendet. Das hatte etwa Verteidigungsministerin Florence Parly im Juli 2018 versichert. Saudi-Arabien und die VAE begehen dort immer wieder Kriegsverbrechen durch das Bombardieren von Zivilisten und durch die Blockade von Hilfsmitteln. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Lage im Jemen seit längerem als die schwerste humanitäre Krise, 7 Millionen Menschen sind unterernährt, 80 Prozent der Bevölkerung sind angewiesen auf Hilfe.
Der US-Kongress hat bereits beschlossen, Waffenverkäufe an Saudi-Arabien zu verbieten, erwartet wird, dass US-Präsident Trump dagegen ein Veto einlegen wird. Ein Bericht des britischen Parlaments warf kürzlich der britischen Regierung vor, durch Waffenverkäufe an die saudische Koalition mitverantwortlich für viele getötete Zivilisten zu sein und damit die Menschenrechte zu verletzen.
Nach dem Bericht sind beispielsweise 48 CAESAR-Artilleriegeschütze an der Grenze zum Jemen aufgestellt, die ins Land feuern, um den "Vormarsch in jemenitisches Territorium" zu stützen oder freizuschießen. Nach dem Bericht leben in dem Gebiet, das sie abdecken, über 400.000 Menschen. Daneben werden auch amerikanische, britische und chinesische Artilleriegeschütze eingesetzt. Nach dem Bericht wurden im Jemen-Krieg überdies 70 französische Leclerc-Panzer von Saudi-Arabien und VAR für Offensiven, beispielsweise gegen Zabild oder die Hafenstadt Houdeida, eingesetzt, wobei sie französische Munition verwendet haben. In Hodeida sollen die Panzer im November 2018 für Dutzende getötete Zivilisten verantwortlich gewesen sein.
Luftkrieg gezielt gegen zivile Ziele
Der Krieg wird von der saudischen Koalition vor allem als Luftkrieg geführt. Seit 2015 sollen 24.000 Luftangriffe ausgeführt worden sein, 6000 im Jahr 2018 - mit amerikanischen F15S-Kampfflugzeugen und europäischen Tornados und Typhoon. Den Luftangriffen zum Opfer gefallen sind nach Schätzungen des Yemen Data Project mehr als 8000 Zivilisten.
Zitiert wird Außenminister Jean-Yves Le Drian, der im Februar sagte, dass Saudi-Arabien vor allem Luftangriffe ausführe, und behauptete: "Wir liefern der saudischen Luftwaffe nichts." Nach dem DRM-Bericht setzt die saudische Luftwaffe zwar keine französischen Bomben ein, aber das Laserleitsystem Damoclès, um die Präzisionsraketen zu steuern. Die VAR haben aber britisch-französische Raketen des Typs Black Shaheen und französische AASM-Raketen gekauft, die von den Mirage-Flugzeugen verwendet werden können, die ebenfalls im Jemen-Krieg eingesetzt werden. Zum Einsatz kommen auch französische Cougar-Kampfhubschrauber und A330 MRTT Tankflugzeuge von Airbus, von denen Saudi-Arabien sechs und die VAR drei besitzen.
30 Prozent der Luftangriffe richteten sich nach Recherchen von Disclose gegen zivile Ziele, sie sollten Infrastruktur zerstören. Über 1000 Bombardements hatten das Ziel, die landwirtschaftliche Produktion oder die Lebensmittel- oder Wasserversorgung zu zerstören, beispielsweise Bauernhöfe, Lebensmittelmärkte oder Brunnen, aber auch Fischerboote. Der Lebensmittelsektor ist in dem schmutzigen Krieg das dritthäufigste Ziel nach militärischen Einrichtungen und bewohnten Gebieten. Diese Angriffe hätten massiv zu der humanitären Krise im Jemen beigetragen und sollten gezielt die von den Huthis kontrollierten Gebiete aushungern. Zehntausende von Kindern sind bereits verhungert, Cholera breitet sich aus, weil sauberes Wasser fehlt.
Die Blockade des Hafens Houdeida, die angeblich Waffenlieferung verhindern soll, dient Saudi-Arabien und den VAR auch dazu, Lebensmittel- und andere Hilfslieferungen für die 20 Millionen Menschen zu stoppen, die dringend darauf angewiesen sind. Dafür verwendet werden nach dem DMR-Bericht auch zwei Kriegsschiffe aus Frankreich.
Die französische Regierung bleibt stur und im Leugnen. Nach Kenntnis der Regierung würden französische Waffen zur Verteidigung außerhalb von Jemen, aber nicht an der Front eingesetzt. Und: "Wir haben keine Kenntnis von zivilen Opfern, die aus ihrem Einsatz im Jemen-Krieg folgen."