Frankreich: Wer sind die "Masken-Gegner"?
Seite 2: Die Nahsicht
In der Nahsicht bekommt das Bild einige interessante Konturen. So zeigt sich in der Auswertung der Fragebögen, dass das in vielen Umfragen übermittelte Misstrauen gegen Institutionen bei den Anti-Masken auch bei den Krankenhäusern sehr ausgeprägt ist - nur 53 Prozent äußern Vertrauen in die hôpitaux. In der Gesamtbevölkerung sind es 87 Prozent. Dass nur 6 Prozent der anti-masques Vertrauen in die Institution der Präsidentschaft haben, gegenüber 34 Prozent der Gesamtbevölkerung, ist ebenfalls markant.
Sie führt zu einem Phänomen, das in Frankreich schon länger diskutiert wird: die Wahlverweigerung, sei es durch Fernbleiben oder als eigene Note durch Abgabe von weißen oder ungültigen Stimmzetteln. Der Anteil der Wahlverweigerer ist im Lager der anti-masques beträgt mehr als 40 Prozent. 20 Prozent derjenigen, die doch gewählt haben, votierten im ersten Wahlgang für den Linken Jean-Luc Mélenchon und 27 Prozent für Marine Le Pen.
Bei den Fragen, die Kategorien des Populismus (z.B. "Die politischen Verantwortlichen müssen dem Willen des Volkes folgen") ansprechen, gab es bei den Antworten der Anti-Masken durchweg höhere Zustimmung als bei der Gesamtbevölkerung: So waren 80 Prozent der Anti-Masken der Meinung, dass die Aussage "Die politischen Unterschiede zwischen der Elite und dem Volk sind größer als die Unterschiede in der Bevölkerung" zutrifft. In der Gesamtbevölkerung beträgt der Anteil 68 Prozent.
Deutlich ist auch der Unterschied zwischen den Antworten der Anti-Masken und der Einschätzung Gesamtbevölkerung bei der Mediennutzung. Am größten ist die Kluft, wenn es um die Glaubwürdigkeit des Fernsehens geht: 2 Prozent sind es bei den Maskengegnern und 29 Prozent der Gesamtbevölkerung, die TV-Informationen als glaubwürdig einstufen, - oder bei Informationen aus dem Netz: 51 Prozent der anti-masques haben Vertrauen in die Infos aus sozialen Netzwerken - gegenüber 14 Prozent der Gesamtbevölkerung.
"Zionistische Weltverschwörung"
Der Spiegel, der sich bei den Einstellungen zu Verschwörungstheorien zeigt, ist deprimierend: 57 Prozent der anti-masques sind von einer "zionistischen Weltverschwörung" überzeugt, 56 Prozent von der rechtsradikalen Groß-Intrige des "großen Austausches" und 90 Prozent davon, dass das Gesundheitsministerium gemeinsame Sache macht mit der Pharmaindustrie, um die Öffentlichkeit über die Schädlichkeit von Impfungen zu täuschen.
Es gebe vier Argumente, so Antoine Bristielle, die die anti-masques kennzeichnen: Erstens die Behauptung, dass die Schutzmasken unnütz sind, weil sie nicht effizient schützen. Zweitens, dass sie darüber hinaus gefährlich sind, weil sie nicht ausreichend für Sauerstoffzufuhr sorgen. Drittens, dass es die Epidemie nicht gibt und die Regierungen lügen. Viertens, dass die Maskenpflicht dazu da sei, um die Bevölkerung zu unterjochen.
Es ist eine Liturgie, die mit Argumenten lockt - gegen den ausgeweiteten Maskenzwang im Freien wie in Frankreichs Großstädten oder in Schulen in Deutschland lässt sich viel Trifftiges einwenden wie auch gegen überzogene, die wirtschaftliche Existenz gefährdende Pauschal-Maßnahmen - und die sich schließlich bei Glaubensbekenntnissen festjubelt.
Als transatlantische Verwandtschaft stellt Bristielle die Libertären in den USA heraus. "87 Prozent der befragten anti-masques sind der Überzeugung, dass die Gesellschaft besser funktioniert, wenn man den Individuen die Verantwortlichkeit für ihr Leben überlässt, ohne ihnen zu sagen, was sie tun sollen." 95 Prozent äußerten die Überzeugung, dass sich die Regierung zu sehr in das Alltagsleben einmischt.