Frauen in der Türkei begehren auf

Seite 3: Wehrhafte Frauen

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Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es immer schon wehrhafte Frauen in der Türkei gab, die für viele Frauen noch heute als Vorbild dienen. Die taz-Gazete hat anlässlich des Frauentags am 8. März einige dieser interessanten Frauen der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt: Da gab es die armenische Schriftstellerin und Journalistin Zabel Yesayan (1878-1943), die als erste armenische Frau im Osmanischen Reich studierte und nur knapp dem Genozid an den Armeniern 1915 entging.

Nezihe Muhiddin (1889-1958) gilt als eine der Begründerinnen der türkischen Frauenbewegung. Sie war Generalsekretärin des osmanischen Verbandes für den Schutz der Frauen und gründete in den zwanziger Jahren die Partei für Frauenrechte, die jedoch nicht zugelassen wurde. Sie spielte eine wesentliche Rolle bei der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts 1934.

Die tscherkessische Frauenrechtlerin Nuriye Ulviye Mevlan Civelek (1893 - 1964) gründete 1913 im Alter von 20 Jahren eine der ersten feministischen Frauenzeitschriften im Osmanischen Reich, sowie die Osmanische Gesellschaft zur Verteidigung der Frauenrechte, die erste Frauenrechtsorganisation des Landes.

Behice Boran (1910-1987), Politikerin, Soziologin und Autorin, trat 1940 in die damals verbotene Kommunistische Partei (TKP) ein, von 1965 bis 1969 war sie Abgeordnete der Türkischen Arbeiterpartei (TiP) und prägte die damals junge türkische Linke. 1980 ging sie wegen des Militärputsches ins Exil nach Europa, wo sie 1987 verstarb.

Die 1952 geborene Bülent Ersoy ist die erste Transsexuelle, die öffentlich in der Türkei auftrat und die Geschlechtsangleichung öffentlich machte. Dabei bewegt sie sich in eher konservativen Kreisen. 2016 wurde die konservative Transsexuelle sogar von Erdogan zum Fastenbrechen eingeladen. Die Diva setzte sich in der Türkei erfolgreich dafür ein, dass Geschlechtsangleichungen gesetzlich erlaubt sind. Das Gesetz ist auch als "Bülent Ersoy-Gesetz" bekannt.

Ob Erdogan heute noch bereit wäre, Ersoy bei Gala-Auftritten zu empfangen?

Die seit 2009 im Exil lebende Soziologin und Schriftstellerin Pınar Selek schreibt über Homosexuelle, Straßenkinder oder Transsexuelle und beschäftigt sich mit patriarchaler, militärischer und gesellschaftlicher Gewalt in der Türkei.

1998 wurde Ihr vorgeworfen, für die PKK einen Anschlag auf den ägyptischen Markt gemacht zu haben. Obwohl sich herausstellte, dass es eine defekte Gasleitung war, die die Explosion verursachte, verbrachte sie zweieinhalb Jahre im Gefängnis. Obwohl sie vier Mal freigesprochen wurde, kassierten die höheren Gerichte die Urteile wieder ein und noch heute liegt der Fall unentschieden beim Obersten Gerichtshof.

Hasbiye Günaçtı (60) setzt sich für die Rechte von Lesben und bisexuellen Frauen ein. Ihre Markenfarbe ist Lila. Bis heute gibt sie in den verschiedensten feministischen und LGBTI-Vereinen Workshops zum Thema weibliche Sexualität.

Die Schriftstellerin Sevgi Soysal (1936-1976), studierte Archäologie und Theaterwissenschaften in Ankara und Göttingen. Sie arbeitete im Kulturzentrum der deutschen Botschaft, bei Ankara Radio und beim türkischen Staatsfernsehen TRT. Sie veröffentlichte mehrere Romane, die politische Umbrüche sowie gesellschaftliche Normen und Milieus der 60er und 70er Jahre zum Thema hatten. Wegen ihrer linken, feministischen Ausrichtung kam sie mehrmals ins Gefängnis. 1976 starb sie mit nur 40 Jahren an Brustkrebs.

Die linke Politikerin Gültan Kışanak (58) war schon in den 80er Jahren als linke Aktivistin in dem berüchtigten Foltergefängnis in Diyarbakir inhaftiert. Sie überlebte die Folter und Demütigungen des Gefängnischefs, der sie mehrere Monate in eine Hundehütte sperrte, weil sie sich weigerte, sich die Haare scheren zu lassen und zu sagen, sie sei keine Kurdin, sondern Türkin.

2014 wurde Kışanak für die HDP in das Amt der Bürgermeisterin für die Großstadt Diyarbakir gewählt. Nach dem Ende der Friedensgespräche und des von Erdogan entfachten Krieges gegen die kurdische Bevölkerung im Land wurde sie wie fast alle ihrer Amtskollegen und Kolleginnen von ihrem Bürgermeisteramt enthoben und ein Zwangsverwalter eingesetzt, der die komplette Zerstörung der historischen Altstadt Sur und die Vertreibung der überwiegend kurdischen Bevölkerung zu verantworten hat. Kışanak befindet sich noch heute im Gefängnis. Sie erwartet eine lebenslange Haftstrafe.

Sakine Canziz (1958-2013) war 1978 die Mitbegründerin der kurdischen Arbeiterpartei PKK und eine Wegbereiterin der Frauenguerillaeinheiten. Sie kritisierte das damals vorherrschende patriarchale Denken innerhalb der PKK und setzte sich für die Frauenbefreiung auch in den eigenen Reihen ein.

Von 1979 bis 1991 war sie im Militärgefängnis von Diyarbakir in Haft und wurde dort gefoltert. Im Januar 2013 wurde sie und ihre Weggefährtinnen Fidan Doğan und Leyla Şaylemez auf Betreiben des türkischen Geheimdienstes MIT in Paris ermordet.

Die Liste könnte noch erweitert werden um viele Frauen, die im Moment an der Spitze der Frauenbewegung in der Türkei stehen, darunter Anwältinnen, Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen. Viele sind mittlerweile im Exil, aber noch immer gibt es zahlreiche Frauenrechtlerinnen, die sich das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht verbieten lassen.

Statt die immer extremer islamistisch und nationalistisch agierende türkische Regierung zu stützen, sollte die europäische Politik und insbesondere die deutsche Bundesregierung, vielmehr die demokratische Zivilgesellschaft unterstützen, damit die Chance nicht vertan wird, auf demokratische Strukturen in der Ära nach Erdogan zurückzugreifen.

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