Frauen in der Türkei begehren auf
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Erdogan beschuldigt demonstrierende Frauen, den Islam nicht zu respektieren
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, demonstrierten Tausende von Frauen auf der Istanbuler Konsummeile Istiklal zum 17ten Mal. Millionen Frauen waren an diesem Tag weltweit auf der Straße. In der Türkei hingegen wurde der Frauenmarsch kurzfristig verboten und mit Tränengas und Gummigeschossen aufgelöst.
Der türkische Journalist Fatih Pinar postete eine Serie von Videos, die zeigen, wie brutal die Polizei gegen die friedlich demonstrierenden Frauen vorging. Frauen, die für Menschenrechte, Gleichberechtigung und gegen Gewalt gegen Frauen aufbegehren, sind in der Türkei nicht erwünscht.
In einer Wahlkampfveranstaltung am Sonntag beschuldigte Erdogan die demonstrierenden Frauen, den Islam nicht zu respektieren. Erdogan führte auf der Veranstaltung ein Video von dem Protestmarsch vor, das Frauen zeigte, die singend und tanzend durch die Straße zogen, während eine nahe gelegene Moschee den Gebetsruf rezitierte.
Als ob die Menschen, die sonst täglich auf der Istiklal flanieren oder shoppen gehen, oder bei AKP-Wahlveranstaltungen beim Ruf des Muezzins innehalten würden! Dabei galt das Singen, Tanzen und Pfeifen nicht dem Gebetsruf, sondern das war eine der üblichen Ausdrucksformen der Frauendemonstration.
In seiner Wahlkampfrede forderte Erdogan die Bevölkerung quasi zur Selbstjustiz auf, indem er forderte, das Volk solle den "Unverschämten, die im Herzen Istanbuls Feindseligkeiten gegenüber dem Gebetsruf, der Fahne und der Moral" demonstriert haben, Einhalt gebieten.
Den eigentlichen Feind benannte er gleich mit: "Wer steckt hinter der Horde, die den Gebetsruf ausbuht, ihn auspfeift, versucht, ihn mit Pfeiftönen zu unterdrücken, und mit ihren unverschämten Bannern und Slogans zügellos in ihrer Respektlosigkeit ist? Wer steckt hinter ihr? Die CHP. Wer noch? Die HDP."
Zurück an Heim und Herd ist die Devise
Die rückwärtsgewandte Frauenpolitik in der Türkei trifft aber nicht nur Feministinnen, auch gläubige Muslimas sollen sich am besten unsichtbar machen. Das türkische Bildungsministerium hat kürzlich zusammen mit der "Server Stiftung", der ultrakonservativen, streng muslimischen Ismailağa-Glaubensgemeinschaft, den Wettbewerb: "Los Kinder in die Moschee" initiiert. Aber es dürfen nur Jungen im Alter zwischen 6 und 13 Jahren mitmachen.
Die Jungs können für jedes in der Moschee absolvierte Gebet Punkte sammeln und am Ende des zweiwöchigen Wettbewerbs ein Tablet, Fahrrad oder Skateboard gewinnen. Damit sollen die Kinder an die Moschee gewöhnt werden.
Auch wenn die Moscheen Frauen offenstehen - es gibt separate Frauentrakte in den meisten Moscheen -, sehen es die zunehmend islamistischer werdenden Muslime in der Türkei lieber, wenn ihre Frauen zu Hause beten.
Aber geht die Rechnung Erdogans auf, die türkische Gesellschaft und vor allem die junge Generation religiöser zu machen? Eine 2018 durchgeführte Umfrage des türkischen Marktforschungsinstituts Konda bringt ganz anderes zu Tage: 51 Prozent der befragten Türken gaben an, religiös zu sein. Zehn Jahre vorher, 2008 waren es noch 55 Prozent.
Zehn Prozent gaben an, streng religiös zu sein, 2008 waren es 14 Prozent. Der Anteil an Atheisten stieg um zwei Prozent. Der Anteil der Singles stieg ebenfalls, wogegen die arrangierten Ehen bei den unter 32-Jährigen zurückgingen. Während vor zehn Jahren nur zehn Prozent der Mädchen und jungen Frauen kein Kopftuch trugen, sind es mittlerweile 58 Prozent, die sich dem Kopftuch verweigern.
Frauen begehren auf
Was im Westen kaum wahrgenommen wird: Es ist vor allem die Frauenbewegung in der Türkei, die allen Repressionen zum Trotz immer neue Wege des Protests findet und sich Gehör verschafft. Eine Aktion in den sozialen Medien hat bei den konservativen wie auch säkularen Kreisen in der türkischen Gesellschaft eine heftige Debatte ausgelöst: Tausende Frauen legen ihr Kopftuch ab und posteten Vorher/Nachher-Fotos auf Instagramm, Facebook und Twitter.
Auf dem Blog Asla Yalniz Yürümeyeceksin (Du wirst nie allein gehen) berichten die Frauen über ihre Geschichte und die Entscheidung, das Kopftuch abzulegen. Die Journalistin Cebeci sprach mit einigen der Frauen über deren Beweggründe: "Es ist eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die als ganz normal angesehen werden sollte (…) Für einige Frauen ist das Kopftuch ein Zeichen der Befreiung von der Moderne. Für andere Frauen, die von ihrer Familie unterdrückt werden, ist es ein Akt der Befreiung, das Kopftuch abzulegen."
"Allerdings berichtet eine überwältigende Zahl der Frauen, dass ihre Familie sie unter das Kopftuch gezwungen habe und es schwer gewesen sei, sich aus diesem Zwang zu lösen", schreibt die Frankfurter Rundschau. Das Kopftuch für Frauen ist in der Türkei seit jeher symbolträchtig und wird heute als Symbol des politischen Islams benutzt.
Die Gattin des Präsidenten, so die Mainpost, trägt heute nur noch das muslimisch gebundene Kopftuch. Vor 3 Jahren verherrlichte sie den Harem, als "Schule für die Mitglieder der osmanischen Dynastie". Ihr Ehemann erinnerte am Internationalen Frauentag 2016 die Frauen daran, dass sie zuallererst Mütter seien.
1980, nach dem Militärputsch, wurde das Kopftuch in öffentlichen Institutionen verboten, weil man den Einfluss der Islamisten zurückdrängen wollte. Mit der Machtübernahme der AKP wurde das Kopftuchverbot 2002 wieder aufgehoben.
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