Freies Fleisch für freie Bürger
Seite 2: Female Fantasies
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Es fehlt der FDP für all das aber derzeit das glaubwürdige Personal. Und sie will zu sehr erkennbar die Macht. "So wie Lindner sie geformt hat, ist die Partei zwar von der Vorstellung, um fast jeden Preis regieren zu müssen, kuriert. ... Ziel und Zweck der Politik aber bleibt für die Liberalen letztlich das Mitregieren." (SZ, 26.04.2019)
Am ersten Punkt hat man angesetzt. Die eher lästige Nicola Beer wird nach Europa abgeschoben. Stattdessen werden andere junge FDP-Frauen sichtbar, so sichtbar, dass man fast den Eindruck haben könnte, die FDP sei eine Partei der Frauen: FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg, Juli-Chefin Ria Schröder, die Bremer Spitzenkandidatin Lencke Steiner, die Hamburger Vorsitzende Katja Suding.
Vor allem Linda Teuteberg - "charmant, kreativ, intelligent, lernfähig" so Wolfgang Kubicki - verdient Beachtung. "Liberalismus gehört ins Feuilleton und auch ins Bierzelt" erklärte sie noch vor dem Parteitag im Interview mit der Welt - wobei man sich bei Teutebergs Anblick fragt, wie viele Stunden sie wohl schon im Bierzelt zugebracht hat? Aber das Bild stimmt. Wer Teuteberg in Berlin erlebte, wie sie die beiden Parteiheiligen Ralf Dahrendorf und Karl Hermann Flach zitierte, konnte tatsächlich den Eindruck haben: Das könnte die Angela Merkel der FDP werden.
Anders im Ton, abwägender in der Aussage zeigte sie schon in ihren ersten Interviews eine große Gewandtheit darin, sich in vielem nicht festzulegen und trotzdem Aussagen klar zu platzieren. Man müsse die Dinge erst sehr gründlich durchdenken, sie dann aber verständlich zuzuspitzen und so hörbar wie möglich in Debatten einzubringen. "Ich halte nichts von diesen künstlichen Gegensätzen. Sekretär oder General, Säbel oder Florett, Programmatik entwickeln oder hörbare Stimme der FDP sein: Das zählt alles zur Aufgabe einer Generalsekretärin."
Die interessanteste Debatte des FDP-Parteitags war jene über die parteiinterne Repräsentation von Frauen. Die FDP legte dabei großen Wert darauf, dass nicht von einer "Frauenquote" die Rede war, sondern von einer Zielvereinbarung. Verstanden wurde es trotzdem anders. Entscheidend ist diese Wirkung. Und gerade die FDP-Frauen redeten dagegen, spotteten über die "female fantasies unserer Bundespartei".
Dabei hat die Frauen-Quote auch den Grünen nicht geholfen - der Anteil weiblicher Mitglieder liegt dort bei knapp 40 Prozent.
Kann nicht eine Partei mal konsequent gegen Quoten sein?
Man fragt sich: Kann nicht wenigstens eine Partei mal konsequent gegen Quoten sein? Sich gegen den antiliberalen Zeitgeist stellen? Sogar FDP-Mitglieder wettern gegen die Bundespartei: "Was macht ihr denn da jetzt? Lasst doch den Blödsinn. Steht doch zu euren Grundsätzen." Die in Berlin gelegentlich gestellte Frage "Werden wir jetzt die neuen Grünen?" ist trotzdem falsch. Denn was wäre denn für die FDP so blöd daran, die neuen Grünen zu werden?
Um es noch mal zu sagen: Gerade wenn die FDP beginnen würde sich über sich selbst und über die Grundprinzipien des Liberalismus zu definieren, würden sie erkennen, dass die Grünen ihre Verbündeten sind. Sie würden von den Grünen lernen, auch diese inhaltlich zu umarmen und zu kopieren.
Einstweilen aber steht die FDP sich selbst im Weg. Und die jungen Frauen begreifen es. Sie werden sich ihre Position erkämpfen und den FDP-Kurs langsam, aber konsequent verändern. Bei Lindner wird es um einiges länger dauern, das auch zu begreifen, als bei Kubicki, der stärker in sich ruht und mit selbstbewussten Frauen erkennbar kein Problem hat. Die nassforsche Art, das zu Schnelle, Spätpubertäre von Bambi Lindner ist es, die ihm jetzt, da er sichtbar älter wird, zunehmend Probleme bereitet.
Eine Partei der Freiheit muss in einer Gesellschaft der Unsicherheit und des neuen Puritanismus die Partei der Selbstverwirklichung sein und des "neuen Hedonismus" (Oscar Wilde).
Wenn Christian Lindner dazu nur der Satz einfällt: "Selbstverwirklichung, ökologische Sensibilität und soziale Absicherung, die haben Voraussetzungen. Wirtschaftliche Voraussetzungen", dann klingt er wie ein Bauchredner der alten FDP.
Die jungen Frauen werden ihn eines Besseren belehren.