Fremde Akteure: Kommt jetzt die "Propaganda-Impfung" aus Brüssel?

Konferenz mit von der Leyen, Attal in Brüssel. Bild: EU

Von der Leyen und Frankreich wollen gegen Einflussnahme "impfen". Das gilt auch der Nato als "wirksamstes Mittel gegen Desinformation". Warum das problematisch ist.

Frankreich macht nun auch in der hybriden Sphäre mobil. Nach der Ankündigung des "Demokratieschutzschilds" durch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem "Paket zur Verteidigung der Demokratie" hat jetzt auch Frankreichs Premierminister Gabriel Attal Maßnahmen angekündigt, die die Grande Nation gegen die Einmischung ausländischer Akteure zu schützen.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil dieselben Protagonisten ähnliche Maßnahmen in Ländern wie Georgien und der Slowakei als Einfallstor für eine staatliche Unterdrückung der Medienfreiheit kritisieren (siehe Telepolis-Bericht: Doppelmoral: Empörung über Georgiens NGO-Gesetz und seine westlichen Vorbilder).

Noch mehr an Bedeutung gewinnen die Äußerungen von Attal und von der Leyen aber vor dem Hintergrund des Vokabulars, dessen sie dabei bedienen. Denn es stammt unmittelbar aus dem "Werkzeugkasten" der Nato.

Frankreichs Premier Attal: "Könnte neuer Weltkrieg sein"

Die französische Nationalversammlung hat am vergangenen Mittwoch ein neues Gesetz verabschiedet, das Maßnahmen zur Bekämpfung ausländischer Einmischung verstärkt.

Das Gesetz sieht die Einrichtung eines nationalen Registers zur Erfassung von Einflussnahmen vor. Zudem wird ein Verfahren zum Einfrieren von Finanzvermögen eingeführt. Das Gesetz spiegelt ironischerweise genau die Bedenken, die Georgien im Zuge seines viel kritisierten "ausländische Akteure"-Gesetzes angeführt hatte.

Premierminister Gabriel Attal warnte in diesem Zusammenhang vor russischer Einmischung und bezeichnete diese als "Gift", das die öffentliche Meinung manipulieren, die Bevölkerung spalten und so die nationale Sicherheit beeinträchtigen könne.

Am vergangenen Donnerstag trieb der Premierminister diese Darstellung einer drohenden Eskalation auf die Spitze, als er gegenüber dem Radiosender France 2 warnte: "Diese Einmischungen können unser neuer Weltkrieg sein".

Zu den Beispielen solch russischer Einflussnahme zählte Frankreichs Chefdiplomat das Anbringen von Davidsternen an Gebäuden und das Sprühen roter Hände auf die Holocaust-Gedenkstätte in Paris unmittelbar nach dem neu ausgebrochenen Nahost-Konflikt zwischen Israel und der Hamas – Taten, hinter denen die französischen Sicherheitsbehörden den russischen Geheimdienst vermuten.

Zudem, so Attal, ermittle die französische Antiterror-Staatsanwaltschaft unter anderem gegen einen Mann mit russischer und ukrainischer Staatsangehörigkeit wegen des Verdachts auf Planung einer Gewalttat mit Sprengstoff.

Von der Leyens "Impfung": Der "Europäische Demokratieschutzschild"

Bereits Mitte Mai hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Pläne für einen "Europäischen Demokratieschutzschild" vorgestellt, um die EU vor ausländischer Einmischung und Desinformation zu schützen.

In einer Rede auf dem Kopenhagener Demokratie-Gipfel betonte von der Leyen, das nichts Geringeres auf dem Spiel stünde als die "Grundpfeiler unserer Demokratie".

Die Kommissionspräsidentin zeigte sich im Vorfeld der Europawahl demzufolge "besorgt" über die Zunahme von Desinformation und ausländischer Einmischung in Europa.

Basierend auf dem für sich genommen bereits umstrittenen Digital Services Act (DSA), soll der "European Democracy Shield" Online-Desinformation aufspüren und entfernen. Und so die Europäer in die Lage versetzen, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen.

Die Verbreitung von Fake News und KI-generierten Fälschungen zählte von der Leyen zu ihren "größten Sorgen". Ihren Fokus legte sie dabei auch auf rechtsextreme Politiker im Allgemeinen und Spitzenkandidaten der AfD im Besonderen, die "in die Taschen Russlands greifen" und russische Propaganda verbreiteten: "Sie verkaufen ihre Seelen an russische Propagandasender und Videos", so die Kommissionspräsidentin.

Von der Leyen bekräftigte, die Förderung der Medienkompetenz und die Sensibilisierung der Europäer für Propagandaoperationen genieße für sie höchste Priorität.

Um diesen Vorgang zu illustrieren, wählte sie das Sinnbild einer "Impfung": "Anstatt eine Infektion zu behandeln, sobald sie sich festgesetzt hat, ist es besser, zu impfen, damit unser Körper geschützt ist".

Diese Verwendung von medizinischem Vokabular ist nicht nur aufgrund der Parallelen zum französischen Minister Attal auffällig. Sie gleicht auch derjenigen, die innerhalb der strategischen Kommunikation, oder: kognitiven Kriegsführung, der Nato angeführt werden.

Pre-bunking: Desinformation im Keim ersticken

Zu diesen Methoden der strategischen Kommunikation zählt auch diejenige des "Pre-bunking", auf die sich von der Leyen beruft. Die Nato bezeichnet die Methode als das "wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Desinformation".

Das Konzept des Pre-bunking geht von der Annahme aus, dass es besser ist, die Verbreitung von Fehlinformationen zu verhindern, als zu versuchen, diese als solche zu entlarven, wenn sie bereits im Umlauf ist.

Der angeführte Grund: Eine rückwirkende Entlarvung von Falschinformationen erreiche nicht so viele Menschen wie die Fehlinformation selbst, und sie verbreite sich nicht annähernd so schnell.

Beschreibungen des Konzepts bedienen sich gemeinhin ebenso solcher "medizinischer" Analogien, wie sie von der Leyen nutzt, um erfolgreiche Strategien im Kampf gegen Desinformation zu beschreiben. Um die ("Impf-Theorie") "inoculation theory" spannt sich eine ganze psychologische Fachdisziplin mit einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen.

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring hat bereits vor Jahren und mehrfach über diesen narrativen Rahmen berichtet, in den die Nato ihre strategische Kommunikationsziele einbettet.

Ziele, die ihrer Natur nach nicht mit einer neutralen (Gegen-)Aufklärung zusammenfallen müssen, sondern das Bewusstsein der Bevölkerung im Sinne des Militärbündnisses beeinflussen. "Impfen" bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als Propaganda.

Die Selbstverständlichkeit, mit der die europäischen Wortführer die Beeinflussung der Bevölkerung verteidigen, wird durch die Beteuerungen derjenigen konterkariert, die sich ihrerseits gegen eine ausländische Einflussnahme zu schützen vorgeben.

Dazu zählt auch der slowakische Premier Robert Fico. In einer (nicht verifizierten) ersten Videoansprache nach dem auf ihn verübten Attentat verteidigt er nicht nur sein Vorgehen gegen die Eindämmung ausländischer Einflussnahme, sondern stellt auch das Attentat selbst damit in Zusammenhang:

Ich möchte die regierungsfeindlichen Medien, insbesondere diejenigen, die sich im Mitbesitz der Finanzstruktur von G[eorge] Soros befinden, bitten, diesen Weg (der Verharmlosung meines Attentatsversuchs) nicht zu beschreiten und nicht nur die Schwere der Gründe für den Mordversuch, sondern auch die Folgen dieses Versuchs zu beachten.

[…] Wie würden sie sich verhalten, wenn einem der Führer der slowakischen Opposition etwas Ähnliches passiert und der Angreifer eine Person mit Verbindungen zur SMER - Slowakischen Sozialdemokratie - wäre? Ich habe keinen Grund zu glauben, dass es sich um den Angriff eines einsamen Verrückten handelte, und ich bin grundsätzlich nicht mit der Politik der einzig richtigen Meinung einverstanden, die einige große westliche Demokratien heute aggressiv propagieren.

Ich lehne die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder oder den erzwungenen Export von Demokratie in Länder ab, die beschlossen haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Slowakei verfügt nicht über die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen, um ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Wir müssen uns daher ständig um die strikte Einhaltung des Völkerrechts bemühen und den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen, egal wie groß ein Land ist, das sie betreffen.

Robert Fico

In Abwesenheit einer eindeutigen Beweislage sind Ficos Anschuldigungen allerdings als reine Spekulation und Geraune zu erachten.

Eine Botschaft, die ihrerseits durchaus auch in der Lage ist, die Bevölkerung auf einen entsprechenden politischen Kurs hin zu "impfen".