Friedensforschung geht von Atomwaffen-Revival aus
Sipri-Jahresbericht: Nuklearmächte sind mit Modernisierung oder sogar Ausbau ihrer Arsenale beschäftigt
Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen ist es so eine Sache: Wer diese Art von Massenvernichtungswaffen besitzt, verfügt über ausreichend Durchsetzungsfähigkeit, um auf den Anfang 2021 in Kraft getretenen Vertrag zu pfeifen und findet dafür Gründe.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri rechnet nun sogar mit wachsenden Atomwaffenarsenalen weltweit. Anfang 2022 war die Gesamtzahl nuklearer Sprengköpfe auf weltweit "nur" 12.705 geschätzt und somit ein leichter Rückgang festgestellt worden.
Doch im Verlauf des kommenden Jahrzehnts rechnet das Institut mit einem Anstieg. "Es gibt eindeutige Anzeichen dafür, dass die Verringerungen, die die globalen Atomwaffenarsenale seit dem Ende des Kalten Krieges charakterisiert haben, beendet sind", sagte der Sipri-Experte Hans M. Kristensen laut Agenturberichten zur Veröffentlichung des aktuellen Jahresberichts an diesem Montag.
Ohne sofortige und konkrete Abrüstungsschritte der neun Atomwaffenstaaten könnte der globale Bestand nuklearer Waffen bald erstmals seit dem Kalten Krieg wieder größer werden, warnte Kristensens Kollege Matt Korda.
Umfangreiche Modernisierungsprogramme in Russland und den USA
Russland und die USA verfügen dem Bericht zufolge gemeinsam über rund 90 Prozent aller Atomsprengköpfe – Russland hat demnach mit 5977 einen leichten Vorsprung vor den USA mit 5428.
Dieser Vorsprung wäre allerdings unerheblich, wenn es zum nuklearen Schlagabtausch käme: "Sollte auch nur ein Teil der Atomwaffen aus den Arsenalen Russlands und der USA zu Einsatz kommen, würde das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, enden", erklärte unlängst Dr. Lars Pohlmeier von der Ärzteorganisation IPPNW.
Die Nato-Verbündeten Großbritannien und Frankreich verfügen laut Sipri-Bericht über 290 beziehungsweise 225 nukleare Sprengköpfe, Israel über 90. Die unter sich verfeindeten Atomwaffenstaaten Indien und Pakistan stehen sich laut Sipri mit 160 und 165 Atomsprengköpfen gegenüber, China soll über 350 verfügen – und Nordkorea über 20.
In Russland und den USA sei zwar die Zahl der Sprengköpfe im Jahr 2021 weiter zurückgegangen - dies sei aber vor allem der Demontage ausrangierter Exemplare geschuldet. Die Zahl der Atomwaffen in nutzbaren Beständen beider Länder sei dagegen relativ stabil geblieben. Sowohl in den USA als auch in Russland laufen nach Sipri-Angaben umfangreiche und teure Programme, um die Atomsprengköpfe und Trägersysteme auszutauschen sowie Produktionsstätten zu modernisieren.
Ähnliches gelte für die weiteren Atomwaffenstaaten – sämtliche haben laut Sipri neue Waffensysteme entwickelt, stationiert oder dies zumindest angekündigt. Keines der neun Länder plane die Abschaffung seiner Atomwaffen, sagte Kristensen der Deutschen Presse-Agentur. Großbritannien habe 2021 angekündigt, die Obergrenze für seinen Gesamtbestand an Sprengköpfen zu erhöhen; und China befinde sich mitten in einem umfassenden Ausbau seines Atomwaffenarsenals.
Die fünf UN-Vetomächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China haben allerdings Anfang dieses zu Jahres versichert, gegen die weitere Verbreitung von Atomwaffen vorgehen zu wollen. "Wir betonen, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf", hieß es Anfang Januar in einer gemeinsamen Erklärung der Staaten.
Wer der teuren Drohkulisse nicht ihre Wirksamkeit nehmen will, sieht sich aber im gefühlten Ernstfall gezwungen, diese Aussage zu relativieren.
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