Für Olympia in den Tod
Griechenland: In zwei Jahren mindestens dreizehn Tote bei Unfällen auf Olympiabaustellen
Weniger als hundert Tage vor Beginn der Olympischen Spiele hat Griechenland schon einen allerdings makaberen Weltrekord zu verzeichnen. Auf den Baustellen für das Olympische Dorf und die Olympischen Sportstätten verloren mindestens dreizehn Arbeiter ihr Leben bei Arbeitsunfällen. Im Vergleich dazu: Bei den Bauarbeiten für die Olympischen Spiele in Sydney (Keine Internetolympiade in Australien) verlor ein Arbeiter sein Leben.
Die tatsächliche Anzahl der tödlich verunglückten Bauarbeiter auf den olympischen Baustellen in Griechenland ist wahrscheinlich erheblich höher als dreizehn. Von den mehreren zehntausend Arbeitern ist die überwiegende Mehrheit aus dem Ausland, vorwiegend aus den Balkanstaaten, davon etwa achtzig Prozent aus Albanien. Viele von ihnen arbeiten ohne Vertrag, Schwarzarbeit und keine Sozialversicherung sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Statt der Beiträge für die Sozialversicherung zahlen die Arbeitgeber im Falle eines Unfalles lieber Schweigegeld und Abfindungen an die betroffenen Arbeiter oder ihre Hinterbliebenen.
Die Unfälle werden so weit es geht verheimlicht. Todesfälle auf Baustellengelände, bei denen Arbeiter von Kran oder Bagger überrollt wurden, werden als Verkehrsunfall gemeldet. Ein Fall ist bekannt, in dem ein tödlich verletzter Arbeiter künstlich am Leben gehalten wurde, nur damit er nicht in der Statistik der Unfalltoten auftaucht. Die Gewerkschaft der Bauarbeiter bemüht sich vergeblich, die ganze Wahrheit an den Tag zu bringen. Giorgos Floridis, Vorsitzender der Gewerkschaftsabteilung für die am Bau des Olympischen Dorfes beschäftigten Arbeiter erläutert die Hindernisse bei der Aufklärung:
"Wir haben von der Firma, die mit der Verantwortung für die Arbeitssicherheit und Hygiene beim Bau des Olympischen Dorfes beauftragt wurde, eine Aufstellung aller Vorfälle beantragt. Diese Aufstellung wurde uns verweigert."
Schuld an den Unfällen ist die laufende Verletzung von Sicherheitsvorschriften durch die Arbeitgeber. Nach Meinung von Giorgos Theodorou, dem Sekretär der Gewerkschaft der Bauarbeiter, hätte es beispielsweise beim Bau des Olympischen Dorfes keinerlei Verletzte oder gar Tote geben dürfen:
"Gebaut wurden ein- bis zweistöckige, in wenigen Fällen dreistöckige Gebäude. Wenn es dabei zu solchen Unfällen kommt, liegt das an den Arbeitsbedingungen."
So starb beispielsweise ein Arbeiter beim Sturz von einer ungesicherten Treppe. Ein anderer wurde vom Betonfahrzeug überrollt, weil dem Fahrer kein Lotse zugeteilt wurde. Ein dritter wurde angewiesen, ohne Absicherung und in Sandalen auf einen Baukran zu klettern. Insgesamt kamen bei den Bauarbeiten am Olympischen Dorf mindestens sieben Arbeiter ums Leben.
In Sandalen und ohne Seil auf den Baukran klettern
Immer wieder kommt es zu Unfällen, weil grundlegendste Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden. Handschuhe, Helme und Sicherheitsschuhe sucht man auf vielen Baustellen vergebens. In "Schulungen" von wenigen Minuten Dauer wird über Gefahren und Arbeitssicherheit informiert. Dazu kommt, dass besonders im Zuge der Verspätungen bei der Fertigstellung der Bauwerke die Arbeitszeiten teilweise drastisch verlängert wurden. Anstelle von acht Stunden arbeiten viele Arbeiter zwölf, teilweise bis zu sechzehn Stunden am Tag. Dass es dabei durch schlichte Übermüdung zu schweren Unfällen kommt, ist kein Wunder.
Um die Bauten fristgerecht übergeben zu können, sind außerdem oft mehrere Firmen am Bau beteiligt. Durch Kompetenzüberschneidungen und ungeklärte Zuständigkeiten wird eine Kontrolle der Arbeitssicherheit erschwert.
Keine Schulung
Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter ist diesen Bedingungen hilflos ausgeliefert. Wer sich gegen Überstunden wehrt, eine Sozialversicherung fordert oder auf der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften besteht, wird entlassen. Für den freigewordenen befristeten Arbeitsplatz stehen mehr als genug andere legale oder illegale Einwanderer bereit. Um eine Organisierung der Arbeiter zu verhindern, wird Gewerkschaftsvertretern schon mal mit rüdern Methoden der Zugang zur Baustelle verwehrt.
Trotzdem wehren sich die Arbeiter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Seit Anfang des Jahres 2002 wurden die Olympischen Baustellen acht Mal bestreikt. Geändert hat sich dadurch allerdings nichts. Auch die griechischen Massenmedien ignorierten die Streiks weitgehend. Das "nationale Thema Olympia" soll von den Unfällen unberührt bleiben.
Wer am Bau meckert, fliegt
Nach Angaben des mit der Kontrolle der Baustellen beauftragen staatlichen Institutes SEPE sind die Unfälle beim Bau der Olympischen Stätten nur die Spitze des Eisberges. Die dreizehn auf den Olympischen Baustellen ums Leben gekommenen Arbeiter stellen nur wenige Prozent aller im gleichen Zeitraum auf Baustellen in Griechenland tödlich verunglückten Bauarbeiter dar. Offiziell bekannt sind etwa 630 Todesfälle seit Beginn des Jahres 2000. Allein in diesem Monat starben bereits zwei Bauarbeiter bei Unfällen, ein weiterer wurde schwer verletzt.