Für immer hip
Herbie Hancock will mit "Future 2 Future" an frühere Elektronik-Glanzzeiten anschließen
"Future 2 Future": schon im Titel seiner neuesten CD meldet Herbie Hancock große Ansprüche an. Doch in Europa ist die Zusammenarbeit von Electronica und Jazz, die Hancock als große Überraschung der Jazzgeschichte präsentiert, fast schon ein alter Hut. Macht aber - fast - nichts. Denn mit Hancock betritt einer die Bühne, der dort schon einmal stand.
Sie haben mit Hancocks Projekt scheinbar nichts zu tun. Und doch sollte man sich bei "Future 2 Future" ihrer Namen besinnen: Erik Truffaz, Bugge Wesseltoft und Nils Peter Molvær. Sie und andere haben schon vor ein paar Jahren ausgelotet, welche Querverbindungen zwischen DJ-Szene und Jazzbühne möglich sind. Die Erkenntnisse, die sie ihren Kollegen am Mischpult abgelauscht haben, haben sie für den Jazz fruchtbar gemacht und ihn so aus seinem passiven Dasein als Gemischtwarenhandel für Retro-Fanatiker, als Archiv für die Sample-Wut anderer befreit.
Einen weiteren Namen muss man noch nennen: Bill Laswell, der schon für Hancocks furioses "Rockit" von 1983 zuständig war, und nun auch dessen erneuten Spaziergang durch die Tiefen der Elektronik verantwortet. Denn ohne Laswell hätte Hancock wohl kaum etwas von jener musikalischen, weitgehend europäischen Bewegung erfahren, die er sich nun mit einer gewissen Dreistigkeit zu eigen macht. Dann erst kann man zu Hancock übergehen.
Sein Konzept von "Future 2 Future" ist simple: Man nehme gerade aktuelles Personal, neben Laswell Leute wie DJ Krush oder Carl Craig als Vertreter des Zeitgenössischen, dazu ein paar Herren der alten Jazzschule wie Wayne Shorter und Jack DeJohnette und als Bindeglied Figuren wie die Disco-Queen Chaka Khan oder Charnett Moffett als handfesten Jazzer der jüngeren Generation. Daraus bastelt man dann ein Album, das auf Breitenwirkung und Massenkompatibilität zielt.
Das oszilliert dann zwar zwischen Jazz, Pop, Dance, Ethno und Rap, doch musikalisch definiert es nicht wirklich etwas Neues. Denn Hancock wollte in erster Linie die ganze musikalische Entwicklung seit Acid Jazz in einem Album vereinnahmen. Für ihn macht das Sinn, war er doch, man denke nur an "Cantaloop" von Us3, von Beginn an einer der Bezugspunkte dieser Bewegung. So zielt "Future 2 Future" vor allem auf den Beweis, dass Hancock stets hip war. Doch zur Hipness gehört auch ein gewisser Mut zum Risiko, und an dem mangelt es der Aufnahme.
Die hat nichtsdestotrotz ihre Qualitäten: sie ist bestens produziert, weiß Spannung und Dynamik einzusetzen und überrascht immer wieder mit Ausbrüchen von Spontaneität. Vor allem die alten Haudegen DeJohnette und Shorter wie auch Hancock selbst ließen sich durch den ungewohnten Kontext zu erstaunlichen Darbietungen beflügeln. So hat es Hancock gerade noch geschafft, auf den eigentlich schon abgefahrenen Zug aufzuspringen, in dem er einstmals einen Ehrenplatz besaß.
Herbie Hancock: Future 2 Future erschienen auf Transparentmusic/Columbia, CD 505211