Gammelfleisch-Skandal mit Ansage

Mit bakterienverseuchter Salami machte eine hessische Wurstfabrik kürzlich von sich reden. Der Lebensmittel-Skandal ist kein Einzelfall

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Insgesamt drei Todesfälle und rund 40 Erkrankungen wurden im Zusammenhang mit den mit Listerien belasteten Wurstwaren des Herstellers Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG aus dem hessischen Twistetal gemeldet. Seit 2014 seien die Erreger in insgesamt 37 Fällen nachgewiesen worden, heißt es vonseiten des Robert-Koch-Instituts (RKI), meist bei Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen.

Listeriose ist eine Krankheit, die durch Listerien (Listeria monocytogenes) in verdorbenen Lebensmitteln wie Geflügel, Fleisch, Wurst, Fisch, Milch und Käse oder vorgeschnittenen Salaten hervorgerufen wird. Die Bakterien überleben auch in eingeschweißten Lebensmitteln. Für geschwächte, kranke Menschen oder Schwangere, die viele Bakterien aufgenommen haben, kann die Krankheit tödlich verlaufen.

Normalerweise werden die Keime bei Hitze abgetötet, erklärt eine Expertin im NDR-Interview. In diesem Fall sei auch Brühwurst betroffen gewesen, die sogar vorher erhitzt wurde. In jedem Fall können sich die Keime bei mangelhafter Hygiene schneller verbreiten. Würden die Hygienevorschriften mit entsprechenden Kontrollen eingehalten, sollte man die Produkte eigentlich bedenkenlos genießen können.

Im Fall Wilke jedoch waren die hygienischen Missstände in Produktion und Lagerung zu spät erkannt und viel zu spät gemeldet worden. Die Wurst wanderte als Aufschnitt in Restaurants, Krankenhäuser und an Catering-Firmen. Sie wurde als Handelsmarke unter anderem Namen in Ikea-Restaurants in Wursttheken von Metro und Kaufland verkauft, an Krankenhäusern und Kinderkrippen geliefert, vermutlich auch in Fertiggerichten angeboten. Noch einen Tag nach dem öffentlichen Rückruf wurde sie in einer Reha-Klinik in Köln an Patienten verteilt.

Bemerkenswert ist die Langsamkeit, mit der die Behörden nach den ersten Verdachtsmomenten reagierten: So soll das hessische Umweltministerium bereits am 12. August 2019 vom Listerien-Verdacht durch das Robert-Koch-Institut erfahren haben. Am 16. September lagen die Laborergebnisse vor. Zwei Tage später informierte das Ministerium das zuständige Regierungspräsidium Kassel darüber. Und anstatt spätestens jetzt einen Rückruf der Ware zu veranlassen, wartete das Ministerium noch zwei weitere Wochen ab.

Laut FAZ hat die Kasseler Staatsanwaltschaft gegen den Geschäftsführer, der mit einem Mal unauffindbar war, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Inzwischen hat die Firma Insolvenz angemeldet. Immerhin: Die rund 200 Mitarbeiter erhielten noch ihr letztes Gehalt für September.

Bakterien infizierte Milch aus dem Handel genommen

Etwas schneller reagierten die Behörden, als Aldi und Rewe Anfang Oktober 2019 Milchprodukte aus dem Handel nehmen mussten, weil die Milch mit Aeromonas hydrophila, stäbchenförmige Bakterien, die in Süß- und Brackwasser bei Temperaturen von 1 bis 45° C überleben, belastet war. Die Bakterien, die nur bei starkem Erhitzen absterben, können bei Kindern und Erwachsenen zu Magen-Darm-Erkrankungen führen.

Glaubt man dem Deutschen Milchkontor (DMK), lag die Ursache an einer defekten Dichtung in einem Werk im nordrhein-westfälischen Everswinkel. Unmittelbar nachdem das Problem bei internen Reinigungskontrollen entdeckt worden war, sei die Produktion gestoppt, das defekte Maschinenteil ausgetauscht und zusätzliche Reinigungen durchgeführt worden.

Bei der infizierten Milch handele es sich um ein eher "übersichtliches Volumen", erklärte DMK-Sprecher Oliver Bartelt gegenüber Foodwatch. Der Warenrückruf sei lediglich aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes erfolgt.

(Ergänzung: Wie aktuell bekannt wurde, sind Säuglingsmilchprodukte der Unternehmen Nestlé und Novalac mit aromatischen Mineralölverbindungen kontaminiert. Das haben mehrere unabhängige Labortests ergeben. Die chemischen Verbindungen gelten als krebserregend und erbgutverändernd. Im Rahmen einer Petition ruft Foodwatch oben genannte Konzerne dazu auf, die betroffenen Produkte sofort aus den Regalen zu nehmen und die Verbraucher entsprechend darüber zu informieren.)

Vergammelte Dönerspieße

Die Verarbeitung von Schlachtabfällen als Rohware ist ein risikoloses, dafür hoch rentables Geschäft, schrieb der Lebensmittelexperte Thilo Bode in seinem 2007 veröffentlichten Buch "Abgespeist".

Hackfleischspieße nach Döner Art sind der Verkaufsschlager deutscher Imbissbuden. Leider wird dem Döner häufig auch vergammeltes Fleisch untergejubelt. Um Kosten zu sparen, lassen sich betrügerische Hersteller immer wieder was Neues einfallen. Mal wird Hundefutter zu Döner verarbeitet, mal wird ungenießbares Fleisch als "hochwertig" ausgeliefert.

In anderen Fällen werden die Haltbarkeitsdaten überschritten. Die Liste der Skandale mit Döner-Hackfleisch allein in den Jahren zwischen 2004 und 2007 ist lang. Je öfter das Fleisch durch den Wolf gedreht wird, desto besser lässt sich schlechte Ware darin verarbeiten, sagt Joachim Kuntzer vom Chemischen Untersuchungsamt Stuttgart.

2006 hatte eine Dönerfabrik in Baden-Württemberg drei Tonnen Schlachtabfälle zusammen mit verdorbenem Fleisch zu Spießen verarbeitet. Gerade Gammelfleisch ist, wenn es in geringen Dosen untergemischt wird, schwierig zu erkennen, erklärt der Lebensmittelexperte. Deshalb kommen wohl auch nur diejenigen Fälle ans Licht, bei denen ein konkreter Verdacht besteht. Oft werden teure Rohstoffe durch Wasser und Fett ersetzt oder verlängert, denn sie bringen mehr Gewicht auf die Waage.

Gespart wird auch gerne an den Kosten für die Kühlung. So fanden Polizisten im Sommer 2018 bei Husum 1.600 Kilogramm Döner-Spieße im Innenraum eines völlig überladenen Kleintransporters ohne ausreichende Tiefkühlung. Zum Teil waren die unhygienischen Fleischspieße bereits ausgeliefert worden. Die 13 Döner, die in Husumer Imbissen konfisziert wurden, beseitigte man gemeinsam mit dem Fleisch aus dem Transporter in einer Tierkörperverwertungsanlage.

Im August 2018 stoppte die Polizei einen Laster mit 24 Tonnen Dönerfleisch, die viel zu warm gelagert waren. Und im Frühjahr 2019 hatte die Polizei im fränkischen Marktredwitz einen Kleintransporter mit 600 Kilo verdorbenem Dönerfleisch entdeckt.