Gaspreise: So teuer könnte die nächste Rechnung werden

Durch hohe Heizkosten können sich vermutlich viele bald keinen Urlaub mehr leisten, sagen Experten. Kommunen fürchten Pleite ihrer Stadtwerke.

Gasheizungen galten bislang als modern, umweltfreundlich und wartungsarm. Nun dürften sie vor allem als teuer gelten, denn das Gas wird knapp und die Preise steigen rapide. Aktuell liegt der Preis für europäisches Gas im Großhandel bei über 128 Euro je Megawattstunde (MWh), etwa das Sechsfache dessen, was in den Vorjahren bezahlt werden musste.

Es dauert nicht mehr lang, bis sich die gestiegenen Preise im Großhandel beim Verbraucher bemerkbar machen. Laut dem Vergleichsportal Check24 haben die Versorger für den Zeitraum von Juni bis August in 249 Fallen Preiserhöhungen angekündigt oder bereits durchgeführt. Es trifft demnach rund 2,2 Millionen Haushalte.

"Die hohen Gaspreise werden erst mit etwas Verzögerung vollumfänglich bei privaten Strom- und Gaskunden ankommen", erklärte Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. Viele Stadtwerke und andere Versorger haben vor vielen Jahren lang laufende Lieferverträge abgeschlossen, mit denen sie Erdgas zu günstigen Preisen einkauften. Damit werden Preissprünge abgefedert.

Doch wenn die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben oder die vereinbarten Kontingente aufgebraucht sind, dann müssen sie zu den aktuell teuren Börsenpreisen einkaufen. Doch noch können sie die höheren Kosten nicht unumschränkt weitergeben.

Wann Kosten weitergegeben werden dürfen

Vor den Preiserhöhungen geschützt sind bislang die Personen, die sich eine Preisgarantie haben vertraglich zusichern lassen – und auch nur für den vereinbarten Zeitraum. Für alle anderen wird es jetzt schon teurer. Doch sind die Voraussetzungen des Paragrafen 24 des Energiesicherheitsgesetzes erfüllt, dann können die Versorger auf jeden Fall höhere Kosten unmittelbar an die Verbraucher weitergeben.

Dafür müsste der Bundeswirtschaftsminister die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausrufen, was Robert Habeck (Grüne) auch unlängst getan hat. Dann müsste noch die Bundesnetzagentur eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland" feststellen. Dann könnten die betroffenen Energieversorger die Preise entlang der Lieferketten auf ein "angemessenes Niveau" erhöhen.

Auf welches Niveau die Gaspreise für die Haushalte steigen werden, darüber gibt es bislang nur Prognosen. Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (SPD), gehen davon aus, dass sie sich im Vergleich zum Vorkrisenniveau verdoppeln oder verdreifachen könnten.

Der Ökonom Jens Südekum schätzt, dass sie sich auch vervierfachen könnten. Und laut den Experten von Check24 könnte es für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 kWh im Jahr um rund 1.500 Euro teurer werden.

Auf einen deutlich höheren Wert kommt eine Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman, über die das Handelsblatt (28.06.2022) berichtete. Je nach Wohnsituation werden die Energiepreise demnach zwischen 80 und 130 Prozent steigen, "falls es zu weiteren Importbeschränkungen für fossile Brennstoffe aus Russland" kommen sollte. Für einen Vier-Personen-Haushalt sei dann allein beim Gas mit einer Kostensteigerung von bis zu 2.900 Euro zu rechnen.

Besonders betroffen seien Mieter, da sie überhaupt keinen Einfluss darauf hätten, mit welcher Art von Heizung ihre Wohnung beheizt wird. Und diese Entwicklung könnte gravierende soziale Folgen haben.

Die soziale Schere geht weiter auseinander: Die ohnehin meist ärmeren Haushalte, die zur Miete im Mehrfamilienhaus wohnen, haben im Gegensatz zu den meist finanziell besser gestellten Eigenheimbesitzern nur geringe Möglichkeiten, sich gegen die Entwicklung zu stemmen.

Dominik Weh, Partner bei Oliver Wyman, Handelsblatt (28.06.2022)

Viele Menschen scheinen sich der Konsequenzen noch nicht bewusst zu sein, meinte demnach Wehs Kollege Matthias Witzemann. "Unser Modellhaushalt mit vier Personen wird nichts mehr sparen können und seine Urlaubskasse angreifen müssen." In vielen Fällen werde gar kein Geld mehr für einen Urlaub übrig bleiben.