Gaza-Krieg: Wird Haager Chefankläger Khan das Ukraine-Prinzip anwenden?
- Gaza-Krieg: Wird Haager Chefankläger Khan das Ukraine-Prinzip anwenden?
- "Äußerste Besorgnis" artikuliert vom UN-Menschenrechtsbüro
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Oberster Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs sucht Putin per Haftbefehl. Druck wächst, dass er auch im Israel-Gaza-Krieg aktiv wird. Ist das wahrscheinlich?
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH), Karim Khan, besuchte direkt nach der Invasion Russlands in die Ukraine im Februar 2022 das angegriffene Land. Und das mehrmals. Er bezeichnet die Ukraine umgehend als einen "Tatort" und eröffnete ohne Verzug eine der größten Untersuchungen in der Geschichte des Gerichtshofs.
Für die Ermittlungen wurden historische Geldsummen außerhalb des IStGH-Haushalts mobilisiert, während zusätzliche Mitarbeiter aus westlichen Staaten bereitgestellt wurden. Im März 2022 stellte Khan einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin aus. Vor allem ging es um die mutmaßliche Entführung von Kindern aus der Ukraine.
Der Brite Karim Khan ist mit großer Unterstützung der USA und Großbritanniens zum Chefankläger gewählt worden. Das war im Juni 2021. Raji Sourani, Direktor des Arabischen Zentrums für Menschenrechte, Empfänger des Alternativen Nobelpreises ("Right Livelihood Award") und Gaza-Bewohner, unterstützte damals die Ukraine-Untersuchung.
Doch er beklagte zugleich, dass der Chefankläger bisher keinen vergleichbaren Versuch unternommen habe, zusätzlich Geld einzutreiben, um eine Untersuchung im Fall Palästina zu finanzieren. Von einem "Tatort" spreche er auch nicht, während er offensichtlich keinen ernsthaften Versuch unternommen habe, Palästina zu besuchen.
Das sollte sich ändern. Im Dezember 2022 kündigte Khan an, dass er hoffe, Palästina im Jahr 2023 zu besuchen. Doch Israel habe dann die Anfrage abgelehnt, wie Reed Brody von The Nation in den USA berichtet.
Nach dem 7. Oktober, als der militante Arm der Hamas in Israel nahe des Gazastreifens rund 1.200 Menschen tötete, und der daran anschließenden Bombardierung der Enklave durch das israelische Militär mit vielen tausend Toten, äußerte sich Khan lange nicht.
Das Schweigen wurde von verschiedenen Seiten kritisiert und der internationale Druck auf Khan wuchs. Am 29. Oktober, also über zwanzig Tage nach Ausbruch der Gewalt, besuchte er schließlich den ägyptischen Rafah-Grenzübergang nach Gaza.
Er hielt dort eine starke, klare und durchaus emotionale Rede, die an das erinnerte, was er damals im Fall der Ukraine sagte. Die Rede wurde später in Teilen im britischen Guardian abgedruckt.
Er betonte, dass die Geschehnisse im Gazastreifen nicht hingenommen werden können und er hoffe, in den kommenden Tagen in den Gazastreifen einreisen zu können.
Er sprach ausführlich über die grausamen Angriffe und Geiselnahmen der Hamas am 7. Oktober, die er als Verbrechen bezeichnete, und über die israelische Reaktion. Khan bekräftigte dabei, dass die Menschen in der Enklave "unvorstellbares Leid" erdulden müssen und bezeichnete die Situation unschuldiger Menschen, die in einem Krieg gefangen sind, aus dem sie nicht fliehen können, als unhaltbar. Er betonte, dass die Zivilbevölkerung im Einklang mit dem Völkerrecht geschützt werden müsse.
Ferner forderte er Israel auf, die Einreise lebensrettender Hilfsgüter in den Gazastreifen nicht zu verzögern und warnte, dass die Blockierung humanitärer Hilfe ein Verbrechen inmitten einer beispiellosen humanitären Katastrophe darstellt.
Khan forderte Israel auf, das Völkerrecht zu respektieren, und unterstrich, dass zivile Infrastrukturen – nämlich Wohnhäuser, Moscheen, Kirchen, Schulen und Krankenhäuser – nach dem humanitären Völkerrecht nicht angegriffen werden dürfen.
Der Chefankläger rief die Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs und alle relevanten Parteien zudem dazu auf, gemeinsam zur Durchsetzung der Genfer Konventionen, des Völkerrechts und der Grundsätze des Römischen Statuts des Gerichtshofs beizutragen und Beweise für Verbrechen und Verstöße weiterzugeben, um diese zu untersuchen und angemessen zu verfolgen.
Fünf Staaten haben nun gestern zudem einen gemeinsamen Antrag an den Chefankläger des IStGH gesandt, mit der Aufforderung, die Situation in den palästinensischen Gebieten zu untersuchen, wie Reuters berichtet.
Kahn teilte mit, dass die Anweisung von Südafrika, Bangladesch, Bolivien, den Komoren und Dschibuti eingereicht worden sei. Südafrika erklärte, der Antrag sei gestellt worden, "um sicherzustellen, dass der IStGH der ernsten Lage in Palästina dringend Aufmerksamkeit schenkt".