Gebete statt Punk
Die Räumung eines Jugendhauses in Kopenhagen ist Teil einer Politik gegen Minderheiten in Dänemark
Das hat es in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen schon lange nicht mehr gegeben. Seit fast einer Woche reißen Demonstrationen und Blockaden nicht ab. Der unmittelbare Anlass war die am letzten Donnerstag erfolgte Räumung des Ungdomshuset, eines selbstverwalteten Jugendzentrums im Kopenhagener Stadtteil Norreport. Am Montag wurde es schließlich abgerissen. Das Haus in der Jagtvej 69 war im Jahr 1982 alternativen Jugendlichen als Zentrum überlassen worden.
In dieser Zeit galt die dänische Metropole als Hort der Toleranz für die Alternativkultur. Schon zuvor war der idyllisch auf einer Halbinsel gelegene Freistaat Christiania zum Anziehungspunkt von Jugendlichen aus vielen Ländern geworden. Dabei haben sie oft schnell feststellen müssen, dass es mit der Idylle so weit oft nicht her ist. So brachte der Kampf gegen Drogendealer das Projekt fast zum Scheitern.
Die Betreiber des Ungdomshuset hatten aus diesen Erfahrungen gelernt. Harte Drogen waren auf dem Gelände verpönt, vor Konzerten wurden die Nachbarn um Verständnis für die zusätzliche Lärmbelästigung gebeten und am Tag danach entfernten die Jugendzentrumsaktivisten eigenhändig die Graffitis von den Nachbarhäusern. Deshalb war das Verhältnis zwischen Jugendhaus und Nachbarschaft entspannt. Obwohl viele der arabischen Familien, die in dem ehemaligen Arbeiterstadtteil lebten, wahrscheinlich nicht gerade erfreut wären, wenn ihre eigenen Kinder Besucher des Jugendzentrums gewesen würden.
Wind von Rechts
Ein großer Teil der Bewohner des Stadtteils hat die gleichen Probleme wie die Jugendzentrumsbewohner. Sie fühlen sich von dem Dänemark, das die gegenwärtige rechte Regierungskoalition repräsentiert, an die Wand gedrängt. Der rechtsliberale Ministerpräsident Andres Fogh Rasmussen wird von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei unterstützt, die ihren Wahlkampf mit Ressentiments gegen Flüchtlinge und gesellschaftliche Minderheiten bestreitet.
In ihrem dänischen Volksheim soll es fleißig arbeitenden dänischen Steuerzahler gut gehen. Für die sollen auch die Sozialleistungen erhöht werden, so dass in der Frage der Sozialpolitik die DVP schon mal rhetorisch im Fundus der Sozialdemokraten wildert. Doch wer nicht zum Kreis der braven Steuerbürger gehört, hat es schwer. Dazu gehören in erster Linie Flüchtlinge. Dänemark gehört heute zu den Ländern, die immense Hürden aufbauen, und wurde deshalb schon von internationalen Organisationen gerügt.
Zu den Opfern dieser Politik gehören auch unabhängige Linke. Dänemark steht zur Zeit an der Spitze der europäischen Länder, die im Zuge des Krieges gegen den Terror Grundrechte einschränken (Im Bann der Schwarzen Listen). Da kommen schon mal Umweltorganisationen wie Greenpeace in die Nähe des Terrorverdachts. Die kleine linke Tageszeitung Arbejderen hatte einen Aufruf dokumentiert, in der die Politik der Schwarzen Listen in Dänemark kritisiert wurde. Bald bekam sie Besuch von der Polizei. Schon vorher musste der Aufruf von der Homepage der Rot-Grünen Allianz, einer linksökologischen dänischen Parlamentspartei, entfernt werden. Der Aufruf wurde verfasst, weil Mitarbeiter der dänischen Gruppe Opror wegen Unterstützung der beiden auf den Schwarzen Listen stehenden Organisationen FARC und PFLP angeklagt wurden. Ende April soll das Verfahren vor Gericht beginnen, das von Juristen und Menschenrechtlern beobachtet werden wird.
Kein Platz für Subkultur
Zu den Leidtragenden der rechten dänischen Politik gehört auch die Alternativbewegung, die höchstens als vorpolitisch zu bezeichnen wäre. Ihr Hauptanliegen war die Erhaltung eines eigenen Freiraums, den sie sich nach ihren Bedürfnissen selber gestalten kann. Deswegen haben die Räumung und der nachfolgende Abriss des Jugendzentrums eine emotionale Seite, die den Beobachter aus der Ferne erst einmal fremd ist. So legten weinende Jugendliche vor der Ruine des Ungdomshuset Blumen nieder, als wäre es das Grab eines Verstorbenen.
Verwunderlich ist auch auf den ersten Blick, dass die Räumung und der Abriss des Jugendzentrums von Menschen verurteilt werden, die wahrscheinlich nie einen Fuß in das Ungdomshuset gesetzt hatten. Die Menschen mit arabischem Hintergrund sehen vor allem die neuen Besitzer als Provokation an. Die rechtschristliche Gruppe Vaterhaus hat das Ungdomshuset bewusst gekauft. Aus ihrer Sicht schlug sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Hort des Bösen, der das alternative Jugendzentrum in ihren Augen war, wurde mit dem Abriss dem Erdboden gleich gemacht. Dort will sie ein christliches Zentrum errichten. Damit will sie in dem überwiegend von Menschen mit arabischem Hintergrund bewohnten Stadtteil als Hort des Christentums auftreten. Deswegen war die Gruppe auch nicht zum Verkauf zu bewegen, obwohl ihr eine Geldsumme angeboten war, die höher als der Kaufpreis gewesen wäre. Auseinandersetzungen mit den Nachbarn sind schon vorprogrammiert.
Die Räumung und der Umgang mit ungeliebten Minderheiten sind aber auch für andere Gruppen ein Signal. Auch die Bewohner von Christiania fürchten, dass sie bald weichen müssen. Eine ständige Polizeipräsenz gehört mittlerweile zum Alltag in den Stadtteil und zermürbt viele Bewohner.
Pro und Contra
Die dänischen Medien haben die Räumung unterschiedlich kommentiert. Die der liberalen und linken Opposition nahestehenden Zeitungen beklagten den Verfall von Liberalität im Land. Die regierungsnahen Zeitungen wie Jyllands-Posten - bekannt geworden durch die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen - lobten hingegen die Polizei für ihren Einsatz. Sie warnten die Politiker davor, in Kopenhagen überhaupt wieder ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zuzulassen, und unterstützten dänische Politiker, die die Eltern der Jugendlichen in die Pflicht nehmen wollten. Sie sollen sich gefälligst mehr um ihre Kinder kümmern und so verhindern, dass sie auf dumme Gedanken kommen.