Gefährder leichter abschieben, ohne Gesetzesverschärfungen

Seite 2: Juristischer Umgang mit dem Risiko

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War sich die auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei sicher, dass die beiden Gefährder einen Anschlag planten, so brauchte die Staatsanwaltschaft belastbares Material, weil das Strafgesetz - aus guten Gründen - ganz konkrete und gesicherte Anhaltspunkte verlangt, um präventiv zu greifen.

Der Umgang mit den beiden Gefährdern löste ein mulmiges Gefühl aus. Zwar ordnete das niedersächsische Innenministerium Abschiebehaft an, aber die Anwälte der beiden beantragten Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Nach alledem, was zuvor juristisch möglich war, schien es nun auch möglich, dass die beiden in Leipzig Recht bekommen könnten und schließlich auf freiem Fuß gesetzt werden, was angesichts der Vorgeschichte der beiden ein ziemliches Risiko bedeutet hätte.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt nun genau dieses Risiko in den Mittelpunkt seiner Begründung zur Ablehnung der Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz. Die Veröffentlichung des Wortlautes der Entscheidung in beiden Fällen (Aktenzeichen BVerwG 1 VR 1.17 und BVerwG 1 VR 2.17) stand am Donnerstag, den 23. März, noch aus. Aus der Pressemitteilung geht jedoch der Kernpunkt der Entscheidung hervor:

Das Gericht hat auf der Grundlage der vorgelegten Erkenntnismittel die Prognose des Ministeriums als gerechtfertigt angesehen, dass von den Ausländern eine terroristische Gefahr ausgeht. Dafür reicht in den Fällen des § 58a AufenthG ein beachtliches Risiko aus.

Bundesverwaltungsgericht

Die beiden Männer bleiben in Abschiebehaft und können abgeschoben werden. Im Fall des Algeriers machte das Gericht die Auflage, die Abschiebung sei "davon abhängig, dass eine algerische Regierungsstelle die Zusicherung erteilt, dass dem Betroffenen keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht".

"So schwer ist das nicht"

Laut Einschätzungen, die gestern und heute in Medien kursieren, dürfte das Urteil dazu animieren, die Abschiebeanordnung nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes bei Gefährdern öfter als in der Vergangenheit anzuwenden. "So schwer ist das nicht", schreibt der Jurist Heribert Prantl in der SZ. Das Gerede über die schwierige Handhabbarkeit der geltenden Regeln stimme nicht.

In derselben Zeitung berichten Mascolo und Steinke davon, dass Deutschland "vor einer Welle von Abschiebungen gewaltbereiter ausländischer Islamisten" stehe - ermöglicht durch Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.

Nach Mascolos Einschätzung eröffnet der Leipziger "Präzedenzfall" ein neues Durchgreifen. Von den rund 600 islamistischen Gefährdern haben nach seinen Informationen "geschätzt 250 ausschließlich die ausländische Staatsangehörigkeit". Sie seien jetzt "Kandidaten für Entscheidungen nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes".

Unter den Sicherheitsbehörden kursieren die Leipziger Entscheidungen bereits, Akten werden gesichtet, Fälle vorbereitet.

Georg Mascolo