Geflüchtete auf Lesbos in Zeiten von Covid-19
Seite 2: Das "Hope Project"
Das "Hope Project" wird nach wie vor sehr engagiert von dem britischen Ehepaar Philippa und Eric Kempson geführt. Untergebracht in drei nebeneinander liegenden Lagerhallen gegenüber vom ehemaligen Camp Kara Tepe, liegt es nun näher am Camp als vormals zum Camp Moria.
Die Lagerhallen sind gut gefüllt mit Kleidung, Hygieneartikeln, Lebensmitteln (diverse Kühltruhen) etc. Das "Clothing Warehouse" gibt es - gut bestückt - nach wie vor, aber wegen Covid-19 kommen die Geflüchteten zum Aussuchen nicht mehr hierher. Das "Hope Project" arbeitet sich langsam durch das Camp, von Zone zu Zone (gelb, rot, grün, blau), von Zelt zu Zelt, zählt, wie viele Erwachsene, wie viele Kinder.
Sie bekommen dann passend zum Alter und Geschlecht eine große Tüte mit Klamotten und Hygieneartikeln etc. Das "Hope Project" hat sich allerdings nicht für den Zugang ins Camp registrieren lassen. Dazu muss man nämlich unterschreiben, sich nur positiv über das Camp zu äußern sowie keine Fotos zu machen. Das "Hope Project" will unabhängig sein, nimmt deshalb auch kein Geld vom griechischen Staat oder von der EU an.
Andere griechische Organisationen, wie zum Beispiel MCAT ("Moria Corona Awareness Team", siehe standbymelesvos.gr), haben einen Zugang ins Camp, und über diese bekommt das "Hope Project" die Sachen für die Geflüchteten ins Lager. Immer freitags steht eine der Lagerhallen voll mit großen Tüten, gepackt mit Lebensmitteln, die ebenfalls fürs Camp bestimmt sind.
Eric erzählt auch von den vielen Faschisten hier, die ihnen das Leben schwermachen. Einem Volunteer wurde dabei sogar in den Rücken geschossen. Philippa berichtet von einem Protestmarsch der Geflüchteten, der bei "One Happy Family" gestartet ist: Mütter mit ihren Babys ganz vorne, dann Mütter mit ihren Kindern, am Schluss die Männer. Der Zug kam nur bis zur Hauptstraße, wurde mit Tränengas, auch gegen die Babys, von der Polizei aufgehalten.
Ganz in der Nähe vom "Hope Project" befindet sich auch das Zentrum "One Happy Family" (OHF, ohf-lesvos.org). Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass es dieses Zentrum nicht mehr gibt, da ich in dem Buch "Denk ich an Moria. Ein Winter auf Lesbos" von Helge-Ulrike Hyams, das im Frühjahr 2021 im Berenberg Verlag, Berlin erschienen ist, gelesen hatte, dass es im März 2020 abgebrannt ist (die deutschen Medien berichteten nicht darüber).
Bei meinem Besuch unterhielt ich mich mit Apostolis (Akis), einem Griechen, der hier seit Anfang an mit dabei ist, also seit viereinhalb Jahren, und zum Koordinations-Team von OHF gehört. Er bestätigt mir den Brand. Die Behörden gehen davon aus, dass drei palästinensische Geflüchtete die von einer israelischen NGO betriebene Schule (als Teil des OHFs) angezündet haben.
Dabei ist auch das Hauptgebäude in Brand geraten. Bei OHF meint man aber, dass es wohl eher "Locals" gewesen sind, bzw. dass auch "Locals" an der Brandstiftung beteiligt waren. Sie haben zwei, drei Monate gebraucht, bis das OHF soweit wieder hergerichtet war.
Das Schulgebäude wurde dagegen nicht wieder aufgebaut. Vorher gab es zehn Klassen, jetzt gibt es nur noch vier. Das OHF läuft im "Emergency Modus". Es gibt hier vielerlei Angebote für die Geflüchteten. Eine Medizin-Station. Eine Reparaturwerkstatt ("Low-Tech Makerspace"), auch für Fahrräder, die hier manchmal auch an Geflüchtete ausgegeben werden. Ein Gemüse- und Kräutergarten. Wegen des stark behinderten Ausgangs der Geflüchteten aus dem Camp kommen auch nur noch zirka 200 pro Tag hierher, früher waren es so um die 800.
Auch gibt es mittlerweile keine Essensausgabe mehr. Das war ihnen bereits früher nicht erlaubt, wurde aber unter der Syriza-Regierung geduldet. Unter der jetzigen "Right Wing"-Regierung wird das Verbot aber eingehalten. Auch Akis berichtet von "Locals", die Volunteers bedroht haben bzw. Mietwagen, die ihnen zuzuordnen waren, wurden von ihnen aufgebrochen.