Gegen Dezentralisierung und Bürgerwindparks

Seite 2: Gesetz ohne Sinn und Ziel

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Von der drohenden Zwangsweisen Einführung sogenannter intelligenter Stromzähler hatten wir bereits letzte Woche berichtet. Bei zweifelhaftem Nutzen drohen dem Verbraucher zusätzliche Kosten und vor allem ein tiefer digitaler Blick in seine Lebensgewohnheiten. Der vom Wirtschaftsministerium erarbeitete und vom Bundeskabinett abgesegnete Gesetzentwurf soll bereits Ende April verabschiedet werden.

Nachzutragen bleibt die Kritik von anderen Seiten. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spricht in einer Stellungnahme von einem "Ein Gesetz ohne Sinn und Ziel, das den Prozess der Energiewende sogar zurückwerfen könnte".

Für Anlagen ab einer Leistung von sieben Kilowatt würde der Einbau verpflichtend. Dabei gebe es bereits Gesetze, die die Netzintegration hinreichend regeln. Windkraftanlagen würden bereits jetzt dynamisch angesteuert, sodass sie zum Beispiel bei Bedarf auch sogenannten Blindstrom einspeisen der für die Netzstabilität benötigt wird. Die dafür schon heute verwendete Steuerungs- und Datenübermittlungstechnik sei den geplanten neuen Zählern überlegen.

"Auch die Kosten-Nutzen-Analyse, die das Bundeswirtschaftsministerium für diesen Gesetzentwurf vorlegt, ist nicht nachvollziehbar", so BEE-Geschäftsführer Falk. Die absehbaren Kosten für Verbraucher und Solaranlagen-Betreiber wären viel zu hoch. Es sei außerdem unklar, wer verschiedene Nachrüstungs- und Umbaukosten trägt wie zum Beispiel den gegebenen Falls notwendigen Austausch eines Wechselrichters oder Zählerschranks. Die nach BEE-Ansicht unnötigen Kosten würden sicherlich entweder den Anlagenbetreibern oder über die Netzentgelte den Stromkunden aufgeladen.

Verbraucher und Produzenten Erneuerbarer Energien sollen höhere Kosten aufgebürdet werden. Auch ihre Rechte auf informationelle Selbstbestimmung werden eingeschränkt, ohne dass ihnen oder der Energiewende ein messbarer Nutzen entsteht. Der Gesetzentwurf muss nachgebessert werden, um unnötige Kosten zu vermeiden.

Hermann Falk, BEE-Geschäftsführer

Zu teuer

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht davon aus, dass der flächendeckende Einbau neuer Zähler zu teuer wird. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Obergrenzen würden nicht die Kosten decken. Außerdem sollten nach Vorstellungen des BDEW die rund 900 regionalen Verteilernetzbetreiber auch weiter für die Datenerfassung verantwortlich sein.

Die Energiewende findet zunehmend dezentral statt. Das erfordert auch eine dezentrale Steuerung der Prozesse und der Datenerhebung. (...) Die aktuelle Aufgabenteilung zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern läuft effizient und schafft einen hohen Grad an Systemsicherheit. Warum sollten die Rollen jetzt neu verteilt werden?

Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer

Das ist in der Tat ein weiterer interessanter Aspekt, auf den auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung aufmerksam macht. Mit dem neuen Gesetz würde die Aufgabe der Datensammlung der Verbraucher von den regionalen Verteilernetzbetreibern an die vier großen Übertragungsnetz-Unternehmen übergehen. Das hat zwei Folgen: Zum einen würden Letztere in die Lage versetzt, die Daten ökonomisch zu verwerten, zum anderen stellt die Neuerung eine gewaltige Zentralisation dar.

Und das zu einer Zeit, in der Großkraftwerke obsolet werden und die neue Technik eher eine Dezentralisierung nahe legt, die zu einer Demokratisierung sowohl der Verfügung über die Anlagen als auch der von ihnen generierten Einnahmen genutzt werden könnte. Doch die Bundesregierung hat offenbar anderes im Sinn, wie die neuen Ausschreibungsverfahren (siehe oben), die Bevorzugung der teuren Offshore-Windparks und jetzt das Digitalisierungs-Gesetz zeigen.