Gegen Dezentralisierung und Bürgerwindparks

Windpark in Niedersachsen; Foto: Philip May/CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Ausschreibungen, frühem Tauwetter auf Grönland und Zentralisierung der Verbraucherdaten

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Nun liegt also der Referentenentwurf für ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor und bestätigt die schlimmsten Erwartungen. Wie es sich seit spätestens letzten Sommer andeutet, ist es der Bundesregierung ernst mit dem Ausbremsen der Energiewende.

Die Mittel der Wahl sind verpflichtende Ausschreibungen auch für die Windenergie an Land. Schon in den im Herbst vorgelegten und im Winter noch einmal revidierten Eckpunkten des Wirtschaftsministeriums war klar geworden, dass es künftig für Bürgerprojekte sehr schwer werden wird, noch Windanlagen zu errichten. (Siehe auch Generalangriff auf die Energiewende und Energiewende: Der Tritt auf die Bremse)

Offensichtlich ist die Bundesregierung zum Beispiel nicht bereit, die Möglichkeiten der entsprechenden EU-Richtlinie auszuschöpfen. Diese sieht vor, dass bei Windkraftanlagen an Land eine Ausschreibungspflicht erst über 18 MW installierter Leistung pro Projekt ansetzen muss. Die Branchenverbände hatten in den vergangenen Monaten wiederholt gefordert, die Schwelle zur Ausschreibungspflicht auf dieses Niveau anzuheben.

Ausschreibungs-Lotterie

Doch diese sogenannte De-Minimis-Regelung kommt nicht zur Anwendung, wenn der Gesetzentwurf so angenommen wird. Einziges Zugeständnis an Bürgerwindparks ist, dass sie sich an Ausschreibungen schon beteiligen dürfen, bevor die Genehmigung nach dem Bundesemissionsschutzgesetz vorliegt. Diese müssen Interessenten ansonsten einholen, bevor sie ein Gebot abgeben müssen. Das heißt, sie müssen einen erheblichen bürokratischen Aufwand betreiben, bevor sie an dem Verfahren mit ungewissen Ausgang teilnehmen können.

Wie ungewiss der Ausgang sein kann, zeigte sich in der letzten Ausschreibungsrunde für Solarprojekte, in der nur jedes fünfte Gebot erfolgreich war. Die anderen hatten ihre Kosten in den Sand gesetzt. Größere Solaranlagen bekommen schon seit letztem Jahr nur noch eine Förderung, wenn sie in einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen. Die Runden finden, wie auch im Falle der Windenergie geplant, inzwischen mehrmals jährlich statt. In dem die Bundesnetzagentur jeweils festlegt, wie viel Megawatt zu vergeben sind, kann darüber der Ausbau punktgenau gesteuert werden.

Das Risiko für Bieter wird auch noch dadurch erhöht, dass sie eine sogenannte Pönale hinterlegen müssen. Dabei handelt es sich um eine Sicherheit, die Verfällt, wenn ein Projekt trotz Zuschlags nicht realisiert wird. Die Beträge sind mit 30.000 Euro pro Megawatt nicht unerheblich. Bei einer Größe von 18 MW, der maximale Umfang, der Bürgerwindparks künftig zugestanden wird, sind das bereits 540.000 Euro, die lange vor Baubeginn und zusätzlich zu den Antrags- und Baukosten aufgebracht werden müssen. Später werden sie natürlich zurückgezahlt, aber die Zinsen für diese Summe sind perdu.

Regide Begrenzung des Ausbaus

Der Netto-Zubau der Windenergie an Land wird künftig auf maximal 2500 MW im Jahr begrenzt. Gleichzeitig soll die Ausschreibungsmenge aber soweit limitiert werden, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Deckung des Bruttostromverbrauchs in Jahre 2025 sich nicht über 45 Prozent bewegt. Derzeit liegt er bei 32,7 Prozent und könnte bis 2020 ohne weiteres auf 50 Prozent gesteigert werden, wenn die Energiewende ehrgeiziger betrieben würde.

Der Bruttoverbrauch beinhaltet auch den Eigenverbrauch der Kraftwerke, der besonders bei den AKW und den Braunkohlekraftwerken besonders hoch ist. 2014 betrug er bei den AKW 5,8 und bei den Braunkohlekraftwerken lag er bei 7,1 Prozent. Zusammen machte das immerhin rund 16 Milliarden Kilowattstunden oder knapp drei Prozent des Bruttostromverbrauchs aus.

Noch restriktiver fällt die Beschränkung bei der Solarenergie und bei Biogasanlagen aus, wo auch der Ersatz von Altanlagen indirekt eingeschränkt wird. Das geschieht, in dem diese in die Ausbauobergrenzen eingerechnet werden. Vorgesehen sind ein "Brutto-Zubau von Solaranlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 2 500 Megawatt pro Jahr und (…) ein (...) Brutto-Zubau von Biomasseanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 100 Megawatt pro Jahr."

Entsprechend harsch ist das Urteil der Fachverbände: Der Entwurf "schneidet hart ins Herz der Energiewende", heißt es beim Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), dem Dachverband der Branche. Der BEE appelliert an Bundestag und Bundesrat den Gesetzesentwurf in den nächsten Wochen deutlich nachzubessern. Andernfalls seien die im Pariser Klimaschutzvertrag gemachten Zusagen nichts wert. Gleichzeitig werde Deutschlands Technologieführerschaft und Exportkraft zum Spielball rückwärts gewandter Politiker. (Siehe auch Abschied von den Klimazielen?)

März viel zu warm

Dass der vergangene März einen neue globalen Temperaturrekord aufgestellt hat, haben wir bereits berichtet. Nun liegen auch die Daten des Goddard Institutes for Space Studies der NASA vor, die dies bestätigen. Im GISS-Datensatz ist der März 2016 der sechste Monat in Folge, der einen neuen Rekord für den jeweiligen Monat aufstellt. Letzte Woche hatten wir in dem oben verlinkten Beitrag eine Grafik gezeigt, an der deutlich wird, wie sehr der März 2016 aus der bisherigen Datenreihe herausragt. Nach den Berechnungen des GISS war er um etwas mehr als 1,5 Grad Celsius wärmer als der Mittelwert über den März der Jahre 1880 bis 1909.

Eisbären, Nordpolarmeer. Aufgenommen von der USS Honolulu. Foto: Alphonso Braggs, US-Navy/gemeinfrei

Wie schon den ganze Winter über, war es vor allem in der Arktis weit überdurchschnittlich warm. Das wird dort vermutlich dazu geführt haben, dass sich weniger Eis als gewöhnlich gebildet hat, was unter Umständen zu stärkerem Eisverlust in den kommenden Sommermonaten führen könnte. Dünnes einjähriges Eis kann, die entsprechenden Wetterbedingungen vorausgesetzt, im Sommer gänzlich verschwinden. Und ein erstes Intervall von für das Meereis ungünstigen Bedingungen erleben wir seit einigen Tagen bereits mit starken Winden, die Meereis östlich von Grönland auf den Atlantik hinaustreiben, und ebenso starken Winden, die die Eisdecke vor Alaska aufreißen.

Frühes Tauwetter

Ganz außergewöhnlich ungünstige Winde wehten in der letzten Woche auch weiter im Süden und bescherten Grönland Rekordwärme. Am 11. April hat dies dort zum ersten großflächigen Tauen geführt, wie das Arctic Journal schreibt. Auf 12 Prozent der Fläche habe es Eisverluste gegeben.

Das ist das erste Mal in der Geschichte der dortigen Wetteraufzeichnungen, dass es so früh im Jahr zu einem derartigen Ereignis kommt. Vergleichbares ist bisher allerfrühestens im Mai aufgetreten, wie die Daten des dänischen Wetterdienstes zeigen.

Teilweise seien Temperaturen von über zehn Grad Celsius beobachtet worden. Ursache war eine Zustrom ungewöhnlich warmer Luft von Südwest, der einigen Küstenregionen Regen und der Station Kangerlussuaq 17,8 Grad Celsius bescherte, was etwas über der dort üblichen Tageshöchsttemperatur für Juli liegt. So früh im Jahr fließt das Schmelzwasser für gewöhnlich noch nicht ab, sondern dringt in den Schnee ein, um dort wieder zu gefrieren. Dabei, so zitiert das Journal einen Wissenschaftler, setze es Wärme frei, so dass es den umliegenden Schnee erwärme. Das wiederum könne in den nächsten Wochen dazu führen, dass dieser schneller taut.

Gesetz ohne Sinn und Ziel

Von der drohenden Zwangsweisen Einführung sogenannter intelligenter Stromzähler hatten wir bereits letzte Woche berichtet. Bei zweifelhaftem Nutzen drohen dem Verbraucher zusätzliche Kosten und vor allem ein tiefer digitaler Blick in seine Lebensgewohnheiten. Der vom Wirtschaftsministerium erarbeitete und vom Bundeskabinett abgesegnete Gesetzentwurf soll bereits Ende April verabschiedet werden.

Nachzutragen bleibt die Kritik von anderen Seiten. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spricht in einer Stellungnahme von einem "Ein Gesetz ohne Sinn und Ziel, das den Prozess der Energiewende sogar zurückwerfen könnte".

Für Anlagen ab einer Leistung von sieben Kilowatt würde der Einbau verpflichtend. Dabei gebe es bereits Gesetze, die die Netzintegration hinreichend regeln. Windkraftanlagen würden bereits jetzt dynamisch angesteuert, sodass sie zum Beispiel bei Bedarf auch sogenannten Blindstrom einspeisen der für die Netzstabilität benötigt wird. Die dafür schon heute verwendete Steuerungs- und Datenübermittlungstechnik sei den geplanten neuen Zählern überlegen.

"Auch die Kosten-Nutzen-Analyse, die das Bundeswirtschaftsministerium für diesen Gesetzentwurf vorlegt, ist nicht nachvollziehbar", so BEE-Geschäftsführer Falk. Die absehbaren Kosten für Verbraucher und Solaranlagen-Betreiber wären viel zu hoch. Es sei außerdem unklar, wer verschiedene Nachrüstungs- und Umbaukosten trägt wie zum Beispiel den gegebenen Falls notwendigen Austausch eines Wechselrichters oder Zählerschranks. Die nach BEE-Ansicht unnötigen Kosten würden sicherlich entweder den Anlagenbetreibern oder über die Netzentgelte den Stromkunden aufgeladen.

Verbraucher und Produzenten Erneuerbarer Energien sollen höhere Kosten aufgebürdet werden. Auch ihre Rechte auf informationelle Selbstbestimmung werden eingeschränkt, ohne dass ihnen oder der Energiewende ein messbarer Nutzen entsteht. Der Gesetzentwurf muss nachgebessert werden, um unnötige Kosten zu vermeiden.

Hermann Falk, BEE-Geschäftsführer

Zu teuer

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht davon aus, dass der flächendeckende Einbau neuer Zähler zu teuer wird. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Obergrenzen würden nicht die Kosten decken. Außerdem sollten nach Vorstellungen des BDEW die rund 900 regionalen Verteilernetzbetreiber auch weiter für die Datenerfassung verantwortlich sein.

Die Energiewende findet zunehmend dezentral statt. Das erfordert auch eine dezentrale Steuerung der Prozesse und der Datenerhebung. (...) Die aktuelle Aufgabenteilung zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern läuft effizient und schafft einen hohen Grad an Systemsicherheit. Warum sollten die Rollen jetzt neu verteilt werden?

Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer

Das ist in der Tat ein weiterer interessanter Aspekt, auf den auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung aufmerksam macht. Mit dem neuen Gesetz würde die Aufgabe der Datensammlung der Verbraucher von den regionalen Verteilernetzbetreibern an die vier großen Übertragungsnetz-Unternehmen übergehen. Das hat zwei Folgen: Zum einen würden Letztere in die Lage versetzt, die Daten ökonomisch zu verwerten, zum anderen stellt die Neuerung eine gewaltige Zentralisation dar.

Und das zu einer Zeit, in der Großkraftwerke obsolet werden und die neue Technik eher eine Dezentralisierung nahe legt, die zu einer Demokratisierung sowohl der Verfügung über die Anlagen als auch der von ihnen generierten Einnahmen genutzt werden könnte. Doch die Bundesregierung hat offenbar anderes im Sinn, wie die neuen Ausschreibungsverfahren (siehe oben), die Bevorzugung der teuren Offshore-Windparks und jetzt das Digitalisierungs-Gesetz zeigen.