Gegenwind vom Alten Kontinent
Widerwilliger Domain-Monopolist NSI
Im Streit mit dem Beinahe-Ex-Monopolisten im internationalen Domainnamengeschäft, Network Solutions Inc., hat die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die künftig den Markt der neuen und alten Top-Level-Domains organisieren soll, Unterstützung bekommen. "Ganz allgemein möchte ich nochmals unsere Unterstützung für ICANN bekräftigen", schrieb der für Wettbewerbsfragen zuständige Direktor der Generaldirektion IV (GD IV) John Temple Lang an Becky Burr, die im US Wirtschaftsministerium für die Überleitung des DNS auf ICANN zuständig ist. Die Brüsseler Wettbewerbshüter kritisieren den im Amendment Nr. 13 zwischen NSI und dem US Department of Commerce niedergelegten Vertragsentwurf, den potentielle Konkurrenten mit NSI abzuschließen haben.
Aufgrund von Klagen der Newcomer sah man sich veranlaßt, zu überprüfen, ob NSI seine marktbeherrschende Stellung ausnutzt. Noch gelten etwa für NSI und die neuen Registrare keineswegs die gleichen Regeln, kritisiert die Behörde. Vielmehr werde der Markteintritt durch NSIs finanzielle Forderungen erschwert. Bewerber müssen - abgesehen von der vorweg fälligen Lizenzgebühr für die Shared-Registry-Software in Höhe von 10.000 Dollar - eine Kaution von 100.000 Dollar hinterlegen, auf die NSI im Falle jedweden Vertragsbruchs Zugriff hat.
Dabei stellen die EU-Wettbewerbshüter ganz offensichtlich die Eignung der NSI-Software in Frage und beklagen ausdrücklich deren "schlechte Qualität". Auch der Preis für den ersten Zweijahresvertrag bei der Domainregistrierung sei mit 18 Dollar nicht erkennbar kostenbasiert. "Es ist ungefähr so, als sollte eine Monopol-Fluglinie Konkurrenz bekommen, aber Flieger, Flughäfen und Flugpläne des Monopolunternehmens benutzen", sagt Larry Erlich vom Internetdienstleister DomainRegistry , der in Phase 2 antreten will.
Ein großes Problem sehen Temple Lang und Kollegen auch darin, daß NSI im geltenden Standardvertrag nicht dazu verpflichtet wird, seine Tätigkeit als Betreiber der Hauptdatenbank, der sogenannten Registry, von seinem Geschäft als Vermarkter der Domains zu trennen. Allein dadurch erhält NSI eine dauerhafte Sonderstellung. Nirgendwo, so der Vorwurf der Europäer, sei NSI vertraglich dazu verpflichtet, die Daten der Konkurrenz ausschließlich für Aufschaltung der Verbindungen zu benutzen.
Diese Daten, Adressen und Verkehrsdaten dürfe NSI aber keineswegs zu Marketingzwecken benutzen. Gleichzeitig, so klagen Provider, erlaube die Einbettung in das geteilte Domainvergabesystem keine eigenen Whois-Services. Interessenten würden bei der Nutzung des Whois-Dienstes, der über reservierte Domains und deren Inhaber Auskunft gibt, immer wieder bei NSI landen. Neukunden könnten dadurch sofort an NSI gebunden werden. Auch die Bedingungen für den Wechsel von einem Anbieter, bei den gTLDs NSI, zur neuen Konkurrenz, könnten Kunden abschrecken. Müssen sie doch einen Neuvertrag für zwei Jahre abschließen, ohne daß bereits entrichtete Zahlungen angerechnet werden.
Schließlich kritisieren die Wettbewerbshüter der GD IV das insgesamt unkooperative Verhalten, das sie für die Verzögerungen des Umstellungsprozesses verantwortlich machen. Bis jetzt sind erst zwei der fünf Testphasen-Konkurrenten im Geschäft. Künftige Standardverträge sollen schließlich keine Vertraulichkeitsbestimmungen enthalten, die länger als die Verträge selbst laufen. Fünf Jahre lang sind die Unternehmen derzeit dazu verpflichtet, Stillschweigen über Technik - und technische Probleme - der NSI-Software zu halten. Angesichts des laufenden Streits dürfte es noch einige Zeit dauern, bis der Markt tatsächlich offen ist. Die EU-Forderung, NSI müsse sich wie alle Konkurrenten bei der ICANN lizensieren lassen, hat das Unternehmen nach amerikanischen Berichten bereits abgelehnt. In letzter Konsequenz könnte das zu einer Aufspaltung des Netzes in disparate Routing-Systeme führen. Ob dies technisch möglich und sinnvoll ist, wird im Netz bereits heftig diskutiert.