Gehirnscans mit dem fMRI zur Terroristenerkennung

Im Kontext des hysterische Züge annehmenden Sicherheitsdiskurses nach den Anschlägen werden wahrhaft exotische Big-Brother-Pläne entwickelt

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Nach den Terroranschlägen versuchen Politiker und Behörden weltweit hektisch, weitere Hintermänner der Terroristen zu entdecken und Verfahren zu entwickeln, künftig Risikopersonen schneller und besser entdecken zu können. Biometrische Verfahren wie Gesichts- oder Iriserkennung, aber auch eine Verhaltensanalyse der Bilder von Überwachungskameras werden vorerst wohl Konjunktur haben, nicht zuletzt dürften auch Forderungen nach einer möglichst breiten, wenn nicht umfassenden Gen-Datei wieder aufleben. Ein hoher britischer Polizeioffizier hatte schon vor den Anschlägen dafür plädiert, zur Verbrechensermittlung und -abschreckung von allen Bürgern einen genetischen Fingerabdruck zu machen. Wenn es um die Sicherheit geht, scheint die Fantasie vieler Menschen plötzlich aufzublühen, wie sich Grenzen abdichten und besser kontrollieren lassen, auch wenn dies mit schwerwiegenden Abstrichen bei Freiheit und Privatsphäre einhergeht.

Farwell testet Terry Harrington, der des Mordes verurteilt wurde. Angeblich wurde festgestellt, dass Harrington nichts mit dem Verbrechen zu tun hatte, während sein Alibi bestätigt wurde. Freigekommen ist er deswegen allerdings nicht. er hat Berufung eingelegt.

.Sorgen haben etwa die sogenannten Schläfer verbreitet, also Mitglieder von international agierenden Terrornetzwerken, die unauffällig über die Welt verstreut leben, aber plötzlich zu einem Auftrag aus ihrer Tarnidentität "aufwachen" und zur Tat schreiten können. Gegen sie hat man in Deutschland wieder die Rasterfahndung aufleben lassen, um durch Abgleich personenbezogener Daten in möglichst vielen Datenbanken Verdächtige, die dieser gefährlichen Personengruppe angehören könnten, auszufiltern. Neben der Herkunft aus arabischen Ländern sind die aus den Verhaltens(un)auffälligkeiten der mutmaßlichen Terroristen des 11. September abgeleiteten Kriterien wie männlich, technische Studienfächer, keine Kinder, viel Reisen, legaler Aufenthalt, ausreichend mit Geld ausgestattet oder weder religiös noch sonst kriminell auffällig vermutlich nicht sehr eindeutig (Rasterfahndung auf eigene Faust).

Bei Schläfern, die noch nichts gemacht haben und auch nicht "aktenkundig" wegen ihrer Nähe zu einer terroristischen Vereinigung wurden, helfen wohl auch Überprüfungen durch den Verfassungsschutz oder forensische Methoden wie Fingerabdruck oder Gentest nichts. Doch Lawrence Farwell, ein amerikanischer Neurowissenschaftler, hat, wie er meint, schon vor Jahren eine stets weiter entwickelte geniale Erfindung gemacht, mit der sich nicht nur Terroristen oder Kriminelle erkennen lassen sollen, die bereits eine Tat begangen haben, sondern auch Menschen, die solchen Kreisen angehören.

Mit seiner Technik soll sich irrtumsfrei und objektiv die Existenz von Informationen im Gehirn nachweisen lassen, auch wenn der Überprüfte versucht, sein Wissen zu verbergen. Die Idee ist ganz einfach: Beweise wie Fingerabdrücke, DNA-Spuren oder andere materielle Nachweise, die belegen können, dass ein Mensch an einem Ort war oder eine Tat begangen hat, gibt es oft nicht. Was aber ein Täter stets mit sich an den Tatort nimmt, ist sein Gehirn, das, wie Farwell sagt, "die Ereignisse manchmal wie eine Videokamera speichert". Mit dem von ihm entwickelten Test könne man erkennen, ob ein bestimmtes Wissen, das beispielsweise nur der Täter eines Verbrechens haben kann, im Gehirn eines Menschen vorhanden ist.

So soll das Aktivitätsmuster aussehen, wenn kein Wiedererkennen stattfindet.

Die Stimmung nach dem 11.9. scheint ihm ideal dafür, sein Verfahren des "Gehirn-Fingerabdrucks", mit dem durch EEG-Abnahme festgestellt werden kann, ob jemandem Begriffe, Szenen oder andere Dinge bekannt sind, zur Terrorabwehr einzusetzen. Kennt jemand bestimmte Personen wie Bin Ladin oder Atta, Pläne für Anschläge oder Orte wie die Trainingslager in Afghanistan, so würde dieser zumindest in Verdacht geraten, Mitglied des Terrornetzwerks al-Qaida sein zu können. Unterstützung hat er dafür auch durch Steve Kirsch erhalten, dem Vorstand von Propel Software und Gründer der Suchmaschine Infoseek, der dringend die Einführung einer landesweiten Datenbank für den Gehirn-Fingerabdruck, kombiniert mit Iriserkennung zur zweifelsfreien Authentifizierung, fordert, um durch Kontrollen an Flughäfen, Hochhäusern oder anderen gefährdeten Orten die regelmäßig zu erstellenden "Sicherheitsrisikoprofile" aller Menschen zu erfassen.

Das alles klingt nicht nur nach Orwell und Science Fiction, sondern auch ein wenig verrückt. Auf seiner Website Brainwavescience.com preist Farwell denn auch fast wie auf dem Jahrmarkt sein System an, das sich in verschiedenen Tests, u.a. für die CIA oder das FBI, an über 100 Versuchspersonen als 100-prozentig zuverlässig erwiesen haben soll, was sowieso schon Misstrauen erregt. Farwell will, nachdem der Richter seinen "Gehirn-Fingerabdruck" als Beweismittel vor Gericht zugelassen hat, letztes Jahr die Unschuld eines vor 23 Jahren wegen Mord verurteilten Mannes mit seinem Test und die Schuld eines Serienmörders erwiesen oder FBI-Mitarbeiter aufgrund ihrer Kenntnisse von anderen Menschen unterschieden haben. Der "Gehirnfingerabdruck" funktioniert ähnlich einem Lügendetektor oder Polygraphen, bei dem unterschiedliche Körperfunktionen wie Blutdruck, Hautwiderstand und Atmung aufgezeichnet werden, während dem Untersuchten Fragen gestellt werden. Sind die Fragen für eine Tat bedeutsam, sollen die vegetativen Reaktionen stärker ausfallen als bei den Kontrollfragen.

Bei Farwells Verfahren wird dem zu Überprüfenden ein Stirnband mit Sensoren aufgesetzt, die dessen Hirnwellen aufzeichnen, wenn er auf dem Computerbildschirm bestimmte Bilder sieht oder Sätze liest. Dabei scheint seine Methode über die Erfassung ereigniskorrelierter Potenziale hinauszugehen. Hier werden durch bestimmte Reize ausgelöste Wellenmuster durch Bearbeitung mit einem Computerprogramm aus der Gesamtheit der Gehirnwellen herausgefiltert. Die ersten, nach Präsentierung des Reizes feststellbaren Gehirnwellen sind noch nicht von Bewusstsein begleitet. Bewusste Wahrnehmung setzt mit der P300-Welle ein, die 300 Millisekunden nach der Darbietung des Reizes eintritt und mit kognitiven Verarbeitungsprozessen verbunden ist, beispielsweise mit dem Gedächtnis oder mit der (emotionalen) Bewertung. Je bedeutungsvoller der angebotene Reiz ist, desto stärker ist die P300-Welle.

Und so soll das Aktivitätsmuster aussehen, wenn etwas wieder erkannt wird.

Farwell ist der Überzeugung, dass es auch P300-Reaktionen gibt, die angeblich jenseits der Kontrolle des Menschen entstehen und entdeckt werden können. Dazu wurden von ihm die Analyseverfahren verbessert, um nicht nur ein Potenzial, sondern gleichzeitig mehrere ereigniskorrelierte Potenziale erfassen zu können, die einem komplexeren Reiz entsprechen. Er hat, wie er behauptet, eine auf P300 aufbauende Reaktion entdeckt, die er MERMER (Memory and Encoding Related Multifaceted Electroencephalographic Response) nennt. Mit MERMER sollen nur Reaktionen auf Stimuli erfasst werden, die für einen Menschen bedeutsam sind, während gewöhnliche Reize oder aufgabenbezogene Stimuli ausgeblendet bleiben. Wenn einer Person also neben irrelevanten Präsentationen wichtige Dinge, die sie kennt und in ihrem Gehirn abgespeichert hat, auf einem Bildschirm für kurze Zeit präsentiert werden, soll sich dies aus der Analyse der aufgezeichneten Gehirnwellen ablesen lassen.

Natürlich birgt das Verfahren, sollte es tatsächlich funktionieren, was prinzipiell durchaus möglich wäre, einige Probleme, die auf der Hand liegen. Zunächst könnten auch die Antworten des Gehirns auf Reize trainiert werden, da man mit Gehirnwellen durch Biofeedback über ein EEG beispielsweise auch einen Cursor steuern oder auf seine Befindlichkeit einwirken kann. Überdies ist die von Farwell gewählte Bezeichnung des "Gehirn-Fingerabdrucks" irreführend, da alle, die an einem Ort präsent waren und ein Ereignis gesehen haben, diese Erinnerungen in sich haben. Und auch wenn man nur Berichte gehört oder Bilder etwa im Fernsehen von einem Ereignis oder einem Menschen gesehen hat, könnten sich MERMER-Reaktionen erkennen lassen.

Just aus diesem Grund wird etwa in Deutschland auch der Lügendetektor nicht für Gerichtsverfahren zugelassen (BGH, 1 StR 156/98). Erst 1998 hatte der Bundesgerichtshof eine diesbezügliche Entscheidung gefällt, da die Feststellung des Tatwissens "zwingend" voraussetzt, dass vor der Durchführung des Tests "dem Beschuldigten als Antworten vorgeschlagene Tatdetails nicht bekannt geworden sind, weil anderenfalls die ausschlaggebenden Orientierungsreaktionen auch bei einem Nichttäter zu erwarten sind".

Das Gericht zeigte sich aufgrund der Darlegungen der Sachverständigen überzeugt davon, dass sich wissenschaftlich keine "eindeutigen Zusammenhänge zwischen bestimmten kognitiven oder emotionalen Zuständen und hierfür spezifischen Reaktionsmustern im vegetativen Nervensystem" erkennen lassen. Vegetative Reaktionen können in der Tat vielfältige Ursachen haben, gilt dasselbe aber auch für ereigniskorrelierte Potenziale im Gehirn?

Wissenschaftler des National Institute of Mental Health haben allerdings in einem Artikel in der Zeitschrift Science berichtet, dass es ihnen anhand von funktioneller Kernspinresonanztomografie (fMRI) gelungen ist, an der Aktivität des Gehirns zu erkennen, welche Gegenstandskategorie eine Versuchsperson mit den eigenen Augen betrachtet (Einblick in den Geist). Die Aktivitätsmuster lassen sich bei unterschiedlichen Objektkategorien offenbar gut unterscheiden. Bei Gesichtern, Häusern und unsinnigen Bildern lag die Erfolgsrate bei 100 Prozent. Ob damit jemals aus einem Aktivitätsmuster abgelesen werden kann, was jemand sich vorstellt oder gesehen hat, ist natürlich eine ganz andere Frage. Gleichwohl spricht dies auch für die Möglichkeit einer Anwendung wie die des Gehirn-Lügentests von Farwell, die überdies etwas realistischer zu sein scheint wie das Projekt der Nasa, bei dem Gehirnwellen aus der Distanz von Sensoren beim Durchschreiten von Kontrollstellen an Flughäfen erfasst und durch Kombination mit anderen Daten ausgewertet sollen, um verdächtige Personen auszufiltern (Technischer Zauber zur Abwehr des Bösen). Allerdings scheint die Hoffnung von US-Präsident Bush eher in diese Richtung zu gehen: Systeme zum Erkennen der bösen Absichten von Terroristen.