"Geistiges Eigentum" am Führerprinzip?

Ein Gangsterrapper droht einem CSU-Jungpolitiker mit dem Anwalt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Fabian Giersdorf ist 23 Jahre alt, sieht aber deutlich jünger aus. Der Jurastudent kandidiert im mittelfränkischen Roth für den örtlichen Stadtrat. Deutschlandweit ist er mittlerweile deutlich bekannter als alle anderen Kandidaten. Das liegt vor allem am Slogan, den er auf seine Plakate drucken ließ: "Chabos wissen, wer der Babo ist".

Jüngere kennen diesen Spruch als Hitparadentitel aus dem letzten Jahr. Das Stück stammt von Aykut Anhan alias "Haftbefehl", einem ehemaligen Wettbürobetreiber ohne Schulabschluss, der sich selbst einen "Azzlack-Rapper" nennt, wobei "Azzlack" für "asoziale Kanacken" steht. Wohlgemerkt: Das sind seine Eigenbezeichnungen. Anhan fördert den Verkauf von Tonträgern und Konzertkarten mit der öffentlich hinausposaunten Information, dass er sich vor acht Jahren in die Türkei verzog, weil damals in Deutschland ein Haftbefehl wegen Betrugs gegen ihn ausgestellt wurde. Die Texte, die der Gangsterrapper mit diesem Image verkauft, pendeln recht genretypisch zwischen weinerlicher Wehleidigkeit (Glaub an den Herrn, Wie die Tränen meiner Mutter), Gewaltgeiferei (Bitch da hast du, Ich nehm dir alles weg) und Antisemitismus (Psst!).

Bei potenziellen Wählern kam die "Babo-Ansage" nicht uneingeschränkt positiv an. Dass Giersdorf das offenbar nicht antizipierte, überrascht insofern, als diese Erfahrung vor ihm schon mehrere andere Unionspolitiker machten, die sich mit dem Gangsterrapper "Bushido" sehen und fotografieren ließen und anschließend Schwierigkeiten damit hatten, wie jemand zu wirken, dem es mit der Verbrechensbekämpfung wirklich ernst ist.

Die Ablehnung lag jedoch nicht nur an der an der grotesken Kunstfigur "Haftbefehl", mit der der von Giersdorf mittlerweile aufgegebene Slogan assoziiert wird, sondern auch an dessen Bedeutung, die gemeinhin mit "Die Jungs wissen, wer der Chef ist" wiedergegeben wird. Ohne "Haftbefehl" mit Hitler gleichzusetzen: Inhaltlich kommt das dem in den 1930er Jahren beliebten "Führer befiehl, wir folgen dir!" doch recht nahe.

Überraschenderweise bekam Giersdorf aber nicht nur Schwierigkeiten mit Bürgern, die wenig von Gangsterrap und dem im Slogan zum Ausdruck kommenden Führerprinzip halten, sondern auch von Anhan: Der postete auf Facebook: "[…] ich habe gerade das Wahlplakat von Fabian K. Giersdorf gesehen und frage mich, wie man meinen Songtitel ausnutzen kann, um neue Wähler für sich zu gewinnen? Abgesehen davon wurde bei mir nach keiner Freigabe gebeten! Herr Giersdorf - die Tage erhalten Sie Post von uns ..."

Diese relativ unverhohlene Abmahndrohung kam wiederum bei vielen "Haftbefehl"-Hörern nicht besonders gut an. Sie spotteten auf seiner Facebook-Seite unter anderem: "Hast du uns Sinti um Freigabe des Wortes Tschawo gebeten?", "Die StPO hat angerufen: Sie will das Wort 'Haftbefehl' zurück" und "Als Gegenleistung bekommst du dein [sic] Hauptschulabschluss".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.