Gelbe Westen: Wie mit dem Zorn umgehen?

Seite 2: Die Regierung ist geschwächt, die CGT mobilisiert

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Erstmals rief am Donnerstag eine Branchengewerkschaft, die linksalternative Basisgewerkschaft SUD Rail im Schienenverkehr, faktisch zur Unterstützung der derzeitigen Protestbewegung auf. Von ihrer Seite wird ferner dazu aufgerufen, Personen, die am Protest teilnehmen wollen, am kommenden Samstag kostenlos in den Zügen zu befördern.

Bereits in den Tagen zuvor kam insofern etwas Bewegung in die Landschaft, als in einigen französischen Regionen die Gewerkschaften versuchten, ihre eigene soziale Basis zu mobilisieren - um den "Gelbe Westen"-Protest entweder ins solidarische und progressive soziale Lager hinüberzuziehen oder eine Alternative zu ihm aufzubauen. "Drinnen" und "draußen" (d.h. parallel zur existierenden "Gelbe Westen"-Bewegung) verschränken sich dabei mitunter ineinander.

Auf regionaler Ebene gab es vor allem im Raum Nantes (Département Loire-Atlantique) sowie im Raum Toulouse Versuche, zu den im Rahmen der "Gelbe Westen"-Bewegung geplanten Tagen des Protests ebenfalls aufzurufen, den eigenen Protest dabei jedoch von progressiver Seite her aufzuzäumen. Etwa, indem man Forderungen nach Lohnerhöhungen - statt Steuersenkungen - primär in den Vordergrund rückt, um gegen bestehende Einkommensunterschiede vorzugehen, und auch ökologische Belange berücksichtigt (siehe zum Raum Nantes hier; zum gewerkschaftlichen Aufruf in und um Toulouse hier). Auch in Rennes demonstrierten übrigens am 1. Dezember 18 Gewerkschaften und "Gelbe Westen" gemeinsam. Derzeit ist es für eine Auswertung des Erfolgs dieser Strategie aber noch zu früh.

Die große Gewerkschaft CGT (auf frankreichweiter Ebene) verfolgt eine etwas andere Strategie. Auch sie versucht, die Situation - die durch eine erhebliche Schwächung des Regierungslagers unter Emmanuel Macron sowie einen sich Bahn brechenden sozio-ökonomischen Unmut geprägt ist - für eine eigene Mobilisierung zu nutzen. Doch sie versucht dies eher parallel zur "Gelbe Westen"-Bewegung; oder anders ausgedrückt: sie versucht, neben der von ihnen gelegten Spur eine eigene Spur zu ziehen.

Am Samstag, den 1. Dezember 18 führte die CGT ihre jährliche, zunächst unabhängig von den "Gelbe Westen"-Protesten angekündigte, Demonstration u.a. für Erwerbslosenrechte durch. Diese findet seit mindestens zwanzig Jahren alljährlich am ersten Samstag im Dezember statt; denn im Winter 1997/88 kam es zu starken, und in Teilforderungen durchaus erfolgreichen, Erwerbslosenprotesten - welche sich zunächst an der Forderung "Weihnachtsgeld für Arbeitslose!" entzündeten (vgl. dazu hier und hier).

Nachdem sich abzeichnete, dass die diesjährige Dezember-Demonstration der CGT zeitlich mitten in den Protest der "Gelben Westen" fallen würde, bemühte die CGT sich darum, dieses Datum (1. Dezember) zu einer Zentralmobilisierung zu machen. Überregional riefen verschiedene ihrer Kreisverbände dazu auf. Und während diese Demonstration sonst von der Métrostation Stalingrad - eher weitab vom Pariser Zentrum - loslegte, wurde ihr Startpunkt in diesem Jahr auf die zentralere Place de la République verlegt.

Thematisch war die inhaltliche Palette in diesem Jahr breiter als in den Vorjahren, da die Problematik der Erwerbslosenrechte derzeit notgedrungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden "Reform" der Arbeitslosenkasse - d.i. einer der beiden nächsten großen "Reform"pläne Emmanuel Macrons, neben der ebenfalls drohenden Renten"reform" - steht. Allerdings wurde die Thematik nicht direkt in Zusammenhang mit den Anliegen der "Gelben Westen" gebracht, die nicht erwähnt wurden.

Proteste am 24. November 2018 in Paris. Foto Bernard Schmid

Real wurde diese Demonstration jedoch kein durchschlagender Erfolg. Laut Polizeiangaben nahmen 2.100, laut Zahlen der CGT jedoch 15.000 Menschen daran teil. Ein mit dem Verfasser dieser Zeilen bekannter Linksgewerkschafter, welcher ebenfalls zeitweilig teilnahm, sprach seinerseits von 2.000 Personen und dem Gefühl "einer geringen Dynamik".

Allerdings ist auf der positiven Seite zu verbuchen, dass auch eine Reihe von "gelbe Westen"-Trägern zu der Demonstration der CGT hinzu kamen; teilweise hatten sie sich mit der Begründung dorthin gesellt, dass bei dieser Demo wenigstens nicht ständig Scheibenbrüche und Tränengaseinsätze zu erwarten seien.

Seit diesem Montag ruft die CGT nunmehr zu einem "großen Aktionstag" am Freitag, den 14. Dezember, auf - für die "sofortige" Anhebung von Löhnen und Renten. Das Datum fällt zusammen mit dem Tag, an dem eine Regierungskommission die jährlich anstehende Entscheidung zur Erhöhung - reiner Inflationsausgleich, oder mehr? - des gesetzlichen Mindestlohns (SMIC) zum 1. Januar 19 trifft.

In gewisser Weise setzt die CGT dadurch ihre Strategie einer Mobilisierung parallel zu den "Gelben Westen" - unter denen es bereits Aufrufe zu erneuten Protesten am Samstag, den 08. Dezember gibt - fort. Jedoch wird dieses Mal auf deren Protest Bezug genommen, und es ist die Rede davon, man "teile" deren "Zorn". Den konkreten Erfolg gilt es selbstverständlich auch in diesem Falle abzuwarten.