"Gelobt sei, was das Fliegen teuer macht"

Seite 2: Kampf um das Recht an Mobilität für Alle

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So steht der Kampf gegen das Fliegen mit welchen ökologischen Argumenten auch immer gegen den Kampf um Mobilität für Alle. Schon die Eisenbahnen begeisterten die Massen, mehr noch, wenn sie von Fürsten und Klerus verketzert wurden.

Die Arbeiterbewegung schuf sich Organisatoren wie die Naturfreundebewegung, die Mobilität nicht gegen Umwelt setzten. Sie haben auch kein religiöses Naturverständnis, wie es auch im Umfeld der Waldbesetzer im Hambacher Forst zu hören war. Dort wurde in manchen Statements die Besetzungsaktion nicht nur als Kampfmittel gegen die Pläne des RWE-Konzerns erklärt, sondern das Leben auf Bäumen als Wert an sich bezeichnet. Da wird auch viel Verständnis gezeigt, wenn irgendwo in der Welt indigene Sektenverantwortliche Waldstücke oder ganze Regionen für unantastbar erklären. Dann darf dort kein Baum gefällt werden und Bodenschätze dürfen nicht gefördert werden. Dass damit die Verarmung und Verelendung der Bevölkerung einhergehen kann, wird in Kauf genommen.

Solche religiösen Formen des Naturverständnisses wurden von Linken lange Zeit mit Recht kritisiert. Heute werden sie oft kritiklos übernommen. Demgegenüber solle wieder ein Mensch-Umwelt-Verhältnis Platz greifen, wo es als zivilisatorische Errungenschaft gesehen wird, wenn sich der Mensch aus den Naturverhältnissen zumindest teilweise befreit. Der menschliche Fußabdruck in der Welt ist ein Zeichen von Zivilisation. Wer heute so darauf drängt, den menschlichen Fußabdruck immer mehr zu verkleinern, sorgt sicher nicht für eine Welt, in der alle Menschen auf den Stand der gegenwärtigen Produktivkräfte leben können. Erst dann ist es möglich, über ein vernünftiges Mensch-Umwelt-Verhältnis zu diskutieren. Denn natürlich gibt es auch in einer vernünftig eingerichteten Welt Interesse, beispielsweise Bäume und Wälder nicht sinnlos abzuholzen.

Konsumkritik als Klassenkampf

Doch die Unterwerfung der Linken unter die Ratschlüsse von Stammesältesten stößt erfreulicherweise noch auf Kritik. So veröffentlichte die Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen und die Associazione dell talpe unter dem Titel Maulwurfsarbeit IV einen Aufsatz von Theo Schuster unter dem Titel "Konsumkritik als Klassenkampf", der dem aktuell hegemonialen Umweltdiskurs an vielen Beispielen kritisch unter die Lupe nimmt. So schreibt Schuster über die Konjunktur des Begriffs von der imperialen Lebensweise:

Die dahinterstehende Bigotterie wird deutlich, wenn die beiden Autoren von Imperiale Lebensweise, bewegungsjunggebliebene Hochschulprofessoren aus Berlin und Wien, ohne eine erkennbare Spur von Selbstironie ihr bevorzugtes Fortbewegungsmittel Fahrrad zur "praktischen Kritik an der ebenso imperialen wie antiquierten Form von Fortbewegung namens Automobilität" erheben. Der eigene Status als gesundheitsbewusster Akademiker, mit überdurchschnittlich gut bezahltem und zentral gelegenem Arbeitsplatz wird hier unausgesprochen zum Ausgangspunkt einer Normsetzung, die dem Automobilitätsbedürfnis von Pendlern, Rentnern, Bewegungsmuffeln und vernunftbegabten Gegnern des freien Hauens und Stechens auf urbanen Radwegen nicht entspricht.

Theo Schuster, Konsumkritik als Klassenkampf

Nun könnte man das Bild von überdurchschnittlich gut bezahlten Professoren in Zeiten von prekären Wissensarbeitern ebenfalls als Ressentiment bezeichnen und sich fragen, ob Schuster gegen die beiden Wissenschaftler ebenso mit moralischen Argumenten hantiert, was Kennzeichen des hegemonialen Ökodiskurses geworden ist.

Zudem durchzieht Schusters Text eine Dichotomie: auf der einen Seite die mittelständischen Ökologen, auf der anderen Seite die Gewerkschaften und Arbeiter, die sich für Umweltbelange nicht interessieren. Unterschlagen wird dabei, dass es bei Lohnabhängigen und auch in Gewerkschaften immer wieder Initiativen um eine lebenswerte Umwelt gab. Die aber fängt am Arbeitsplatz an.

Wolfgang Hien erinnert in mehreren Büchern an den Kampf um einen gesunden Arbeitsplatz, was bis heute sein Anliegen ist. In den USA gibt es Gewerkschaften, die eng mit einer, keinen Mittelstandsdiskurs pflegenden Umweltbewegung kooperieren. Auch am Kampf um den Erhalt des Hambacher Forst beteiligten sich Gewerkschafter, weil sie es richtig finden, den Plänen von RWE Paroli zu bieten und nicht, weil für sie ein Baum oder der Wald heilig ist. Hier finden sich Ansätze für ein Ökologieverständnis, das sowohl in Frontstellung zum kapitalistischen Verwertungsinteresse als auch zum hegemonialen Umweltdiskurs steht.

Wie kompatibel der zum Kapitalismus ist, zeigen die Pläne, des ökologischen Stromanbieters Lichtblick mit Shell zu kooperieren. Da kommt zusammen, was zusammen gehört. Der auf den umweltbewussten Mittelstand ausgerichtete Stromanbieter und ein Ölkonzern, der schon in den 1980er Jahren Ziel ökologischer Kampagnen wegen seiner Umweltverbrechen in aller Welt war.

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