Gen-Weizen als Antwort auf Ernährungskrise?

Seite 2: Pflanzen mit Trockenresistenz-Gen auf dem Vormarsch

Das HaHB4-Gen gehört zu einer Gruppe von Genen, die an Stressreaktionen von Pflanzen beteiligt sind. Den Wissenschaftlern zu Folge helfen sie der Pflanze, extreme Umwelteinflüsse wie Wassermangel auszugleichen. Insofern biete HB4-Weizen unter Anbaubedingungen, die normalerweise den Weizen-Ertrag verringern würden, einen Ertragsvorteil, heißt es. Zahlreiche Freilandversuche, die seit 2009 in Argentinien, Paraguay und den USA durchgeführt wurden, sollen dies bestätigen. 2018 gab es auch in Spanien eine Freisetzung mit HB4-Weizen.

Seit zwei Jahrzehnten forscht Bioceres an der HB4-Technologie - zusammen mit der französischen Firma Florimond Desprez und der argentinischen Technik- und Wissenschaftsbehörde. Um den Weizen auf den Markt zu bringen, gründeten die Argentinier 2013 gemeinsam mit dem französischen Pflanzenzüchter ein Unternehmen namens Trigall Genetics. Damals wurde 2016 als Start für den Anbau genannt.

Laut Bioceres wurden in Vorbereitung auf die Markteinführung 2020 bereits 7000 Hektar HB4-Weizen versuchsweise ausgepflanzt sowie 2021 noch einmal 55.000 Hektar an verschiedenen Standorten. Unter Trockenstress lieferte der HB4-Weizen 20 Prozent mehr Erträge als herkömmliche Sorten. Dem Gentechnikportal Transgen zu Folge sind in Argentinien aktuell fünf verschiedene Weizensorten mit dem HB4-Konstrukt zugelassen.

Auch die HB4-Sojabohne, die seit 2015 für den Anbau zugelassen ist, wurde in Argentinien entwickelt und unter dem Dach von Verdeca, einem Zusammenschluss von Bioceres (Argentinien) und Arcadia Biosciences (USA) vermarktet. Für die HB4-Sojabohne seien in Argentinien, Brasilien, Paraguay, USA und seit 2021 auch in Kanada die mehrstufigen Zulassungsprozesse abgeschlossen. In den fünf Ländern werden auf etwa 90 Millionen Hektar Sojabohnen angebaut, davon sind 84 und 100 Prozent gentechnisch verändert.

Weil inzwischen auch China, der wichtigste Abnehmer für Sojabohnen aus Nord- und Südamerika, die Importzulassung für HB4-Sojabohnen erteilte, geht Bioceres davon aus, dass der kommerzielle Anbau mit der "Öko-Sojabohne" beginnen kann. In Zusammenarbeit mit dem Agro-Unternehmen Dow AgroSciences soll das HB4-Merkmal mit auf dem Markt befindlichen herbizidtoleranten Sojabohnensorten kombiniert und auf diese Weise die Erträge unter verschiedenen Umweltbedingungen verbessert werden, wie es heißt.

Laut Zulassungsdatenbank International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA) wurde bereits eine Kombination von HB4 mit der gentechnisch veränderten Sojabohne GTS 40-3-2 mit eingebauter Glyphosat-Toleranz in Argentinien und Brasilien zugelassen. Auch in der EU wurde vor zwei Jahren für die Sojabohne HB4 (IND-00410-5) ein Antrag auf Importzulassung gestellt. Die EU importiert jährlich mehr als 30 Millionen Tonnen Sojabohnen und -schrot, davon mehr als 85 Prozent aus Brasilien, Argentinien und den USA.

Gentech-Unternehmen drängt auf Zulassung des neuen Gen-Weizens

Auf der Erde leben derzeit mehr als 800 Millionen Menschen, die nicht genug zu essen haben und 2,5 Milliarden, die sich schlecht ernähren, erklärt etwa Claudio Duran.Die neuen Gen-Pflanzen werden die "Getreideproduktion revolutionieren", hofft der Strategiedirektor von Bioceres.

Daher wollen die Wissenschaftler in möglichst vielen Ländern eine Import-Genehmigung für den Gen-Weizen erreichen. Allerdings stellt sich die Frage, bis zu welchem Grad sich Kulturpflanzen gentechnisch verändern lassen, so dass sie zunehmende Hitze und Dürreperioden nicht nur überleben, sondern auch noch ertragreich sind.

Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR wollen die Wissenschaftler die Pflanzen nun noch schneller an die Trockenheit anpassen: In so genannten CGIAR-Zentren (Consultative Group for International Agricultural Research, CGIAR) in Afrika, Südostasien und Lateinamerika bearbeiten sie wichtige Nahrungspflanzen wie Reis, Weizen, Mais, Cassava, Kartoffeln und Banane.

Dabei geht es um Resistenzen gegen verschiedene Krankheiten, bessere Stickstoffverwertung und eine Reduktion gefährlicher Inhaltsstoffe. Auch die EU will nun endlich die veralteten Gentechnik-Gesetze "an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anpassen", freuen sich die Autoren des Gentechnik-Portals Transgen.

Stopp der Waldrodung statt Anbau von Genpflanzen

Der Klimawandel macht den Planeten trockener und heißer. Jedes weitere Grad Temperaturanstieg hätte bei Weizen, Mais, Reis weiteren Ertragsverlust von zehn bis 25 Prozent zu Folge, erklärten US-Wissenschaftler bereits vor einigen Jahren.

Ein Grund für lang anhaltende Dürren in Südamerika ist nachgewiesenermaßen die Abholzung des Regenwaldes. So litt Argentinien seit 2018 unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Sie vernichtete auch die Getreideernten.

Gran Chaco, die zweitgrößte Waldregion in Südamerika nach dem Amazonas-Regenwald, erstreckt sich mit einer Größe von einer Million Quadratkilometern über Argentinien, Paraguay, Bolivien und Brasilien. Argentinien, einer der weltweit wichtigsten Rindfleischproduzenten, treibt dessen Entwaldung voran, um auf Rinderfarmen noch mehr Fleisch für den wachsenden Konsum weltweit zu produzieren, aber auch, um noch mehr Soja anzubauen.

Unterdessen fressen sich Rinderfarmen und Sojafelder immer weiter in die Wälder hinein. Um die Folgen des Klimawandels, in Südamerika vor allem Dürre und Hitze, zu bekämpfen oder wenigsten abzumildern, müsste die Entwaldung sofort gestoppt werden. Stattdessen aber beschleunigt sich der Raubbau am Regenwald.

Infolgedessen bleibt in den betroffenen Regionen immer öfter der Regen aus. Lange Dürreperioden werden immer häufiger. Hunger durch Trockenheit und Dürre - diese Entwicklung nimmt gerade erst Fahrt auf. Ob transgene Ackerpflanzen unter immer extremeren Klimabedingungen die Defizite der früheren Ernteerträge ausgleichen und die Ernährungssituation weltweit verbessern können, darf bezweifelt werden.