Generation "Keine Zeit für Schwarz-Grün"
Die "Grüne Jugend" will nach der Bundestagswahl keine weiteren vier Jahre Bummelstreik in Sachen Klimaschutz. Deshalb entfällt für sie eine rechnerisch-mögliche Koalition
Teile der "Grünen Jugend" stellten sich bereits im Oktober auf die Seite der Umwelt- und Klimaschutzgruppen, die damals die Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin besetzten. Anlass für den Protest war das Agieren grüner Spitzenpolitiker an der Seite der CDU in Hessen. Vor allem dem grünen Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir warf die Parteijugend vor, mit der Abholzung im Dannenröder Wald für den Weiterbau der Autobahn A49 eine aus der Zeit gefallene Politik zu betreiben und in der Klimakrise den Ernst der Lage nicht zu erkennen.
Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Anna Peters, hat sich inzwischen klar gegen eine "schwarz-grüne" Koalition im Bund nach der Wahl am 26. September ausgesprochen. "Ich möchte natürlich eine Regierung mit starker Beteiligung der Grünen - aber ohne die Union, damit diese Politik des Stillstands endlich ein Ende hat", sagte sie dem Nachrichtenportal watson. Der mögliche Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) ist in ihren Augen "der Kohle-König aus Nordrhein-Westfalen, der die Räumung des Hambacher Forsts unterstützt hat".
Mehr Angst vor Koalitionsbruch als um eigene Basis
In Hessen war es dem zuständigen Minister mit Grünen-Parteibuch zumindest peinlich, alte Bäume für ein Projekt zu opfern, das im Widerspruch zu den ökologischen Wahlversprechen der Grünen steht - Al-Wazir hatte behauptet, die Rodung nicht mehr stoppen zu können, da Bundesregierung und Bundestag 2016 den Bau des neuen Autobahnabschnitts festgeschrieben hätten. Allerdings hatte die Umweltorganisation Greenpeace rechtliche Optionen prüfen lassen und war zu einem anderen Ergebnis gekommen: Das Hessische Verkehrsministerium sei weiterhin die zuständige Planfeststellungsbehörde und damit zuständig für Ergänzungsverfahren und den Vollzug, also auch einen eventuellen Rodungsstopp. Ein starkes Argument sei auch, dass in einigen Regionen Hessens 2018 und 2020 der Trinkwassernotstand ausgerufen worden sei und die geplante Trasse durch ein Wasserschutzgebiet führen solle.
Demnach wollten es die hessischen Grünen es nur nicht auf einen Bruch der Regierungskoalition ankommen lassen. Den Nerv der Zeit treffen sie damit allerdings nicht - nach momentanen Umfragewerten wäre zwar eine "schwarz-grüne" Koalition im Bund rechnerisch möglich, wenn auch nur knapp. Aber viele der Wahlberechtigten, die ihre Stimme einer der beiden Parteien geben würden, wollen diese Kombination nicht.
Die grüne Parteijugend würde sich sicher dagegen stemmen. Und falls die Rechnung der Grünen, einen Großteil der Erstwählerinnen und Erstwähler aus der Fridays-for-Future-Generation abzustauben, überhaupt noch aufgeht, wären diese sehr schnell bitter enttäuscht.
Anlass für Protest verschwindet nicht einfach aus ihrem Leben
Nun waren junge Menschen im Durchschnitt immer schon kompromissloser als ältere. Die Erwartungshaltung, dass sich die Fridays-for-Future-Generation schon bald die Hörner abgestoßen hat und spätestens "vernünftig" wird, wenn sie um die 30 ist, könnte aber aus zwei Gründen ein Trugschluss sein:
Erstens wegen der erwartbaren Verschärfung der ökologischen Krise und zweitens, weil sich diesbezügliche Erfahrungswerte überwiegend auf Generationen beziehen, die noch in ihrer breiten Mehrheit davon ausgehen konnten, dank "sozialer Marktwirtschaft" ein höheres Wohlstandsniveau zu erreichen als ihre Eltern. Das gilt aber bereits für die heute 30- bis 45jährigen nicht mehr - in einer Studie im Auftrag der Gewerkschaft IG Metall wurden schon 2010 die damals 34jährigen zur "Generation Prekär" gezählt.
Dass der Trend seither ungebrochen ist, spüren auch die unter 25jährigen - und manche von ihnen fragen sich zusätzlich, ob ihr formaler Rentenanspruch überhaupt noch eine Rolle spielt, wenn bis dahin die Umweltkrise ganze Zivilisationen zusammenbrechen lässt und die Verteilungskämpfe immer brutaler werden. Anders als die 1968er Studentengeneration, die sich zu wesentlichen Teilen gegen Altnazis und eine altbackene Sexualmoral auflehnte, kann diese Generation nicht damit rechnen, dass der Anlass für ihren Protest aus ihrem Leben verschwindet, wenn sie es mit individuellem Aufstieg versucht und wartet, dass der Gegner altersschwach wird. Diese Generation hat keine Zeit für vier Jahre "Schwarz-Grün".
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