Generation dicker Jugend & Gesunde Kinderernährung

Veganer Burger. Falafel_Burger_with_Fries_(3389411458).jpg:Bild: CC BY-2.0

Populismus im Doppelpack

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Ein Blick in die Medien offenbart fast täglich eine schlimme Entwicklung in unserem Land: Die Kinder und Jugendlichen werden immer dicker! Wir brauchen mehr Engagement und Kampagnen für gesunde Ernährung! Und natürlich müssen die kleinen dicken Kinderchen vor den bösen Fettmachern Cola, Fast Food und Schokoriegel geschützt werden - am besten mit Extrasteuern und Werbeverboten. Schaut man sich die wissenschaftliche Datenlage an, so ist jedoch klar zu konstatieren: Hier reihen sich populistische Forderungen aneinander wie an einer ernährungsreligiösen Perlenkette, für die allesamt kein einziger wissenschaftlichen Beleg existiert.

So haben fast zeitgleich zwei aktuelle Publikationen aus den USA1 und Wales2 unabhängig voneinander das gleiche Ergebnis geliefert: Zwischen dem Körpergewicht von Kindern und der Ernährungsweise existiert kein statistisch relevanter Zusammenhang.

Die Forscher untersuchten dazu den Konsum sowohl von gezuckerten Softdrinks, Süßigkeiten, Fast Food als auch von Obst und Gemüse. In beiden Studien, die frei von "conflict of interest" und ohne "industrial funding" durchgeführt wurden, konnte keine signifikante Korrelation zwischen kindlicher Fettleibigkeit und Ernährung gefunden werden.

Diese aktuellen Studien bestätigen zahlreiche bereits erschienene Publikationen3 und verdeutlichen erneut: Die von Ernährungsideologen propagierte Angstformel "Limo, Süßigkeiten und Fastfood machen Kinder dick" ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht im Geringsten haltbar - es existieren noch nicht einmal konsistente Korrelationen (statistische Zusammenhänge), geschweige denn Kausalitäten (Ursache-Wirkung-Belege).

Die Zusammenhänge zwischen Kindergewicht und Lebensstilfaktoren sind wesentlich komplexer und vielschichtiger als eine banale Reduktion auf "Limo & Burger". Derartig reduzierter Populismus ist ein Schrei der Hilflosigkeit machtgieriger Ernährungsapostel, die damit Souveränität vorgaukeln wollen und müssen (zur Existenzberechtigung), sonst nichts.

Kein Beweis für die vielfach beschworene "Generation dicker Kinder"

Und das ist nicht noch alles: Es existiert darüber hinaus weder ein wissenschaftlicher Beweis für gesunde Kinderernährung im Allgemeinen noch dafür, dass wir ein schwergewichtiges Problem beim Nachwuchs haben. So ist auch die "Generation dicker Kinder" eine aufgeblasene Luftnummer ohne belastbare Datenbasis - denn die Studien zeigen überraschenderweise etwas ganz anderes ….

Dazu folgt nun eine Leseprobe des neuen Buchs "Kind, iss was .. dir schmeckt! Die wissenschaftliche Abrechnung mit gesunder Kinderernährung", das seit 31.08. erhältlich ist und sich an sich an (Groß-) Eltern, KITA- und Schulverantwortliche und alle richtet, die sich objektivideologiefrei für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen interessieren.

Grundsätzlich gilt: Den Kindern und Jugendlichen in Deutschland geht es gut. Gemäß 2013er-Daten des Robert Koch-Instituts bewerten 94 Prozent der befragten Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder als gut oder sehr gut, dito vergeben 88 Prozent der untersuchten 11- bis 17-Jährigen diese beiden Topnoten für ihren eigenen Gesundheitsstatus.

Auch in puncto Körpergewicht zeigt die Statistik begrüßenswerte Daten: Den Ergebnissen der paneuropäischen IDEFICS-Studie zufolge (zur Erforschung von Übergewicht von Kindern) dominieren in allen deutschen Bildungsschichten normalgewichtige Kinder (zwischen 68 und 80 Prozent). Besonders interessant: In allen Schichten leben mehr untergewichtige (circa zehn Prozent) als fettleibige Kids (zwischen drei und acht Prozent).

Von einer "Generation fetter Kinder" kann also beileibe nicht die Rede sein - derartige Panikmache muss unter meinungsmanipulativer gesteuerter Propaganda verbucht werden. Denn erstens, wie Sie gerade gelesen haben, gibt es wenige Dicke, und zweitens sinkt deren Zahl auch noch seit Jahren! So präsentierte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bereits bei der Vorstellung des "Ernährungsberichts 2012", eine Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die nach Auswertung der Schuleingangsuntersuchungen Folgendes ergab: Bei Kindern in nahezu allen Bundesländern waren Übergewicht um bis zu drei Prozent und Adipositas um bis zu nahezu zwei Prozent zurückgegangen.

Nur zwei Jahre später, im April 2014, belegten Wissenschaftler der Universität Ulm in der ersten internationalen Übersichtsstudie einen "erstaunlichen Trend in Industrieländern: Die Zahl übergewichtiger Kinder steigt nicht weiter." Studienautor Prof. Dr. Martin Wabitsch, Leiter der Sektion Pädiatrische Endokrinologie an der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, erklärte überrascht: "Die Deutlichkeit des Trends für Deutschland und viele vergleichbare Länder wie der Schweiz, Frankreich, den USA oder Australien hat uns selbst erstaunt."

Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. Bild: Ramon Haindl

Für Deutschland analysierten die Forscher die Daten aus Schuleingangsuntersuchungen mit jährlich mehr als einer halben Million Kinder. So wurden sie "auf die erstaunliche Trendwende aufmerksam, die seit dem Jahr 2000 immer deutlicher wird". Und zwar so deutlich, dass auch im 13. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Anfang 2017 konstatiert wurde: Die Prävalenz (Häufigkeit) übergewichtiger und adipöser Kinder bei der Einschulung nimmt in nahezu allen Bundesländern weiter ab - oder anders: Kinder, die heute in die Schule kommen, sind nicht mehr so dick wie die Jahre zuvor. Diesen generellen Trend bestätigte Anfang 2017 ebenfalls eine Folgestudie der KiGGS-Forschung: "Bei Kindern zwischen vier und zehn Jahren ist kein Anstieg von Übergewicht und Adipositas zu beobachten."

Über alle Schichten und Altersklassen hinweg betrachtet zeigen sowohl IDEFICS als auch die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts, dass etwa drei Viertel der deutschen Kinder und Jugendlichen normalgewichtig sind - nochmal zum Auf-der-Zunge-zergehen-Lassen: Fast 75 Prozent des hiesigen Nachwuchses sind nicht zu dick und nicht zu dünn, nein, die lieben Kleinen und Großwerdenden sind normalgewichtig. Dies wurde Anfang 2017 erneut durch die Ergebnisse einer EU-finanzierten Studie namens I.Family bekräftigt, in der etwa 16.000 Kinder aus acht europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, "vermessen" wurden: Etwa 80 Prozent der deutschen Kids sind normalgewichtig (inklusive dünn).

Den höchsten Anteil fettleibiger Kinder (20 Prozent) hat übrigens Italien - generell weisen italienische Kinder in allen Altersgruppen über drei Jahren einen deutlich höheren Body-Mass-Index (BMI) auf als Kinder in Belgien, Deutschland, Schweden, Spanien, Ungarn und Zypern. In der jüngsten EU-Studie galt etwa die Hälfte der Bambini als "normalgewichtig". Vielleicht schmeckt ja die "gesunde Mittelmeerkost" so lecker? Die IDEFICS-Studienautoren hingegen erklären: "Dabei zeigte sich, dass der mütterliche BMI der Faktor war, der am stärksten mit der BMI-Zunahme bei den Kindern verbunden war."

Dieser deutliche Zusammenhang war auch in der Folgestudie I.Family zu beobachten. Das spricht natürlich sehr stark für eine genetische Prädisposition, also für die Tatsache, dass das Erbgut von Mama "schuld" ist an den Speckröllchen der Bambini.

Zu diesen Zahlen sollte man wissen: Wie bei den Daten zu Erwachsenen basieren auch die Kindergewichtsklassen auf dem BMI - der bekanntermaßen nicht viel taugt (unter anderem, weil der BMI keine Unterschiede zwischen Fett- und Muskelmasse und deren Verteilung macht).

Kinderernährung - was ist wichtig?

Statt den frei erfundenen Apellen zu "gesunder Kinderernährung" pseudowissenschaftshörig zu gehorchen, sollten Eltern besser folgende Essenz beim Essen fokussieren: Den Kindern muss ihr Essen gut schmecken und sie sollten sich genussvoll und abwechslungsreich satt essen können - alles andere ist aus wissenschaftlicher Sicht unwichtig.

Die Eltern entscheiden, was auf den Tisch kommt, die Kinder entscheiden, was sie essen. Eltern, Kita- und Schul-Verantwortliche können sich bei der Essensversorgung absolut entspannen, denn alle Regeln zur gesunden Ernährung sind nicht mehr als willkürliche Bevormundung, die es getrost zu ignorieren gilt - zum Wohle der Kinder.

[6] Kind, iss was … dir schmeckt! Die wissenschaftliche Abrechnung mit den Märchen zu gesunder Kinderernährung, Plassen-Verlag, Erschienen am 31. August 2017; € 12,99 [D] / 13,40 [A]; ISBN: 978-3-86470-505-2

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