Genussvoll im Kreis fahren

Gran Turismo 5 Prologue für PS3 und Mario Kart Wii

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Mit seinem legendären Satz "Ich bin draufgekommen, dass es in meinem Leben Sachen gibt, die wichtiger sind, als mit dem Auto im Kreis zu fahren" kehrte Niki Lauda dem Rennsport den Rücken. Kurz darauf kreiste er wieder. Dass im-Kreis-Fahren Millionen einbringen kann, belegen neben Lauda und Co auch die Videospiele Mario Kart und Gran Turismo.

Beide Titel treten exklusiv auf – Gran Turismo auf Sonys Playstation bereits seit der ersten Generation, Mario Kart ist seit jeher auf Nintendos Konsolen beheimatet und blickt seit dem ersten „Super Mario Kart“ für SNES wie Niki Lauda auf fünfzehn Rennjahre zurück.

Das im-Kreis-Fahren beschreibt die Schnittmenge der beiden Serien fast hinlänglich. Darüber hinaus sind die Spielkonzepte so unterschiedlich, wie zwei Rennspielansätze nur sein können. Gran Turismos Untertitel "The Real Driving Simulator" belegt den Anspruch der Realitätsnähe, die primär für die Präsentation gilt. Da Entwickler Polyphony Digital seit dem ersten Gran-Turismo-Spiel die Steuerung einfach hält und Fahrfehler milde ahndet, ist GT, dem Untertitel zum Trotz, nicht den Rennsimulationen zuzuordnen. Die visuelle sowie akustische Gestaltung der Fahrzeuge und Rennstrecken kommt der Realität jedoch bis ins Detail so nahe, wie es die jeweilige Konsolengeneration hergibt und auch die Fahrphysik orientiert sich im Rahmen dessen, was die Steuerung leicht zugänglich hält, an den Originalen.

Ganz anders Mario Kart, das in der bunten Mario-Welt beheimatet deren Optik und Geräuschkulisse übernimmt. Die Steuerung erschließt sich neuen Spielern auf Anhieb und das reine Renngeschehen wird durch Gegenstände erweitert (und teilweise entschieden), mit denen der Spieler beispielsweise einen Geschwindigkeitsschub erhält oder seine Kontrahenten ausbremst. Mario-Kart gilt als Begründer der Fun-Racer und ist nach wie vor der bekannteste und erfolgreichste Genre-Vertreter.

Die Wii-Version enthält ein kleines Lenkrad, das als Wii-Mote-Halterung dient. Die Steuerung damit ist – besonders im Vergleich zu ähnlichen Ansätzen auf der Wii – erstaunlich präzise, auch wenn sie nicht die feine Übersetzung eines analogen Controllers erreicht. Neben dem Nunchuk und dem Classic Controller unterstützt Mario Kart Wii auch vorhandene GameCube-Steuerungen, womit eine heimische Runde zu viert – entsprechende „Altlast“ vorausgesetzt – auch ohne komplettes Wii-Mote-Quartett möglich ist.

Luigi auf zwei statt vier Rädern

Die offensichtlichste Änderung im Spiel selbst ist die Einführung von Bikes, die sich nicht nur optisch von den namensgebenden Karts unterscheiden, sondern ein leicht verändertes Fahrverhalten aufweisen. Reißt der Fahrer den Lenker hoch und fährt nur auf dem Hinterrad, erhöht sich die Geschwindigkeit moderat. Da während eines solchen Wheelies die Lenkung eingeschränkt ist und jeder Kontakt mit Hindernissen oder Konkurrenten den Fahrer ausbremst, bietet sich diese Fahrtechnik fast ausschließlich auf freien, geraden Abschnitten an.

Mit den Zweirädern führt Nintendo gleichzeitig auch Tricktechniken ein, die, während eines Sprungs ausgeführt, dem Fahrer nach der Landung einen kurzen Temposchub bescheren und sowohl mit dem Bike als auch mit dem Kart ausgeführt werden können. Fast jeder Parcours verfügt über zahlreiche Sprungmöglichkeiten, darunter auch Halfpipes, die eher in Skate- und Snow-Board-Games wie der Tony-Hawk- oder SSX-Serie zu finden sind.

Einen Tempo-Boost erhält der Spieler nach wie vor auch durchs Driften, wobei die nahezu dauerhafte Beschleunigung durch das auf dem DS ebenso geliebte wie gehasste Snaking nicht mehr möglich ist. Hinsichtlich der Temposchübe haben Karts und Bikes unterschiedliche Vorzüge: Erstere ermöglichen beim Driften stärkere Schübe, dafür gelingen Tricks leichter auf den Zweirädern.

Natürlich dürfen bei Mario Kart die auf der Strecke zu sammelnden Objekte nicht fehlen, gehört doch die Freude, das vorausfahrende Kart mit einem Schildkrötenpanzer oder den Verfolger mit einer Bananenschale auszubremsen zu den schönsten Erlebnissen im Fun Racer. Nach wie vor gleicht die Versorgung der hinteren Fahrer mit besseren Gegenständen zu große Differenzen aus, über Führung oder rote Laterne entscheiden aber im Vergleich zu Mario Kart Double Dash!! die Fahrkünste mehr als die passenden Gegenstände. Auf die dort eingeführten, nicht sonderlich gut ausbalancierten, individuellen Objekte, verzichtete Nintendo bereits bei "Mario Kart DS". Auch der blaue Stachelpanzer, der zielstrebig das führenden Kart erreicht und ausbremst, erscheint weniger häufig als auf dem GameCube.

Die Kurse aus dem SNES-Klassiker wirken leicht verstaubt

Drei neue Gegenstände, vor allem für Fahrer auf hinteren Plätzen, bereichern das Sortiment. Der unter anderem aus "New Super Mario Bros" bekannte Maxi-Pilz beschleunigt und vergrößert den Fahrer, sodass er die Konkurrenz förmlich plättet. Der POW-Block führt nach kurzer Warnung zu einem Erdbeben, das alle voran fahrenden Karts, die nicht rechtzeitig mit einem Sprung den Erdboden verlassen, herumwirbelt. Aus dem Wolkenblitz schießt (wie sollte es anders sein) nach einer Weile ein Blitz, also sollte der Fahrer diesen Schwarzen Peter schnellstmöglich durch Rammen einem Konkurrenten abgeben.

Die Hälfte der 32 Kurse ist neu, die andere quasi ein Best-of aller bisherigen Titel. Einigen Klassikern hat Nintendo zusätzliche Hindernisse und Sprungmöglichkeiten spendiert. Die beiden Kurse aus dem SNES-Klassiker fallen freilich durch seine flachen Kurse auf, war „Super Mario Kart“ doch genau genommen ein zweidimensionales Spiel mit dreidimensionaler Optik.

Nur jeweils die Hälfte der neuen und klassischen Kurse stehen dem Spieler von Anfang an zur Verfügung. Den Rest verdient er sich in klassischer Mario-Kart-Manier durch einen Medaillenplatz in Grand-Prix-Wertungen aus jeweils vier Rennen gegen computergesteuerte Gegner in den traditionellen Gewichtsklassen 50cc, 100cc und 150cc mit aufsteigender Geschwindigkeit und Herausforderung. In der niedrigsten Klasse sind ausschließlich Karts, in der mittleren nur Zweiräder zugelassen. In der 150cc-Klasse hat der Spieler freie Fahrzeugwahl.

Am meisten Spaß macht Mario Kart im Wettstreit mit menschlichen Konkurrenten. Im eigenen Wohnzimmer hat sich dabei mit dem geteilten Bildschirm für bis zu vier Spieler wenig geändert, aber endlich darf sich der Karter mit dem Rest der Welt Rennen liefern. Die online-Funktion von "Mario Kart Wii" ist zwar spärlich im Vergleich zu dem, was Sony und Microsoft seit längerem auf ihren Konsolen bieten, aber sie führt den Spieler schnell und einfach zu menschlichen Mitfahrern, wie es Mario Kart DS bereits vorgemacht hat.

Beim ersten online-Rennen erhält jeder Spieler 5000 Punkte, die dann je nach Platzierung steigen oder sinken. Anhand dieser Wertung bildet der Server möglichst ausgeglichene Rennen und verhindert so den Frust beim Anfänger ebenso wie die Langweile der erfahrenen Fahrer. Erweiterte Möglichkeiten wie Voice-Chat fehlen – besonders schade, wenn der Konkurrent das schadenfreudige "Hab dich!" nicht hören kann.

Das goldene Lenkrad zeigt bei online-Rennen an, wer tatsächlich regelmäßig mit dem Lenkrad spielt

Das online-Spiel funktioniert flüssig und ohne erkennbare Latenz. Nach zwei bis fünf Minuten ist üblicherweise eine Gruppe Mitstreiter gefunden. Meist ergänzt der Spieler ein bereits vorhandenes Fahrerfeld und wird in der Wartezeit als Zuschauer live ins laufende Rennen geschaltet, sodass er schon vor dem Start die Konkurrenz analysieren kann.

Umfassende Aufwärmrunde

"Gran Turismo 5 Prologue" (GT5P) ist eigentlich nur ein Vorwort, ein Appetithäppchen auf das für 2009 angekündigte "Gran Turismo 5". Den Prolog als Demo abzutun, würde den immerhin 70 Autos (bei denen wichtige Marken wie Porsche und Lamborghini fehlen) und sechs Kursen, die dank Variationen durchaus auf zehn Strecken kommen, aber nicht gerecht.

Außer auf klassische Rennstrecken führt GT5P den Fahrer nach London und an die Eigernordwand

Im Vergleich zum Vorgänger fällt die noch höhere Detailtiefe ins Gewicht, die erst mit der PS3 möglich ist. Das Spiel läuft auf 1080p (sogenanntes Full HD) und ist fraglos eines der grafisch schönsten PS3-Titel bisher. GT5P taugt hervorragend zur Präsentation dessen, was auf Sonys aktueller Konsole möglich ist. Zwar wirken manche Hintergründe auf unerklärliche Art synthetisch, aber in seinen besten Momenten erreicht GT5P nahezu Fotorealismus.

Kern des Spiels ist der Karrieremodus: Der Spieler startet mit einem engen Budget, das lediglich für einen einfachen Wagen ausreicht. In den Rennen verdient er stetig Geld hinzu, mit dem er sich bessere Autos leisten kann und für anspruchsvollere Konkurrenz auch muss. Die Rennen sind in aufsteigender Schwierigkeit in die Klassen C, B, A und S unterteilt und häufig auf bestimmte Fahrzeugtypen, teils gar auf einen bestimmten Wagen beschränkt.

Alte Gran-Turismo-Tuning-Fans werden das Basteln am Fahrzeug vermissen – erst nach dem erfolgreichen Beenden aller Rennen der Klasse A steht dem Spieler ein Quick-Tuning offen. Einzelne Zubehörteile wie verbesserte Stoßdämpfer fehlen im Prolog, sollen aber im vollen Release nächstes Jahr enthalten sein.

Für Einsteiger bedeutet dieser Mangel sogar einen Vorteil, da die große Variabilität die Einschätzung erschwert, ob die schlechte Platzierung am mangelnden Fahrvermögen oder einem nicht optimal ausgestatteten – beziehungsweise den Streckenverhältnissen angepassten – Auto lag. Die Basiseinstellungen in GT5P beschränken sich auf Automatik- versus manuelles Getriebe, Traktionskontrolle und eine zweistufigen Übersteuerungsregulierung. Für die meisten Rennen ist die Standardeinstellung völlig ausreichend.

Neu ist die optionale Anzeige der Ideallinie über den Kurs, die gerade bei den ersten Rennen auf neuer Strecke sehr hilfreich ist, zumal Stellen, an denen der Fahrer bremsen muss, zusätzlich rot markiert sind und in engen Kurven gar die Höchstgeschwindigkeit auf dem Bildschirm erscheint. Gleichzeitig belegt die Linie, dass die computergesteuerten Fahrer weitgehend auf Kurs bleiben, aber bewusst nicht unfehlbar gehalten sind.

Die Anzeige der Ideallinie ist gerade zu Beginn eine große Hilfe

Bei allem grafischen Realismus verzichtet die Gran-Turismo-Serie bisher auf ein Schadensmodell. Egal, welche Strapazen und Kollisionen der Fahrer seinem virtuellen Untersatz zumutet, dessen Lack schimmert stets, als käme er frisch vom Fließband. Die Folge ist, dass die Spiele bei aller Detailverliebtheit recht steril wirken. Auch in der Verkaufsversion von GT5P fehlt das Schadensmodell, soll aber tatsächlich noch dieses Jahr als Erweiterung über das Playstation Network erhältlich sein. Das kommt einer kleinen GT-Revolution gleich erfüllt den wohl meistgenannten Wunsch der GT-Gemeinde.

Wer sich mit menschlichen Gegnern messen will, kann das zu zweit am geteilten Bildschirm – bei stabiler Bildrate – oder online tun. Vor das Spiel übers Internet hat Sony zunächst einen umfassenden Download gesetzt, der mit einigen Abbrüchen einen Vorgeschmack auf die hakelnde Verbindungen in online-Rennen bietet, die einen faden Beta-Geschmack hinterlassen. Diese Baustelle ist hoffentlich noch vor dem Erscheinen der GT5-Vollversion behoben.

Solide Rennmannskost

Sowohl "Mario Kart Wii" als auch "Gran Turismo 5 Prologue" sind solide Fortsetzungen der Rennserien. Einige Erweiterungen – die Wii-Steuerung auf der einen und hochaufgelöster PS3-Grafik auf der anderen Seite – passen zur jeweiligen Konsole. Abgesehen von dem bisher nur angekündigten Schadensmodell in GT5P sind die Neuerungen in beiden Spielen bescheiden – warum sollten die Entwickler auch zu weit aus ihren Erfolgskonzepten ausbrechen. Mario Kart Wii ist schon wegen seiner leichten Zugänglichkeit auch denjenigen zu empfehlen, die erst mit der Wii eine Nintendo-Konsole ihr Eigen nennen. Fans der Serie werden ohnehin zugreifen und die Selbstdarsteller unter ihnen sich in Foren darüber auslassen, dass das Lenkrad nur für n00bs ist, ob sie das Snaking vermissen und warum sowieso früher alles besser war und „Super Mario Kart“ für SNES ungeschlagen bleibt. Das Prologprinzip in Gran Turismo verkaufte Sony bereits beim Vorgänger erfolgreich. GT5P bietet einen ordentlichen Inhalt mit herausragender Präsentation. Ob die Aufwärmrunde mit der überschaubaren Streckenzahl 35,- Euro für die Blu-ray oder den Download von „Gran Turismo 5 Prolog“ wert ist, muss der Spieler letztlich selbst entscheiden.