Pistensau und König der Straße
Drei neue "Board"-Games
Auf Straße und Piste buhlen drei "Board"-Games um die vorweihnachtliche Gunst der Konsolenspieler: "Tony Hawk's Underground" ist der fünfte Teil von Activisions Skateboard-Serie, Electronic Arts und Nintendo versetzen mit "SSX 3" respektive "1080° Avalanche" den Spieler in die Bergwelt. Die ersten beiden Titel sind für XBox, PS2 und den GameCube zu haben, Nintendos Spiel gibt es nur für den eigenen Würfel.
Pistenveteran "SSX 3"
Die Erstauflage von Electronic Arts "SSX" gehörte im Jahr 2000 zu den Titeln, die den Kauf der PS2 als erste Next Generation Konsole pushte. Nach dem letztjährigen "SSX Tricky", schickt der Spielehersteller mit SSX 3 unter dem Label EA Sports Big, das im Gegensatz zu EA Sports mehr auf Action- und Fun-Sport denn auf Simulation setzt, nun den dritten Teil der Serie an den Start.
Die eigentliche Hauptfigur des Spiels ist der Berg selbst mit seinen drei Gipfeln. Nachdem der Spieler sich einen Boarder aus einer Mischung bekannter und neuer Gesichter ausgewählt hat, startet dieser mitten im Schnee am ersten Gipfel, Wegweiser führen zu den unterschiedlichen Events und ersetzen die herkömmlichen Bildschirmmenüs, Ausrüstung und Attribute für seinen Boarder kauft er auf der Hütte. Der Boarder bleibt so ständig in seiner Schneelandschaft, braucht nur selten das Menü zu bedienen.
Zwar besteht jeder Gipfel aus unterschiedlichen Teilen - neben den Pisten ist jeweils auch ein Back Country Bereich, die ungepflügte Wildnis, der Tiefschneetraum des Boarders - doch sind die Sektionen miteinander zu einem Ganzen verbunden: Der krönende Rennabschluss jedes Gipfels bildet ein zehnminütiger Kurs über das komplette Areal (eine halbe Stunde für das All-Peak-Rennen) - die Kenntnis der unterschiedlichen Teile mit ihren Abkürzungen, besten Sprungmöglichkeiten und Rails ist unbedingte Voraussetzung für den Sieg. "SSX 3" schafft eine virtuelle Bergumgebung, statt den Spieler in einzelne Strecken zu schicken: Der Berg will erobert werden - dazu muss der Boarder die Gipfel in allen Disziplinen beherrschen, Rennen und Trickwettkämpfe gewinnen sowie spezielle Herausforderungen - beispielsweise eine bestimmte Höhe zu erreichen oder einen Kurs möglichst bodennah zu fahren - bestehen.
Die Änderungen im Tricksystem sind vergleichbar mit dem Schritt von "Tony Hawk's Pro Skater 2" zu "THPS 3", als zum ersten Mal Bodentricks lange Combos erlaubten. Konzentrierte sich die SSX-Serie bisher vor allem auf Air-Tricks und Grinds, gibt es nun Board Presses - vergleichbar mit Manuals auf dem Skateboard - und den Handplant, einen Handstand auf Objekten analog zu Lip Tricks in den Tony Hawk-Spielen - in SSX 3 gleichzeitig Hilfe, ein verpasstes Rail seitlich zu erklimmen. Besonders ersterer ist unerlässlicher Bestandteil für das neue Combo-System: Zwar müssen die Tricks nicht direkt ineinander übergehen, aber der Spieler hat nach einem erfolgreichen Trick etwa eine Sekunde Zeit, einen weiteren zu setzen, um eine Combo zu eröffnen.
Wie schon in den Vorgängerspielen sind die Tricks nicht nur in den Freestyle Events sondern auch bei den Rennen unerlässlich, da erfolgreiche Kunststücke die Adrenalin-Anzeige auffüllen, die dem Boarder den Extrakick Geschwindigkeit verschafft. Jedoch gilt es, für die Rennen die richtige Balance zu finden, da lange Sprünge oder ansteigende Grinds teils mehr Zeit kosten, als der Boarder per Boost wettmacht.
Hinsichtlich der Innovation und auch der grafischen Gestaltung ist SSX 3 das Highlight unter den drei hier besprochenen Boardspielen. Das Schönste an SSX 3 ist die Berg-Atmosphäre, das Schaffen einer virtuellen Umgebung mit den drei Gipfeln und ihren unterschiedlichen Abschnitten, die es zu erkunden gilt - mit atmosphärischen Effekten wie Nebel, Schneegestöber und dem im Vergleich zu "1080° Avalanche" gemäßigten Einsatz von Lawinen und Steinschlag in Höhlen. Das Medaillenprinzip sorgt für dauerhafte Herausforderung, ohne den Daddler am Beginn zu sehr zu verschrecken: Zwar reicht Bronze zum Weiterkommen, aber Hardcore-Gamer lassen nicht locker, bis sie nach erfolgreichen Siegen dank neu entdeckter Abkürzungen die Platinwertungen erhalten.
Hinzu kommt die Interaktion mit den anderen Boardern, so ist die Highscore-Tabelle nicht fix, sondern die vom Computer kontrollierten Boarder legen durchaus noch mal nach und informieren den Spieler: "Kannst du dich noch an deinen Highscore erinnern? Er ist weg.". Online-Wettkämpfe per Internet gibt es nur auf der PS2, XBox und GameCube-Besitzer müssen sich mit einem Split-Screen-Modus begnügen.
Lawinengefahr: 1080° Avalanche
Sanft startet 1080° Avalanche, erste Erfolge sind auch Anfängern auf den ersten Kursen garantiert - Nintendos Snowboard-Titel macht es dem Einsteiger leicht, sich ins Spielgeschehen hereinzufinden. Die Schwierigkeitskurve steigt allerdings zum Ende steil an. Steuerung und Tricksystem entsprechen im Wesentlichen dem des N64-Titels "1080° Snowboarding" aus dem Jahr 1998, für Kenner von SSX- oder Tony-Hawk-Spielen, deren Steuerung relativ ähnlich ist, erfordert es eine Umgewöhnung: Für Spins muss der Spieler eine Schultertaste des Gamepads halten und den Analogstick rotieren, während sich der Boarder in der Luft befindet. Auch die Balance nach einer harten Landung oder einem Zusammenstoß zu halten erfordert die Drehung des Analogsticks.
Zentrale Anlaufstelle in Nintendos Snowboard-Spiel ist die Hütte, von der aus man einen von fünf Figuren in die unterschiedlichen Wettkämpfe schickt. Zwei der spielbaren Charaktere stürzten sich bereits in 1080° Snowboarding und im GameCube-Titel Wave Race: Blue Storm ins Rennen. Anders als bei "SSX 3" wählt der Spieler für jede Herausforderung einen beliebigen Boarder aus, statt einen Charakter durch das gesamte Spielgeschehen zu begleiten. Auch besitzen die einzelnen Fahrer fixe Attribute, während der Fahrer in Electronic Arts Titel mit niedrigen Werten beginnt und durch Attributkauf auf der Hütte verbessert.
Vier Gruppen von Strecken von Novice über Master und Expert bis zu Extreme kennt "1080° Avalanche". Der Sieg im Rennmodus auf jeweils allen Strecken einer Schwierigkeitsklasse schaltet die nächsthöhere frei. Neben den Rennen darf der Spieler im Time Trial Bestzeiten schlagen und nebenbei Münzen einsammeln, mit denen neue Boards mit anderen Fahreigenschaften erstanden werden. In der Trick Attack gilt es die höchste Punktewertung für Kunststücke zu erzielen, wobei Combos anders als im neuen SSX nur während eines Sprungs gewertet werden, eine lange Trickkombination durch das Aneinanderketten von Luft- und Bodentricks entfällt. Schließlich gibt es noch den Slalom in Form der Gate-Challenge.
"1080° Avalanche" hat eine sehr schöne Grafik, doch wirkt die Umwelt künstlicher als im EA-Big-Spiel. Die namensgebenden Lawinen und Höhleneinstürze sind manchmal etwas zuviel des Guten, hier wird das Extremsportspiel zum Jump-And-Run: Wenn riesige Eiszapfen vor dem Boarder niederrasseln fühlt man sich weniger auf die Piste versetzt als in Marios Haut auf der Flucht vor Bowser. Unter dem Strich ist Nintenods Snowboard-Titel ein schönes Spiel, das aber atmosphärisch und design-technisch nicht an "SSX 3" heranreicht - wobei Fans des N64-Vorgängers, der immerhin älter ist als das erste SSX, sicherlich eher bei ihrer Serie bleiben werden.
Neben dem Split-Screen-Modus unterstützt Nintendos Spiel auch den Game-Cube-Breitbandadapter, jedoch lediglich im LAN-Modus: Mittels Hub können bis zu vier GameCubes miteinander verbunden werden. Anders als die Konsolenkonkurrenz sieht Nintendo zu wenig Potenzial im Online-Gaming, sodass ein Rennen im Internet dem Spieler - zumindest offiziell - verwehrt bleibt. Bastler können sich - Breitbandanschluss und einen PC vorausgesetzt - dennoch per Internet zusammenschließen: Das Warp Pipe Projekt benutzt ähnlich wie XBConnect für Xbox-Titel ohne XBox-Live-Anbindung den PC, um dem GameCube ein lokales Netz via Internet vorzugaukeln. Neben "1080° Avalanche" unterstützt Warp Pipe derzeit die ebenfalls LAN- aber nicht-Internet-tauglichen Rennspiele "Mario Kart: Double Dash" und "Kirby Air Ride" - letzteres erscheint in Deutschland erst 2004. Die Vernetzung hätte das Killer-Feature für Nintendos Extremsporttitel auf dem GameCube sein können, wäre sie nicht auf den LAN-Einsatz beschränkt.
König der Straße: Tony Hawk's Underground
Tony Hawk's Underground - offizielles Kürzel ist charmanterweise "THUG", sprich Rowdy - ist bereits der dritte Titel der Tony-Hawk-Serie auf den Next Generation Konsolen. Von den anderen beiden Brettspielen unterscheidet es sich nicht nur durch die Straße statt Piste, sondern auch dadurch, dass das Spiel wie seine Vorgänger nicht Renn- sondern Aufgaben-basiert ist.
Zum ersten Mal schlüpft der Spieler (zumindest im zentralen Story-Modus) nicht in die Rolle eines Profi-Skaters, sondern startet seine Karriere als Rookie, dessen Aussehen er frei gestaltet - kleines Bonbon auf der PS2 ist die Einbindung eines Digitalfotos via Internet, um dem Skater die eigenen Gesichtszüge zu geben. Auch das Online-Spiel steht wie in SSX 3 nur den Besitzern von Sonys Konsole offen, XBox- und GameCube-Spieler bleibt nur der geteilte Bildschirm.
Nach wie vor sind die Pro Skater vom namensgebenden Tony Hawk bis zur Quoten-Frau Elissa Steamer mit an Bo(a)rd, und der Daddler darf im Mehrspielermodus, im freien Skaten oder in selbst erstellten Levels seinen Lieblings-Profi steuern. Im spielzentralen Story-Modus kommt den Pros mehr eine Nebenrolle zu: Zunächst quasi als NPCs (Nicht-Spieler-Charaktere), die vom Protagonisten beeindruckt werden wollen oder sein Spezialtrick-Repertoir erweitern. Zum Ende der Story darf der Daddler schließlich noch seine Lieblings-Profis in speziellen Herausforderungen steuern.
In den wenigen Neuerungen des Tricksystems gegenüber "Tony Hawk's Pro Skater 4" (vgl. Das Brett, das die Welt bedeutet), das selbst nur eine minimale Erweiterung des Vorgängers brachte, steckt mehr Potenzial als zunächst erwartet. Kenner der Serie müssen sich an die Bewegung ohne Board gewöhnen: Der Skater darf dieses unter den Arm nehmen, um zu Fuß beispielsweise eine Leiter hochzuklettern. Interessanter als die trägen Fußgängermissionen ist die Einbindung von Laufeinlagen in Kombos: Verlässt der Skater das Board, hat er eine begrenzte Zeit, um zurück aufs Brett in einen Trick zu springen und so die Combo fortzusetzen. Eine kleine aber feine Ergänzung sind die aus Activisions Mat Hoffmann's Pro BMX 2 bekannten Wallplants, mit denen der Skater einen Sprung gegen eine Wand zum Richtungswechsel nutzt, wodurch Wände den Schrecken des Kombokillers verlieren.
Wichtiger als alle Tricks ist aber wie in "SSX 3" auch bei "THUG" das Level-Design, das deutlich abwechslungsreicher ist als in allen Vorgängern: Vorbei die Zeiten der Killer-Bereiche mit Halfpipe und Dauer-Grind, in der alle Punkte gesammelt werden - überhaupt ist es nun etwas schwieriger, beim Grind die Balance zu halten. Geändert hat Neversoft auch die Entwicklung des Skaters: Attribute verbessert der Boarder nicht durch Kauf oder Sammeln von Stat-Punkten, sondern durch Anwendung. Anders als in Acclaims "Aggressive Inline" (vgl. Möge der Saft mit Euch sein!) gilt es jedoch bestimmte Voraussetzungen wie einen 15-Sekunden-Grind oder eine 720°-Drehung zu erfüllen, um das jeweilige Attribut zu verbessern, wodurch der Fähigkeitenausbau zur zusätzlichen Aufgabenliste wird. Mangelt es an Geschwindigkeit für eine Aufgabe im Story-Modus, gilt es zunächst, die passende Anforderung zur Erhöhung des Tempo-Attributs zu erfüllen.
Die zwei groß angekündigten Änderungen Storymodus und Missionen ohne Skateboard bringen dagegen wenig Neues. Ob man nun den eigenen Skater durch die Levels jagt oder einen Pro, der ebenfalls immer mit niedrigen Attributen begann, ist spielerisch keine wirkliche Bereicherung - zumal die Aufgaben zwar schöner sind als zuvor, aber im Endeffekt doch auf die alte Abhakliste hinauslaufen. Aller Abwechslung zum Trotz ist das Spiel ohne Board wenig gelungen: Ähnlich wie in "Simpsons: Hit & Run" (vgl. Das Geheimnis um Wespenkameras und Cola-Krise) ist die Steuerung der Jump-And-Run-Einlagen träge, obschon die Tony-Hawk-Entwicklerschmiede Neversoft mit Spiderman durchaus Erfahrung in diesem Genre besitzen. Auch die Autofahrten wirken äußerst plump. Glücklicherweise sind die Aufgaben ohne Brett auf normaler Schwierigkeitsstufe so einfach, dass der Skater sie meist auf Anhieb erledigt und schnell wieder aufs Board springt. Die Aufgaben auf dem Board sind nämlich abwechslungsreicher als je zuvor, verzichten auf S-K-A-T-E-Sammeln oder drei Highscore-Missionen pro Level.
Übrigens darf der Spieler zum ersten Mal die Schwierigkeit in vier Stufen einstellen - wer die Vorgänger gespielt hat, sollte mindestens den normalen (zweithöchste) Schwierigkeitsgrad wählen, der schon deutlich einfacher als sämtliche Vorgänger-Titel. Die anderen beiden Stufen öffnen das Spiel für Neueinsteigern und Gelegenheits-Daddlern, die bei dem recht knackigen "Tony Hawk's Pro Skater 4" aufgeben mussten.