George Floyd: Nicht nur Rassismus ist das Problem
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Der rassistische Mord in den USA zeigt, wie schnell eine transnationale soziale Protestbewegung entsteht. Doch es besteht wegen ideologischer Schwächen die Gefahr, dass sie von Liberalen gekapert wird
Wenig war von der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken bisher zu hören. Nun sorgte ein Tweet für Aufmerksamkeit, in dem sie es als keinen Widerspruch hervortat, mit 58 Jahren "Antifa" zu sein. Nun ist es schon merkwürdig, dass die Sozialdemokratin überhaupt die Altersfrage thematisiert.
Ist ihr nicht bekannt, dass noch bis vor wenigen Jahren sehr alte Senioren im Rahmen des VVN-Bundes der Antifaschisten jungen Menschen von ihren Erfahrungen erzählten? Sie waren Widerstandskämpfer gegen den NS, oft jahrelang in Konzentrationslagern eingesperrt und auch im Nachkriegsdeutschland alles andere als wohlgelitten. In der BRD sollte der VVN sogar als kommunistisch beeinflusst verboten werden.
Das konnte aber dann doch durch eine gute Pressearbeit der Organisation verhindert werden, die zahlreiche ehemalige NSDAP-Mitglieder unter den Richtern ausgemacht hatte. Heute sorgt eine Bundesregierung, die auch von der von Saskia Esken repräsentierten Partei gestellt wird, dafür, dass dem VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, was sich auf die Steuerabzugsfähigkeit von Spenden auswirkt. Nun ist der Begriff "Antifa" zum Glück nicht patentiert.
So kann man wie Esken auch unter "Antifa" linksliberalen Heimatschutz verstehen.
Unsere schöne Heimat und die Menschen hier haben es verdient, dass wir uns als Demokraten faschistischen, rassistischen, menschenfeindlichen Tendenzen und Umtrieben entgegenstellen.
Saskia Esken, Twitter
Auch in Deutschland gegen Antifa mit Antiterrorparagraphen
Esken hat sich natürlich nicht als 58-jährige Antifa geoutet, als hierzulande linke Antifastrukturen kriminalisiert wurden. Das ist auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit dem Paragraphen 129a geschehen, der sogenannte terroristische Vereinigungen und Organisationen verfolgen soll. Esken wurde erst zur bekennenden Antifaschistin als US-Präsident Trump ankündigte, die Antifa als terroristische Organisation verbieten lassen zu wollen.
Da war man in Deutschland mit den Bemühungen insofern schon weiter, als man konkrete Personenkreise mit dem Antiterrorparagrafen anklagte. Wie so oft in der Geschichte dieser Paragrafen kam es selten zu Verurteilungen. Aber die Paragrafen erfüllten auch so ihren Zweck, die linken Strukturen waren lahmgelegt, mussten sich auf die Repressionsverfahren konzentrieren und konnten auch nach einer Einstellung ohne Verurteilung in der Regel nicht mehr an ihre bisherige politische Arbeit anknüpfen.
Einer der bekanntesten Repressionsschläge gegen die Antifa in der BRD richtete sich Mitte der 1990er Jahre gegen die Autonome Antifa (M) in Göttingen. Weniger bekannt waren ähnliche Verfahren in Frankfurt/Oder, Leipzig oder Dresden, wie auch aus vielen anderen Städten.
Es ist interessant, dass in einer Zeit, in der so viel über Trumps Repressionsdrohungen geredet wird, wenige daran erinnern, dass es in Deutschland eben nicht nur bei vollmundigen Ankündigungen geblieben ist. Auch das von Trump bemühte Konstrukt einer Antifa, die durch die Lande reist, um Gewalt anzuwenden, haben weder Trump in den USA noch die AfD in Deutschland erfunden.
Es war hierzulande immer wieder zu hören, als mit dem Begriff Antifa noch nicht eine SPD-Vorsitzende verbunden war und es dort eine klare verbale Abgrenzung zum Staat gab. Da war in antifaschistischen Publikationen noch von den "Deutschen Verhältnissen" zu lesen. Dazu gehörten Staatsapparate, die eine ganze Autobahn stundenlang sperrten, um Antifas daran zu hindern, dass sie 1998 zu einer angemeldeten Anti-Nazi-Demonstration nach Saalfeld in Thüringen reisen konnten.
Etwas mehr historisches Wissen wäre schon wünschenswert, damit die berechtigte Empörung über die Rechtsregierung in den USA nicht mehr oder weniger unterschwellig dazu dient, dass sich Deutschland wieder einmal als Demokratieweltmeister aufführt.
Rassismus nur in den USA?
Das gilt natürlich auch für die weltweite Empörung nach dem Tod von George Floyd. In Frankreich wurden bei den Demonstrationen sofort an den 2016 unter ähnlichen Umständen wie Floyd ums Leben gekommenen Adama Traore erinnert. Auch er erstickte im Polizeigriff.
In Deutschland müsste einen sofort der Name von Oury Jalloh einfallen, wenn von polizeilichem Rassismus die Rede ist. Er verbrannte 2005 in einer Dessauer Polizeiwache. Doch einige der beteiligten Polizisten wurden nur wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
Die Mordanklage wurde auch dann nicht wieder aufgenommen, als von der Unterstützergruppe in Auftrag gegebene Gutachten belegten, dass Oury Jalloh nicht selber das Feuer gelegt haben konnte. Als selbst der zuständige Staatsanwalt einen Mord nicht mehr ausschloss, wurde ihm der Fall entzogen.
Nun wäre es doch schon ein Erfolg, wenn die Empörung über rassistische Polizeigewalt mit dafür sorgen würde, dass der Fall Oury Jalloh doch noch einmal aufgerollt wird.
Nicht nur Rassismus, sondern auch Verachtung der Armen ist das Problem
Die Beschäftigung mit dem Tod von Oury Jalloh legt aber auch offen, dass neben Rassismus die Verachtung von einkommensarmen Menschen ebenso das Problem ist. Bereits vor dem Tod von Oury Jalloh starben in der Dessauer Polizeiwache zwei Männer mit weißer Hautfarbe (2002 der wohnungslose Mario Bichtemann und 1997 Hans-Jürgen Rose).
Auch in den USA richtet sich die Polizeigewalt oft gegen Menschen mit geringem Einkommen, die sich in prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen befanden. Dazu gehörte auch George Floyd. Es wäre also sinnvoll, wenn neben der Hautfarbe auch die Klassenlage der Betroffenen thematisiert würde.
Damit würde auch verhindert, dass sich hier neue Spaltungslinien auftun. Viele weiße Erwerbslose werden von den Rechten umworben, auch mit der Propaganda, dass die Politik für sie wenig tut. Von den Rechten wird hier bewusst, eine Spaltungslinie auf Grund der Hautfarbe aufgebaut. Diesen Fehler sollte eine Gegenbewegung nicht machen.