Gesprengte Geldautomaten: Weshalb Bargeld an Bedeutung verlieren könnte

Bild: Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Immer häufiger werden Geldautomaten gesprengt. Höhere Sicherheitsstandards sollen helfen, doch für Banken wird das zu teuer. Ein Grund mehr, sich vom Bargeld zu verabschieden.

Klassische Banküberfälle lohnen sich heute kaum noch, weil die Banken den größten Teil ihres Bargeldbestands über Zeitschlösser oder in Geldautomaten gesichert haben. Daher haben sich die Überfälle auf die Plünderung von Geldautomaten zur Nachtzeit verlagert. Die Zahlen nehmen von Jahr zu Jahr zu. Das Bundeskriminalamt (BKA) geht für das Jahr 2022 von knapp 500 Fälle aus.

Die Methoden ändern sich. Wurden früher explosive Gasgemische in die Automaten eingeleitet und dann gezündet, kommen inzwischen meist Festsprengstoffe zum Einsatz. ″Mittlerweile nehmen die Sprenger Schwarzpulver aus Silvesterknallern und bauen sich damit etwas zusammen. Das kann richtig gefährlich sein″, wird Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter im ZDF zitiert.

Im Kampf gegen explosive Gasgemische haben sich die Banken mit einem sogenannten Gasneutralisationssystem aufgerüstet. Dieses neutralisiert das von den Tätern in den Geldautomaten eingeleitete Gas und verhindert eine Explosion. Ebendarum werden nun vermehrt Festsprengstoffe eingesetzt, die auf diese Weise nicht neutralisiert werden können. Die benötigten Festsprengstoffe sind in Deutschland zumindest saisonal frei verkäuflich.

Wie lassen sich die Geldautomaten schützen?

Manche Banken helfen sich derzeit damit, dass sie nachts den Zugang zu den Automaten sperren. Zudem gibt es als weiteren Schutz die Möglichkeit, den Raum bei einem Angriff mit Sprengstoffen zu vernebeln und das im Tresor eingelagerte Geld einzufärben. Der Bank wird das eingefärbte und so nicht mehr nutzbare Geld im Nachgang von der Bundesbank ersetzt.

In den Niederlanden, Frankreich und Belgien sind Geldeinfärbesysteme ab einem Wert von 10.000 Euro pro Geldautomat gesetzlich vorgeschrieben. Da die Täter dort keine verwertbare Beute mehr finden, weichen sie zunehmend nach Deutschland aus.

Der Zweitmarkt für eingefärbte Banknoten soll bislang noch sehr gering sein und wird meist als Ameisenmarkt bezeichnet, auf dem einzelne Banknoten z. B. über Warenautomaten wieder in Umlauf gebracht werden.

Automaten, die fest in der Außenwand eines Gebäudes verankert sind und bei denen es keinen von außen erkennbaren Zugang zum Tresorraum gibt, scheinen derzeit noch nicht gefährdet zu sein.

Die Banken haben ihr Geldautomatenrisiko offensichtlich gut versichert und haben mit gesprengten Automaten zwar Arbeit, aber keine Verluste. Ob der zunehmende Abbau von Geldautomaten eine Folge der Sprengungen ist oder rein betriebswirtschaftliche Gründe hat, ist derzeit nicht eindeutig geklärt.

Die meisten Banken und Sparkassen haben die Wartung und Befüllung der Geldautomaten inzwischen an Unternehmen ausgelagert, die auch den Bargeldtransport organisiert haben. Diese wären im Gegensatz zu den Kreditinstituten von einem flächendeckenden Abbau der Geldautomaten deutlich stärker betroffen und erschließen sich derzeit neue Geschäftsfelder.

Bargeld wird zum Kostenfaktor

Die Bundes- und Landespolitik will derzeit einer Diskussion über eine Reduktion des Bargeldverkehrs möglichst aus dem Weg gehen und will die Banken stärker in die Pflicht nehmen. So beabsichtigen Bund und Länder, den Banken und Sparkassen verstärkte Schutzmaßnahmen per Gesetz vorzuschreiben.

Die Geldinstitute fürchten verschärfte Vorschriften per Gesetz. Sie seien der falsche Ansatz und würden aus Sicht der Institute der grundsätzlichen Aufgabenverteilung im staatlichen Gemeinwesen nicht gerecht. Die Sicherung der Bargeldinfrastruktur könne nur im Schulterschluss mit Politik und Strafverfolgungsbehörden gelingen.

Der Bargeldverkehr scheint für Banken und Sparkassen nur noch ein Kostenfaktor zu sein, den man so schnell wie möglich loswerden will. Schon heute wird man Münzgeld nur noch bei der Bundesbank ohne zusätzliche Kosten los. Die Banken verdrängen dieses Geschäft immer mehr durch Bearbeitungsgebühren. Auf dem Land haben inzwischen Lebensmittelhändler mit schnellen Münzzählmaschinen diese Funktion übernommen.

Für bargeldaffine Kunden ist dies ein Grund, dort einzukaufen. Die Händler von Rewe und Edeka übernehmen inzwischen ab einem bestimmten Mindesteinkaufswert auch die Bargeldauszahlungsfunktion per Bankkarte. Der dadurch entstehende Bargeldbestand in den Ladenkassen reduziert für die Händler sowohl den Arbeitsaufwand als auch das Diebstahlrisiko.

Händler, welchen der Bearbeitungsaufwand für Bargeld zu groß ist, verzichten in ihren Ladenlokalen inzwischen grundsätzlich auf Bargeld. Und auch im Lebensmitteleinzelhandel gibt es immer mehr Expresskassen für Selbstbedienung, die keine Bargeldzahlung mehr ermöglichen.

In den Niederlanden ist die Zahl der Automatensprengungen rückläufig

″In den Niederlanden hat die Polizei noch einen weiteren wichtigen Grund erkannt, warum die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen zurückgegangen ist: Die Banken haben die Zahl der Geldautomaten verringert. In den Niederlanden wird überwiegend elektronisch bezahlt, statt in bar. ″

Ein geringerer Bargeldumlauf reduziert das Risiko von Überfällen auf Geldautomaten. Spätestens wenn die Kosten für die Sicherung der Bargeldbestände auf die jeweiligen Kunden umgelegt werden können, wird die Bargeldnutzung absehbar zurückgehen und die Nachvollziehbarkeit der Geldströme auch im Kleinen automatisiert erleichtert.

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