Gewählte ohne Volk: Unsere Demokratie steckt in der Krise

Seite 2: Fast zwei Drittel der Bevölkerung wird nicht repräsentiert

Bis auf wenigen Ausnahmen – wie Volksentscheide in einigen Bundesländern – beschränkt sich die eigentliche "Herrschaft des Volkes" auf Wahlen. Man nennt das Repräsentative Demokratie. Dann liegt die politische Macht allein bei den Parteien, deren Auserwählten uns alle repräsentieren sollen. Es ist schon eine besondere Form der Demokratie, die fast nie hinterfragt wird, obwohl es viele andere Modelle gibt und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bevölkerung größer sind.

Wenn man sich schon für diesen elitären Ansatz entscheidet, müsste man umso mehr darauf achten, dass die Parteien ihrem Auftrag der politischen Willensbildung, aber auch der kontrollierten Machtausübung gerecht werden.

Was sie meines Erachtens immer weniger tun und machen können, aber das ist noch ein anderes Thema. Darauf gehe ich ausgiebiger in meinem Buch und Podcast Lobbyland ein. Denn es muss sichergestellt werden, dass die Bevölkerung durch Wahlen auch wirklich repräsentiert wird.

Es ist deshalb eine unglaublich wichtige Frage, wie hoch die Wahlbeteiligung ist und warum immer mehr Menschen nicht mehr von diesem Recht Gebrauch machen. Funktioniert die Repräsentanz also noch?

Trotz aller Zahlen und Fakten, die in den Medien und in den Parteien hoch und runter besprochen werden, gibt es kaum eine nennenswerte öffentliche Auseinandersetzung dazu. Wer dies näher untersucht, kann erkennen, dass bis in die 1980er-Jahre und dann erneut nach der Vereinigung die Wahlbeteiligung aus allen Bevölkerungsgruppen recht hoch war.

Dann aber sackte sie insbesondere in den Wahlbezirken kontinuierlich ab, in denen vorrangig ärmere Menschen leben. Dazu herrscht in Medien und Politik ein dröhnendes Schweigen.

Auch die Zahlen und die Repräsentanz jetzt in Berlin könnte man sich mal anschauen. Niemand hat das gebracht und mal nachgerechnet. Übrigens ist es schon spannend, dass man in den Medien meist keine absoluten Zahlen, sondern nur Prozente und Mandate zu lesen bekommt, während die Wahlbeteiligung, wenn überhaupt, am Rande vermeldet wird. Die Ausgangslage dafür sind folgende Zahlen. Sie sind leicht gerundet, als Quelle diente vor allem die offizielle Seite www.wahlen-berlin.de.

Einwohner von Berlin: 3.680.000

Nicht wahlberechtigt: 1.250.000

Wahlberechtigte: 2.430.000

Wählende: 1.530.000

Nicht Wählende: 900.000

Wahlbeteiligung: 63 Prozent

CDU: 428.000

SPD: 279.000

Grüne: 279.000

Linke: 185.000

AfD: 138.000

Sonstige: 235.000 (inklusive ungültige Stimmen und FDP)

Von den Menschen, die in Berlin leben und mit den Entscheidungen der Politik leben müssen, sind schon mal etwa ein Drittel ohnehin von der Wahl ausgeschlossen. Allein diese Tatsache ist diskussionswürdig.

Von den gut 2,4 Millionen Wahlberechtigten haben dann nur 63 Prozent ihr Wahlrecht genutzt. Von den abgegebenen Stimmen schlagen sich weitere 230.000 nicht in Mandaten nieder. Das sind die Stimmen für die Parteien, die keine fünf Prozent erreicht haben, sowie wenige ungültige Wahlzettel.

Am Ende werden nur 1,3 Millionen der Menschen aus Berlin im Abgeordnetenhaus vertreten. Über 2,3 Millionen – also etwa 63 Prozent – werden also politisch nicht repräsentiert. Selbst der große Wahlsieger, die CDU, wurde nicht mal von jedem achten Menschen in Berlin gewählt. Und sollte Rot-Rot-Grün fortgesetzt werden, repräsentieren sie gerade mal gut 20 Prozent aller Einwohner.

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