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Harry Potter quietscht in der Kammer des Schreckens - Die Serien-Verfilmung gerät ins Stocken

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Beim neuen, zweiten Teil Harry Potter und die Kammer des Schreckens sparen Medien, Finanziers und Kreative nicht mit Selbstlob. Die Romanvorgaben, die Charaktere und die filmische Action seien nun wunderbar, natürlich für die junge Zielgruppe, ausgependelt. Und doch ist die Produktion der Filme und der Bücher ins Stocken geraten.

_ Wen wundert's? Um den Wirtschaftskreislauf des atemberaubenden Harry Potter-Bucherfolgs der Joanne K. Rowling auf filmischer Ebene zu kopieren, werden absurde Anstrengungen unternommen. Produzent David Heymann setzt weiterhin auf Tempo, um die alternde Jugend des Hauptdarstellers Daniel Radcliffes noch voll auswerten zu können.

Wenn es so erfolgreich wie mit Teil 1 weitergeht, soll alle zwölf bis 18 Monate ein neuer Film auf den Markt geworfen werden. 2009 könnte der letzte herauskommen. Chris Columbus, der Regisseur der ersten beiden Filme atmet erleichtert auf, er hat sein Pflichtpensum hinter sich.

Die Bilder gleichen sich, doch das Personal wechselt

Wie sich die Bilder gleichen: Strahlende Stars in London feiern den Start von "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" Anfang November 2002. Die glanzvolle Filmpremiere Harry Potter und der Stein der Weisen genau ein Jahr zuvor brachte nur ein kurzes Aufatmen: Harry Potter, alias Daniel Radcliffe, mit 13 Jahren nun in die Pubertät gekommen, bleibt verdammt zum Erfolg. Was bleibt ihm bei drei Millionen Gage auch anderes übrig?

14 Tage nach der Premiere 2001 später ging es für ihn sofort wieder in die Leavsden Studios vor den Toren Londons, in Stadtteil Watford. Die Crew lief dort bereits anderthalb Wochen früher warm. Abgedreht wurde der zweite Teil: "Harry Potter und die Kammer des Schreckens", mit einem Produktionsetat von 100 Millionen Dollar. Drehschluss in den von 20 auf 55 aufgestockten Studiokulissen, im schottischen Fort William und den Kathedralen von Gloucester und Durham, war im Juli 2002. Verdammt ist auch die auf 1.300 Personen (dreimal so viel wie üblich) verstärkte Crew um Chris Columbus - mit einer täglichen Arbeitszeit für die verantwortlichen Topleute von bis zu 20 Stunden, hinter den Kulissen. Denn die gesetzlich geregelte Arbeitszeit in Großbritannien beträgt immerhin 12 Stunden (in den USA nur 8).

Columbus hat sich vorsorglich von der nächsten Filmproduktion frei genommen. Er will sich endlich wieder stärker um seine Familie kümmern. Die Regie für den dritten Streifen wird der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón übernehmen. Diese Entscheidung wird auch von der Autorin mitgetragen. Der im Oktober 2002, kurz vor der zweiten Premiere an Krebs verstorbene Richard Harris fällt endgültig als Darsteller für Professor Albus Dumbledore aus. Zuletzt haben wir ihn als römischen Philosophen auf dem Kaiserthron, als Marc Aurel an der germanischen Front in Scotts "Gladiator", erlebt. Für Teil 2 musste er bereits mehrere Male durch den ihm stark ähnlichen Harry Robinson gedoubelt werden. Aber auch für die anderen Hauptdarsteller gilt:

Wenn auch nur einem von ihnen etwas zustößt, ist alles gefährdet. Einen gebrochenen Arm kann man zur Not ins Drehbuch schreiben, aber schon bei Grippe hören die Kunstgriffe auf.

Wo bleibt da bitte die Magie? Hinter den Kulissen sind endlose Lücken zu überbrücken. Übergaben, Briefings und Einarbeitungen fressen Zeit und Geld.

Chris Columbus wird seinem Nachfolger Cuarón noch ein Vierteljahr zur Seite stehen, damit Logistik, Tempo und Stil der Fortsetzung stimmen und dann in die Rolle eines Co-Producers wechseln. Der Drehstart der dritten Folge musste schon auf März 2003 verschoben werden. Im Herbst 2004 soll der Film in die Kinos kommen. Der bis auf einige nachproduzierte Szenen komplett vorgedrehte "Der Herr der Ringe" wird dann an Harry Potter bereits vorbeigezogen sein. Ob das Interesse weiterhin in der bisherigen Intensität anhalten wird?

Offiziell wird für die Produktionsverzögerung ein anderer Grund genannt: Daniel Radcliffe wechselt die Schule, und das scheint ihn zusätzlich zu fordern. Und die britischen Arbeitszeitgesetze für Minderjährige erweisen sich für die Hochdruck-Produktion als wahrer Hemmschuh. Laut Vertrag darf er am Set nur vier Stunden pro Tag arbeiten, wobei er dort maximal neuneinhalb Stunden inklusive Zwischenpausen, Mittag und drei Stunden obligatorischen Unterricht verbringt. Bisher sollen dank der vier Privatlehrer ebenda die Noten im letzten Zeugnis gestiegen sein.

Da die gesamte Produktion wie eine Truman-Show um Radcliff herum aufgebaut ist, gerät alles an seinem Hofe wie von Zauberhand ins Stocken. Wundervoll, wenn mindestens 1.300 Menschen nur darauf zu warten scheinen, dass man in der Schule gute Noten schreibt, während die Filmplakate in Großbritannien und in der Welt einen wie von selbst anlächeln.

Bisher lassen sich die Bilanzen sehen

Wir erinnern uns (Harry Potter - verdammt zum Milliarden-Erfolg). Teil 1 wurde mit einer offiziellen Summe zwischen 120 und 150 Millionen Dollar produziert. Der Großstart von 1.000 Harry-Potter-Kopien (normal 300 bis 400) sollte 1,5 Milliarden-Umsatz erzielen, und zwar ein Drittel aus den Kino- und zwei Drittel aus den Merchandizing-Einnahmen.

Der Kampf ums junge Publikum ist vorerst glücklich ausgegangen: Nach einem Jahr wird eine Einspielsumme von 968 Millionen Dollar genannt - damit hat Harry Potter 1 ganz unauffällig und leise Platz 2 auf der Liste der erfolgreichsten Filme überhaupt hinter Titanic eingenommen. Die Filme, über die man lieber redet und schreibt, sind einfach weniger erfolgreich.

Ob die Umsätze im Marketing ebenso beeindruckend sind, bleibt fraglich. Warner strich die Lizenzen ein, wer auf seinen Artikeln sitzen blieb, darüber schweigen sich die Unternehmen aus. Der Buchverlag Carlsen ist nach wie vor sehr glücklich über die Dynamik im Schatten des Medienriesen Time-Warner. Nach der neuesten Bilanz sind weltweit aktuell 170 (im Vorjahr 123 Mio.) Buchexemplare in 55 (im Vorjahr 47) Sprachen und 200 Länder verkauft worden. In Deutschland ist der Buchumsatz in den zwölf Monaten zwischen dem ersten und zweiten Kinofilm von 12,3 auf 15 Mio. DM gestiegen. Eine nicht unbeträchtliche Summe für den nochmaligen Verkauf schon allbekannter Werke.

Und doch scheint der Markt übersättigt zu sein. Rechtzeitig zum Filmstart wurde eine Taschenbuch-Kassette mit den bisherigen 4 Bänden ediert. Das Nachfolgebuch will und will nicht erscheinen. Es war für den Herbst dieses Jahres angekündigt. Aber statt dessen wurde die Autorin schwanger. Die Presse redet eine Schreibkrise herbei. Dabei wird das Vermögen von Joanne K. Rowling mittlerweile auf mindestens 226 Mio. Pfund geschätzt, sie ist die zweitreichste Frau Englands nach der Queen und vor der abgeschlagenen Madonna.

Buch Nr. 5 mit dem provisorischen Titel "Harry Potter und der Orden des Phönix" soll erst 2003, dann auch gleich in Deutschland publiziert werden. Wer weiß, vielleicht ist es mit der kreativen Autonomie der Fantasie anregenden Kinderbuchautorin hinter den Kulissen längst vorbei. Vielleicht ist längst der Kampf um die strategische Entwicklung des Potter-Universums, um den Stellenwert der Figuren, um Differenzierungen und Reduktionen entbrannt. Und durch die Verzögerung, das ist gewiss, wird die Aufmerksamkeit momentan ganz auf den Film gelegt.

Im Anfang war das Buch, aber vielleicht wird Time-Warner das Blatt zwischen Folge 4 und 5 für sich, sprich für den Film wenden? Erst vom Buch zum Film, und dann endlich vom Film zum Buch? Nicht auszudenken, welchen Schaden dadurch auch dem Mythos der mediengerechten und doch dem Buch getreuen Erfolgsautorin zugefügt würde. Aber Gemach: Soweit muss es nicht kommen. Bei "Batman" hatte Warner Bros. auch nur vier gewaltige Folgen durchgehalten.

In Literaturkreisen gilt der zweite Teil, verglichen mit dem ersten und dritten als weitaus schwächeres Opus. Aber vielleicht liegt genau hierin der Vorteil für die filmische Umsetzung, die sich zwar schon an die Vorlage hält, nun aber aus dem Schatten des erdrückenden Bucherfolgs tritt. Die visuellen Momente werden voll ausgefahren und die Nachteile der Buchstory überspielt. Chris Columbus frohlockt, er habe sich vom Abfotografieren einzelner Szenen und Kapitel gelöst. Was für ein Urteil über den ersten Film! Die Kamera bewege sich jetzt, im zweiten Teil, dynamischer, alles wirke sehr lebendig.

Für die Presse kehrt er die schönen Seiten der aktuellen Megablockbuster-Fortsetzung heraus: Daniel Radcliffe sei als Schauspieler viel selbstbewusster geworden, bei den Actionszenen lange er aggressiver hin, jetzt beginne endlich die Ära seines Jungmänner-Sex-Appeals. Die eklige Begegnung mit der Riesenspinne und der tödliche Kampf mit der Basilisken-Schlange und dem dahinter stehenden Bösewicht seien vollauf gelungen. Das Team sei mittlerweile bestens eingespielt, nach dem Erfolg von Teil 1 habe der Regisseur auch größere künstlerische Freiheiten genossen. Die Filmstory sei aufregender, actionreicher.

Fast tausend Szenen mit visuellen Effekten kommen zum Einsatz: So die peitschende Weide (der Baum wurde mit einer Spezialhaut überzogen und dann in Einzelteilen gefilmt, die Bewegungen im Computer generiert). Die Kammer des Schreckens beeindrucke in ihren Dimensionen, die durch die Flutung einer riesigen Studiohalle noch vergrößert wurde. Das Quidditch-Spiel wirke geschmeidiger und forscher, da man nun vertraut im Umgang mit den Tricks sei. Anscheinend hat man den Abstand zur "Star-Wars-Pod-Race-Dynamik" leicht verringert. Der Hintergrund des Spiels sei nicht mehr wie im ersten Teil gemalt, sondern fotografiert. Und in der Tat: Diesmal wirken die Tricks geschmeidiger. Und als die Protagonisten auf ihren Besen unter den Tribünen auf der Flucht vor der tödlich manipulierten Klatscher-Kugel hindurchsausen, hat die Tricktechnik eine stabilere Perspektive in einem der vielen Verfolgskanäle erreicht.

Der Film versteckt sich in der Action

Alles das mag zutreffen. Die Kammer des Schreckens wirkt an der visuellen Oberfläche weniger sprunghaft, nervös und rhapsodisch. Die Filmhandlung scheint sich auf ein bestimmtes Thema zu konzentrieren. Raum und Zeit wirken stabiler. Die Charaktere wirken vertraut, dies liegt sicherlich auch am Fernseh-Serien-Effekt, dem Fast-Live-Wiedersehen nach nur einem Jahr - für eine Großproduktion eine kurze Zeitspanne.

Wäre da nicht die böse, alte Macht des Lord Voldemort. Die ist noch nicht gebannt. Wieder taucht eine neue Bedrohung auf, setzt eine neue Spurensuche in den Katakomben und im Wald von Hogwarts ein. Der Gegner hat neue Verbündete und neue Angriffstaktiken. Dadurch fächert sich die Handlung weiter auf, der Rückblick auf die Vorgeschichte wird komplexer. Und genau dies gerät in Widerspruch zur durchgängigen Präsenz und Action des Films. Chris Columbus ebnet die Vorgaben gnadenlos ein. Und übrig bleibt ein Torso von zwei Stunden und 45 Minuten Länge, dem eine ausgefeilte Story mit panoramischer Tiefe in Raum und Zeit fehlt.

Die Kamera fliegt durch den Nebel auf das Reihenhaus der Dursleys zu. Ein selbstbewussterer Harry Potter wartet fieberhaft auf einen Brief von Schloss Hogwarths. Doch diesmal erreicht ihn keine geschriebene Botschaft. Bis der rätselhafte Hauself Dobby, eine computeranimierte Figur mit großen grünen Augen und einer bleistiftförmigen Nase, auftaucht, der sich später als Überläufer und Doppelagent, als untreuer Sendbote der elitären Zaubererfamilie Malfoy herausstellt.

Dobby ist eine ausgemergelte Pinocchio-Figur, eine traurige versklavte Gestalt, die in Harry Potter den zukünftigen Freiheitskämpfer gegen die alte aristokratische Zauberkaste erblickt und ihn mit sonderbaren, auf den ersten Blick auch für Harry gefährlichen Manövern schützen will. Er beantwortet jede Zutraulichkeit und jedes Vertrauen mit merkwürdigen Selbstbestrafungsriten, die das grausame Herrenmenschentum der bösen Zaubererdynastien offen legen. Dobby bringt die Geschichte auf seine Weise in Gang, warnt Harry Potter vor dunklen Machenschaften und Verschwörungen in Hogwarts und rät ihm davon ab, zum neuen Schuljahr in seine geliebte Zauberschule zu fahren.

Der ganz gewöhnliche Zauberfaschismus

Doch mit dem fliegenden Zauberauto von Hagrid befreit Ron Weasley Harry aus seinem vergitterten Gefängnis. Und so lernt man zunächst einmal in einem Zwischenspiel ansatzweise die Lebensgewohnheiten der Familie Weasley kennen: Vater Weasley ist im Zaubereiministerium tätig, dessen Hauptaufgabe es ist, die Welt der Zauberer vor den Normalos, den Muggeln, geheim zu halten, aber auch die verschiedenen Tätigkeiten der Zauberer - zum stillschweigenden Wohl der Öffentlichkeit - zu koordinieren und die magischen Aktivitäten Minderjähriger einzuschränken. Was für ein hochpolitisches Thema über einen neuen elitären Geheimdienstpolitik und eine Eliteschule mitten in einem Kinder- und Jugendbuch...

In der Winkelgasse besorgen sich die jungen Adepten ihre Sieben Zaubersachen für das neue Schuljahr und Harry Potter trifft auf seinen Widersacher Draco Malfoy und seinen Vater und Schulrat Lucius Malfoy. In dieser luziferischen Figur spitzt sich die wüste Vorgeschichte der Magierliga zur faschistischen Genealogie zu: Malfoy vertritt im Geist von Salazar Slytherim einen offenen Rassismus, der den reinblütigen Zaubererstamm notfalls mit Gewalt und Mord gegen die unreinen Muggel, die Normalos, verteidigen will. Salazar Slytherim war einer der Mitgründer von Hogwarts. In seinem Hochmut gegen alles Gewöhnliche, auch in seiner eigenen Herkunft, überwarf sich mit den toleranteren Kollegen, vor allem mit Godfric Gryffindor. Bevor er die Schule verließ, schuf er die Kammer des Schreckens, die nur von seinem legitimen Nachfolger, Tom Vorlost Riddle, alias Voldemort, geöffnet werden kann, um die Schule von allen zu säubern, die es nicht wert seien, Zauberei zu studieren.

Der mysteriöse Bahnsteig 9 3/4 ist diesmal für Harry und Ron blockiert. Die Gelegenheit für die beiden, ihre Fahrkünste im fliegenden Auto an der Strecke des Hogwarths-Express entlang zu beweisen. Das ganze Fahr- und Flugmanöver endet in einer beweglichen, peitschenden Weide, allerdings zu sehr im Stil von Jurassic-Parc, Teil 1.

Ein Lichtblick ist Kenneth Branagh als eitler Professoren-Dandy Gilderoy Lockhart, der das gutmenschliche und das bösartig-bedrückte Lehrpersonal von Hogwarths endlich ein bisschen aufmischt. Bereits in der Winkelgasse signiert und vertreibt er seine Beststellerbücher über Zauberer und erschwindelt sich den Anschein magischer Kompetenzen, die er im Ernstfall gar nicht besitzt. Er erweist sich als der erste runde Charakter, als Hochstapler und Lackaffe, der aber dennoch zur rechten Zeit am rechten Ort die Truppe um Harry Potter zu mobilisieren weiß.

Währenddessen stöhnt und raunt es immer wieder in den Gewölben des Schlosses, eine Geisterstimme ruft nach Harry Potter und droht ihm und den Muggels ein grauenhaftes Schicksal ohne Ausweg an. Eine blutige Schrift taucht an der Wand auf:

Die Kammer der Schreckens wurde geöffnet. Feinde des Erben, nehmt euch in acht.

Tiere und Menschen werden durch den Blick eines Basilisken versteinert. Harry und seine Gefährten sind dem Unheil auf der Spur. Die Koalition der wirklich Bösen ist schnell dabei, wenn es darum geht, allen Verdacht auf Harry abzuwälzen und ihn zum diabolischen Dompteur des Monsters zu erklären. Immerhin hat er bei einem von Gilderoy Lockhart eingeführten Zauberduell gegen Draco sich als außerordentlich fähig erwiesen und mit der bösen magischen Schlange in ihrer Sprache Parsel gesprochen.

Und dies, ein Parselmund zu sein, ist eindeutig ein Fanal für alle Bewohner des Hauses Slytherim, die zwischen unverhohlener Bewunderung und offenem Neid Harry Potter scheinheilig zur Inkarnation des Bösen erklären, das sie selbst gerne sein möchten. Dabei gibt es eine einfachere Erklärung: Harry hat einige von Voldemorts Fähigkeiten erworben, als ihm die Narbe zugefügt wurde. So erweist sich der wirklich talentierte junge Mister Potter als eine Joker-Figur, die nicht eindeutig einer Tradition der vier Internatshäuser zuzuordnen ist.

Der Fußtritt der Langeweile

Doch was diese Hintergrundgeschichte und das Spektrum der vielfältigen Reaktionen der Lehrer und Schülergruppen in Hogwarts anbetrifft, so hält Columbus den Ball flach. Über ein manipuliertes, interaktives Tagebuch, in dem Schriften auftauchen und verschwinden, spitzt sich der Konflikt zu. Voldemort hat sich in Gestalt von Tom Vorlost Riddle als eine lebende Erinnerung in ein altes Tagebuch geschleust. Und über Ginny Weasley, die er als Medium seines parasitären Vampirimus missbraucht, versucht er wieder ins Leben zurückzukehren und sein zerstörerisches Werk fortzusetzen, das halbdemokratische, gutmenschliche Zauberreich zum tödlichen Imperium auszubauen, das mit aller Gewalt die normalen Muggel versklavt und tötet, um einer angeblich reinblütigen und machtbesessenen Zaubererkaste das Privileg der Macht zu reservieren, der aristokratischen Fraktion Draco Malfoys.

Ob dies alles von Chris Columbus' Action-Inszenierung vermittelt werden kann, wage ich zu bezweifeln. Einen kleinen Hinweis gab mir ein überforderter Knirps, der auf die Frage, was ihm denn besonders gefallen habe, antwortete:

Wie der große dunkle Mann dem kleinen Kerl einen Tritt in den Hintern gibt.

Sollte er damit etwa Lucius Malfoys Gutsherrenmanieren gegenüber dem Hauself Dobby gemeint haben? Beim Zuschauer, der ein wenig (kindlichen) Tiefgang und (naive) Weisheit sucht, stellt sich nach 2 Stunden und 45 Minuten das Gefühl einer großen Leere ein. Wie sagte schon Heinrich Heine:

Gib uns einen Fußtritt, oh Fremdling, das wird vielleicht uns zerstreuen ein wenig.