Glaubenskrieg: Sind Wolkenkratzer die Zukunft der Stadt?

Fritz Langs Metropolis

Nachbau des Filmsets Oberstadt Metropolis in der Deutschen Kinemathek. Bild: Birkho / CC BY-SA 4.0 Deed

Von aberwitzigen Verheißungen und archetypischen Ängsten. Eine grundsätzliche Debatte über Hochhäuser ist überfällig. Sind wir Himmelsstürmer?

Ein Architekturkritiker brachte es folgendermaßen auf den Punkt: "Ein Hochhaus ist so wenig ökologisch, wie ein Auto gesund ist." Doch damit ist nicht alles gesagt, auch wenn das Feindbild Hochhaus so alt ist wie der Bautypus selbst.

In den USA wandten sich Bibelfeste anfangs vehement dagegen, und kaum erreichte die erste Welle des Turmbaus in den 1920er-Jahren Europa, erhoben sich vor allem deutsche Stimmen, die in der düsteren Vision von Fritz Langs Metropolis gipfelten.

Das Bauen in die Höhe stellt eine Entwicklung dar, die seit babylonischen Zeiten begleitet war von aberwitzigen Verheißungen und archetypischen Ängsten, von gewaltigen Projektionen und Vorurteilen, von ökonomischem Kalkül und sozialem Prestige.

Und um nur einige Bilder der Kulturkritik zu bemühen: das Hochhaus als Gestus der Potenz, als Resultat fehlgeleiteter Männlichkeit; der Blick herab vom Wolkenkratzer, der Beherrschungsphantasien freisetzt.

Glaubenskrieg und Schmelztiegel der Emotionen

Doch es gilt auch das rechte Gegenteil: Gefühle der Entrückung, der klärenden Distanz zum Alltag, der Bescheidenheit. Offenbar macht das Hochhaus sein Umfeld zu einem Schmelztiegel der Emotionen.

Freilich, eine differenzierte Auseinandersetzung findet hierzulande selten statt. Die Diskussionen ähneln einem Glaubenskrieg zwischen Befürwortern, die auf die Förderung des Stadtimages mit Hochhäusern als Symbol der wirtschaftlichen Dynamik verweisen, und Gegnern, die dadurch den europäischen Stadtmaßstab gesprengt und zerstört sehen (und nun auch noch auf unkalkulierbare Risiken verweisen können).

Nach wie vor schwanken wir zwischen kulturkritischer Reserviertheit und der Anerkennung des himmelstürmenden "Non-Stop" als neuen globalem Lebensgesetz.

Kaum je wird ein grundsätzlicher Zusammenhang entfaltet, der städtebauliche Einbindung, (kommunal)politische Voraussetzungen und soziale Folgen, die über Bodenwertsteigerungen vermittelt sind, gleichgewichtig neben ökonomische und semiotische Faktoren stellt.

Die Grundsatzdebatte ist überfällig

Es ist überfällig, über die Zukunft dieses Architektur-Typus eine Grundsatzdebatte zu führen. Eine bloße Wettlaufmentalität im Sinne eines "höher, schneller, weiter" hilft da nicht weiter.

Als vor zehn Jahren das vom deutschen Architekten Christoph Ingenhoven entworfene "1 Bligh" in Sydney – ein eleganter elliptischer Glasturm mit den begrünten Dachgärten und einem riesigen Atrium – als erstes zertifiziertes Öko-Hochhaus Australiens ausgezeichnet wurde, ging es natürlich auch um Marketing.

Hochhausfoyer 1 Bligh
"1 Bligh" in Sydney. Andy Tam / Shutterstock.com

Pionierarbeit im sozialen Wohnungsbau

Doch gibt es mittlerweile auch Beispiele von gesellschaftlichem Belang. WOHA-Architekten aus Singapur etwa haben im sozialen Wohnungsbau Pionierarbeit geleistet, indem sie über 100 m hohe Gebäude schufen, die alle neun Geschossen von einem Gartendeck mit Gemeinschaftsterrasse unterbrochen sind; zudem funktioniert das Ganze ohne Klimaanlagen, sondern basiert allein auf natürlicher Durchlüftung.

Kann man solche Ansätze nicht auch in deutsche Gegebenheiten übersetzen?

Der Hype um das Holzhochhaus

Unabhängig von solchen Fragen lässt sich in jüngster Zeit ein gewisser Hype um das Holzhochhaus beobachten. In Berlin entwickelt das aus Oslo stammende Büro Mad Arkitekter aktuell das Wohnhochhaus "WoHo", und zwar als vertikales, urbanes Quartier.

Am Gleisdreieck-Park soll der 98 Meter hohe Turm mit 29 Geschossen durch Vor- und Rücksprünge in der Kontur und begrünte Rasterfassaden akzentuiert werden. Im Erdgeschoss sollen Bäckerei, Cafés, Spätverkauf und Werkstätten unterkommen, im Sockel eine Kita, eine Kiezkantine, Jugendeinrichtungen, ein Indoor-Spielplatz, Ateliers und Familienwohnungen.

Das öffentlich zugängliche Dachgeschoss soll eine Bar und eine Sauna bieten.

Nach wie vor eine Vorbildrolle kommt freilich dem "HoHo Wien" zu: Es stellt das derzeit höchste Holz-Hybrid-Hochhaus der Welt dar. Entworfen hat den Wohnturm im Wiener Stadtteil Aspern mit 24 Stockwerken das Architekturbüro Rüdiger Lainer + Partner aus Wien.

Wände, Stützen und Decken bestehen aus Fichte. Ab dem dritten Geschoss wurden Faserzementplatten vor die Fassaden gehängt. Die Ästhetik des Holzbaus ist deshalb von der Straße aus nicht zu erkennen.

Dafür betonen die Planer die ökologischen Vorteile: In Österreichs Wäldern wachsen jährlich 30 Millionen Kubikmeter Holz. Das verwendete Holz des "HoHo Wien" könne in nur einer Stunde in heimischen Wäldern nachwachsen, rechnen sie vor.

Holzhochhaus HoHo Wien
HoHo Wien. Bild: Creativan / Shutterstock.com

Eine Halbwahrheit und Nachhaltigkeit

Und dennoch: Dass Holzhochhäuser als ökologisch richtungsweisend gelten – wie etwa das "Roots" in der Hamburger Hafencity – ist bloß eine Halbwahrheit. Nur bei moderater Höhenentwicklung kann hier von Nachhaltigkeit die Rede sein.

Wird doch bei über 50 Stockwerken das Verhältnis zwischen (Büro)Nutzfläche und Aufzügen völlig unwirtschaftlich.

Eine Kritik freilich, die unterstellt, dass Hochhäuser klimaschädlicher seien als andere Bauten, weist der renommierte Ingenieur Werner Sobek zurück. "Ein Hochhaus ist nichts anderes als eine Summe von einzelnen Häusern", so sagt er, die benötigte Materialmenge sei nur unwesentlich größer beim Bau in die Höhe.

Auch, dass in Hochhäusern Aufzüge zum Einsatz kommen und in ihnen deshalb mehr Strom gebraucht werde, stelle kein Problem dar. Denn Aufzüge seien "nichts anderes als der vertikale Transport". Bei flachen Gebäuden findet dieser Transport in der Horizontale, also auf der Straße und dort häufig mit dem Auto statt.

Mixed-Use-Ansätze

Das große Plus für das Klima: Durch den Bau von Hochhäusern mit gemischter Nutzung könne der Auto-Individualverkehr auf ein Minimum reduziert werden. Mit vielen solchen Hochhäusern in der Innenstadt sei alles fußläufig zu erreichen.

Nun ist Sobek nicht unbedingt ein neutraler Beobachter, sondern Entwerfer des neuen am Europa Center in Berlin geplanten, 300 Meter messenden Hochhauses, überragt nur vom Fernsehturm am Alexanderplatz. Er spricht sozusagen pro domo, wenngleich seine Mixed-Use-Ansätze durchaus vielversprechend sind.

In den unteren sechs bis acht Etagen soll es "Restaurants und Öffentlichkeit" geben, "also permanentes pulsierendes Leben bis spät in die Nacht hinein". Dieser Bereich sei möglichst transparent zu gestalten: "Damit man vom Straßenraum auch schon sieht, wo die Action ist." Darüber sei ein Hotel geplant. Oberhalb davon Büros, gefolgt von Wohnungen.

Ganz oben soll dann wieder die Öffentlichkeit Zugang haben. Dort soll es eine Aussichtsplattform sowie Bars und Restaurants geben. (Bislang freilich ist alles noch nicht verbindlich.)

Diese Mischnutzung adressiert einen gravierenden Mangel, der den bisherigen Turmbau charakterisiert, nämlich das dezidiert "nicht-öffentliche".

Tatsächlich war das Hochhaus in seiner bisherigen Karriere ein rein kommerzieller Bau, vor allem ein nutzungshomogenes Geschäftshaus und als solches untrennbar mit den wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen der Marktwirtschaft verbunden.

Ein offener Hochhaus-Typus

Doch schon ein vergleichsweise banaler Aspekt wie die Einrichtung von Restaurants und Aussichtsterrassen ganz oben kann eine völlig andere Rezeption bewirken. Und die Hochhäuser Hongkongs mit ihren belebten Sockelgeschossen sind auf höchst urbane Weise in das traditionelle Straßenmuster eingebunden.

Wie könnte gar ein offener Hochhaus-Typus fürs Wohnen und für die Freizeit aussehen?

Weil Urbanität kein statischer Zustand, vielmehr dem ständigen Wandel unterzogen ist, weil sie das Ergebnis einer kulturellen Praxis der Aneignung städtischen Raumes darstellt, sind auch die Muster der Aneignung von Hochhäusern nicht festgeschrieben. Sie unterliegen dann einem positiven Wandel, sofern sich die öffentliche Nutzung, mithin der soziale Gebrauchswert des Typus erhöht.

Insofern lassen sich Ökologie und Urbanität nicht klar trennen. In jedem Fall aber müssen sich Hochhäuser sinnvoll in die vorhandene urbane Struktur einfügen. Denn ein zentrales Problem liegt – historisch gesehen – in der eher anarchischen Art und Weise, wie der Hochhausbau sich vollzog.

Scheinbar uneingeschränkt privaten Verwertungsinteressen gehorchend, schossen an ausgewählten locations der global player die Bauten in die Höhe. Von einer zugrundeliegenden Konzeption kann in vielen Städten keine Rede sein.

Hochhaus und Stadt in Übereinstimmung

Dabei hatte Louis Sullivan bereits 1891 auf die Notwendigkeit einer sinnvollen Gestaltung der Beziehungen zwischen Hochhaus und Stadt hingewiesen, indem er Vorschläge unterbreitete, auf welche Weise es möglich sei, Hochhaus und Stadt so in Übereinstimmung zu bringen, dass individuellen und gesellschaftlichen Interessen Gerechtigkeit widerführe.

Guaranty (Prudential) Building
Guaranty (Prudential) Building von Louis Sullivan in Buffalo, NY. Bild: Warren LeMay / CC BY-SA 2.0 Deed

Und nach wie vor gilt: Hochhäuser sind nur dann stadtverträglich, wenn Politik dafür sorgt, dass sie funktionierende Stadtquartiere nicht beeinträchtigen.

Der ästhetische (Mehr)Wert und die symbolische Aufladung von Turmbauten sind Brennpunkte jeder Diskussion, dabei selten frei von weltanschaulichen Affekten. Gleichwohl handelt sich bei ihnen lediglich um Sekundärtugenden, denn das entscheidende Argument für den Bau eines Wolkenkratzers bleibt die Möglichkeit zur Verdichtung im urbanen Raum.

Worüber intensiv nachzudenken wäre

Sein Wesen ist die Vertikalität; und es wäre eine Fehlleistung, sie als solche negativ zu besetzen, auch wenn horizontale Nutzungsvielfalt nur bedingt auf die Enge des Hochhauses zu übertragen ist.

Über die Wechselbeziehung zwischen Vertikalismus und Stadt wäre überhaupt erst einmal intensiv nachzudenken. Etwa in der Art des Architekturtheoretikers Ulf Jonak, der einmal darauf hinwies, dass der Entzug der archaischen Verhaltensweise, den Erdboden mit den Füßen zu ertasten oder wenigstens in Sprunghöhe über dem Grund sich zu bewegen, auch zu mehr oder weniger verdrängten Lustzuständen führen kann.

Nur wenn das hohe Haus auch in eine vertikale Straße übergeht, wird dies die Monofunktionalität aufheben und als Ergänzung des öffentlichen Raumes der Straßen und Plätze dienen. Erst dann entsteht Handlungsraum und ein Ort menschlicher Begegnung.

Die Gründe, die gegen das Hochhaus geltend gemacht werden, sind nie falsch, aber immer relativ. So mögen etwa die astronomischen Bodenpreise in vielen Innenstädten es nahelegen, über die konkreten Bedingungen von Wohnhochhäusern nachzudenken.

Mit anderen Worten: Hochhäuser sind kein vorauseilendes Signal von Fortschritt und Prosperität, sondern deren Folge; sie sind nicht Symbolhandlung, sondern Ausdruck eines echten Bedürfnisses. Im System Stadt scheinen sie weniger obsolet als intellektuell noch nicht ausgereizt.