Glaubwürdiger als die Kirche?
Missglückte Pannenhilfe für den ADAC
Während über Deutschlands nach den beiden Kirchen angeblich drittgrößten Verein ein nicht gekannter Shitstorm hereinbricht, weil an der Wahl des beliebtesten Autos Deutschlands nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung nur 3409 ADAC-Mitglieder anstatt der offiziellen 34.288 teilgenommen haben, sind Retter an der Unfallstelle eingetroffen.
Das "Forum Mainz" will kurz vor Bekanntwerden der Manipulation herausgefunden haben, dass die "Fans" des ADAC treuer sind als die der katholischen Kirche. In einer Pressemitteilung der Marktforscher teilt Geschäftsführer Roman Becker gar mit: "Wenn der ADAC die Stichprobe bei einer Leserwahl manipuliert, ist das zwar ärgerlich, zahlt aber nicht auf den eigentlichen Markenkern des ADAC ein und wird daher eher von den Mitgliedern verziehen"
Ob die Mitglieder den Missbrauch ihres angeblichen Votums für die immer gleichen deutschen Autos eher "verzeihen", wurde in der Studie zudem nicht gefragt.
Da die Studie vor dem Stimmenskandal fertiggestellt wurde, ist dies offenbar eine prophetische Aussage. Das Problem dabei bleibt die Datenbasis: Wenn 90 Prozent der ADAC-Mitglieder laut Studie mit dem Angebot des ADAC zufrieden sind, dann stellt sich wie auch beim Auto des Jahres die Frage, wie diese Zahl ermittelt wurde.
Nach Angaben von Forum Mainz wurden insgesamt 1.722 nicht nur nach Alter und Geschlecht, sondern sogar nach Bundesland repräsentative Interviews geführt. Übersetzt: In der 1,8 Millionen-Metropole Hamburg wurden 38 Bürger zwischen 18 und 69 "repräsentativ" ausgewählt. Von denen könnten zumindest theoretisch sechs ADAC-Mitglieder und vier Mitglieder der Katholischen Kirche in der evangelischen Hansestadt sein. Es könnte aber auch kein ADAC-Mitglied unter den Befragten sein, da die Schwankungsbreite der Antworten bei 38 Befragten keine Repräsentativität mehr zulässt.
Sicher herrscht mit der Pannenhilfe des ADAC größte Zufriedenheit - aber werden die so Umsorgten deshalb auch zu "Fans" des ADAC? Der Vergleich von ADAC und Katholischer Kirche, den Becker stolz dem Focus andrehte und der die Münchner Enthüllungsspezialisten zum Untertitel "Kirche ohne Fans" verführte, verblüfft durch gewagte Kombinationen. So deuten die Mainzer eine geringe Zufriedenheit mit den Leistungen der jeweiligen Organisation als Ausdruck von "Verlorenen" und "Gefangenen", denen sie "Fans" und "Sympathisanten" gegenüberstellen. Ob die Befragten solchen nachträglichen Kategorisierungen ihrer Antworten zugestimmt hätten?
Die spirituellen Inhalte einer Kirche sind bereits deshalb kein Fans bindender Markenkern, da die Praxis des Glaubens im Rahmen des Gesamtkunstwerks Kirche von jedem Mitglied und eben auch Nicht-Mitglied individuell interpretiert wird. Beide Kirchen werden von vielen Menschen besucht, gefördert und gewürdigt, die gar keine Kirchensteuer zahlen, also formell keine Mitglieder sind. Es zählt zu den Eigenarten der Kirchen, dass sie keine über die Sakramente und Seelsorge hinausgehenden, vorhersehbaren "Leistungen" anbieten. Ein Großteil der Gläubigen empfindet deshalb die Mitgliedschaft in den beiden Kirchen nicht als individuellen Leistungsanspruch. Niemand käme auf den Gedanken, etwa die kirchlichen Kulturdenkmäler, die nahezu alle deutschen Städte und Dörfer architektonisch prägen, als durch Mitgliedschaft erworbene Dienste eines Vereins zu interpretieren.
Die Pannenhilfe dagegen ist eine abrufbare Leistung mit festgelegtem Inhalt. Sie kann nur erbracht oder nicht erbracht werden. Aber an 365 Tagen im Jahr und zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit ruft kein einzelner Mensch die "gelben Engel", wie sich die ADAC-Helfer traditionell ganz theologisch bezeichnen.
Das letzte Testament des gleichnamigen Preises "Gelber Engel 2014" mit dem Portrait des Münchner Voting-Bischofs Michael Ramstetter haben wir jedenfalls für die Nachwelt gesichert (Link auf ./40844_1.pdf).
Dort steht in päpstlicher Unfehlbarkeitstradition geschrieben: "Niemand verfügt in Deutschland über mehr belastbare Fakten und Daten als der Club." Das sollte sich die NSA einmal hinter die Spählöffel schreiben.
Aber inmitten des ADAC-Skandals Kirche und ADAC zu vergleichen, ist eine missglückte Pannenhilfe.