Global 2000 bis heute: Wohlstand im Licht der Bevölkerungsprognosen

Seite 2: Individualismus vs. Kollektivismus: Ein ideologischer Konflikt

Das rücksichtslose Verfolgen materieller Interessen, manche mögen es auch Gier nennen, haben prominente Vertreter des CoR nicht nur mit dem eigennützigen Denken verknüpft, sondern schließlich mit dem Individualismus selbst. So etwa Herman Van Rompuy, CoR-Ehren- und belgischer Ministerpräsident von 2008 bis 2009:

Individualismus ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Er ist in jedem Aspekt unserer Gesellschaft und des menschlichen Verhaltens tief verwurzelt. Wenn man die absolute Autonomie des Einzelnen in vielen Bereichen verteidigt, darf man sich nicht wundern, dass es in unserer Gesellschaft weniger Solidarität gibt. Die Emanzipation des Individuums darf nicht in stumpfen Egoismus umschlagen. Es ist auch eine moralische Frage und ein moralischer Kampf. Egoismus gegen Altruismus. Am Ende ist der Egoismus, das "Selbst", selbstzerstörerisch. Er dient nicht einmal unseren egoistischen Interessen.

Herman Van Rompuy, Closing Remarks, The Aurelio Peccei Lectures and Dialogues, September 2018

Hinter der Debatte um de-Growth, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit verbirgt sich mehr als ein bloßer Widerstreit zwischen Umweltschützern und Wirtschaftsliberalen, Linken und Rechten: der Kampf zwischen Individualismus und Kollektivismus.

Die Überzeugung am anderen Ende des Spektrums, die der Unerbittlichkeit der Nachhaltigkeits-Advokaten in nichts nahesteht, hat kürzlich Javier Milei, der neu gewählte libertäre Präsident Argentiniens, wiedergegeben:

Diese Doktrin, die manche als "links", "Sozialismus", "Kommunismus" oder "Faschismus" bezeichnen würden und die wir lieber als "Kollektivismus" bezeichnen wollen, ist eine Form des Denkens, die das Individuum zugunsten der Macht des Staates abwertet und die die Grundlage des Kastenmodells bildet.

Es handelt sich um eine Geisteshaltung, die von der Prämisse ausgeht, dass der Staat wichtiger ist als die Individuen, die die Nation ausmachen. Dass das Individuum nur dann anerkannt wird, wenn es sich dem Staat unterordnet, und dass wir Bürger daher dessen Vertretern, der politischen Kaste, Gehorsam schulden. Das bedeutet, dass der Einzelne nichts weiter ist als ein Mittel zum Zweck des Staates.

Es handelt sich um eine Weltanschauung, die in der Überzeugung besteht, dass eine Gruppe von Menschen dem Rest der Individuen überlegen ist und daher diejenigen sein müssen, die über die Geschicke ihrer Mitbürger herrschen. Sie geht von der Vorstellung aus, dass eine Gruppe von Bürokraten, die in einem Büro sitzt, das Leben von Millionen von Menschen planen kann und dabei Wünsche, Fähigkeiten, Vorlieben und Umstände berücksichtigt.

Javier Milei, Verkündung des Dekrets über Notwendigkeit und Dringlichkeit (DNU), 20. Dezember 2023

Milei hat bereits bei seinem Amtsantritt erklärt, die Bevölkerung wieder auf den "Pfad des Wohlstands" führen zu wollen. Diesen Pfad beschreitet Milei bekanntlich mit einer ultraliberalen Wirtschaftspolitik der Deregulierung und Privatisierung von Staatsbetrieben, die in der Vergangenheit auf der ganzen Welt zu sozialen Missständen und jener Bereicherung der Wenigen geführt hat, die die "Kollektivisten" vorgeben, verhindern zu wollen.

Falls der geneigte (und geduldige) Leser sich also für kein Ende jenes Spektrums begeistern kann, kann der Autor ihm versichern, dass er damit nicht allein ist.

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