Global Player oder peoples game: Wem gehört der Fußball?

(Bild: TrifonenkoIvan/Shutterstock.com)

Reform der Champions League: Warum der Fußball dem großen Geld folgt. Und was geleakte "Super League"-Pläne damit zu tun haben. Eine Annäherung.

In den vergangenen Wochen starteten die internationalen Topvergleichsligen – die Champions-, die Europa sowie die UEFA Conference League – im europäischen Männerfußball in die Saison 2024/ 2025. Erstmalig unter der Ägide einer reformierten Spiel- bzw. Systemweise, welche schon vor Beginn ihrer Umsetzung auf heftige Kritik und teilweise offenen Widerstand traf.

Neuer Spielmodus

Fandachverbände und Ultragruppierungen rebellierten, Top-Spieler wie Mats Hummels, İlkay Gündoğan oder Trainer wie Jürgen Klopp und diverse Vereinsbosse traten in ungewöhnlicher Offenheit vor die Medien und machten ihrem Ärger Luft und die UEFA – der Fussballeuropaverband als Ausrichter und Organisator – kramte in bewährten Marketingmanier seine Argumente für eine Reform vor.

Doch, der Reihe nach – um was geht es letztlich? Statt der für Fans, Spieler wie Vereine gewohnten Gruppenphase, in welcher jeweils vier Mannschaften in Hin- und Rückspielen (jeweils einmal im heimischen ground und einmal in gegnerischen Gefilden) sechs Spiele gegeneinander ausgetragen haben, trifft das Who's who der europäischen Balltreterei nun in acht Partien auf acht verschiedene Gegner.

Das bekannte Spielformat "Jeder gegen jeden" bekommt somit höchste internationale Weihen. Überholt sind damit jedoch Hin- und Rückspiele gegen denselben Gegner sowie der Wettbewerb innerhalb einer 4-Vereine-Gruppe. Aufgeteilt werden die qualifizierten Mannschaften in vier Lostöpfe, die Setzlisten gleichkommen – nach dem letztmaligen Abschneiden ergeben sich Koeffizienten, nach denen die elf Freunde auf die nach Wertigkeit verteilten Lostöpfe ein bis vier aufgedröselt werden.

Abgerechnet wird nach den ersten acht Spieltagen in Form einer 36-Plätze zählenden Tabelle. Die Plätze ein bis acht (logischerweise mit den meisten gewonnen Spielen bzw. Punkten) sind direkt im Achtelfinale, die Plätze acht bis 16 sind in einer Zwischenrunde gesetzt, die Plätze 16 bis 24 sind in einer Zwischenrunde als nicht gesetzte Teilnehmende dabei und die Mannschaften auf den Plätzen 24 bis 36 scheiden sang- und klanglos aus.

Insbesondere der "beliebte" Abstieg aus der Champions League in die niedere Europa League, welche mit dem Erreichen des dritten Platzes der vorherigen Gruppenphase sicher war, wurde abgeschafft.

Internationale Ligen als "Gated Communitys"?

Als Torwartlegende Gian-Luigi Buffon und Weltfußballer Cristiano Ronaldo die reformierte Gruppenspielplanung per neumodischem Knopfdruck statt uralter Loskugel ins Werk setzen, dürften die Herzen der Investoren der als "Big Five" bekannten fünf größten europäischen Topligen und ihrer Aktiengesellschaften (Vereine) höhergeschlagen lassen.

Zur Erinnerung: alleine von den 18 Mannschaften der Deutschen Bundesliga sind 13 ausgegliederte und vom Verein losgelöste Kapitalgesellschaften. Vornehmlich im Mutterland von "König Fußball", England, steht es um "financial equality" und Fairness noch desaströser.

Newcastle United gehört dem saudischen Thronfolger Mohammed Bin Salman, der FC Arsenal gehört mehrheitlich Stan Kroenke – US-amerikanischer Baumogul und Supermarktkettenmilliardär, um nur wenige Exempel zu geben. Die UEFA löste damit ein zentrales Versprechen an die finanzstarken Kapitalmärkte und ihre Besitzer ein – Spiel und Spannung sind – durch die Zulosung von Topspielen ab Stunde Null des Wettbewerbes garantiert.

Ein Durchmarsch eines Fußballgiganten wie des FC Bayern München, durch eine vermeintlich zu leichte Gruppe, kann es durch die neue Spielweise nicht mehr geben – zudem regnet es Euro und Pfund. Dennoch gehen Sportanalysten davon aus, dass der Kreis der Viertelfinalisten auf die Topmannschaften, aufgrund der gigantischen finanziellen Ungleichheiten, begrenzt blieben wird.

"Marktkonformer Fußball" im 21. Jahrhundert

Wie der ehemalige Sportredakteur von n-tv – Christian Bartlau –in seinem maßgebenden Werk zur Kapitalisierung des Lieblingssports der Deutschen heraushob, sind die Machtverhältnisse im internationalen Fußball extrem konzentriert. In den letzten 20 (!) Spielzeiten kamen "fast 90 Prozent" der Mannschaften, die es unter die letzten Acht schafften, aus den angesprochenen "Big Five"-Ligen.

Von 160 möglichen Viertelfinalteilnahmen entfielen 78 auf gerade einmal sieben Vereine (Barça, Real, Bayern, United, Chelsea, Juve und Liverpool). Spannung – der UEFA liebstes Argument – sah vorher und sieht jetzt anders aus. Im Kern ging es um einen anderen Aspekt als um Spannung, Faninteressen oder Zuschauerwohl.

Die UEFA reagierte mit ihrer Reform auf den angedrohten Boykott der großen Ballspielmonopole. Im April 2021 wurde durch geheime Dokumente publik, dass sich – wie der Deutschlandfunk berichtet – "zwölf europäische Großklubs, ohne die zwei deutschen Top-Teams FC Bayern und Dortmund, von der UEFA loslösen und eine selbst vermarktete, europäische Topliga gründen" wollten.

Die anvisierte "Super League" verschwand in der Mottenkiste, der Druck nach steigenden Vermarktungschancen und das Faustpfand der Androhung eines Exits blieb. Durch die Aufstockung der Teilnehmerzahl (um vier), die Anhebung der Spiele um 50 Prozent und die Garantie von Topduellen von Beginn an, rollt der Rubel. Letztlich gab die UEFA somit dem Drängen von "Big Money" nach.

Verfestigung zu einer Super League durch die Hintertür?

Der Kern der Kritik der Fanverbände und der aktiven Fanszenen kristallisiert sich in den folgenden Sätzen heraus: "Die deutlich gesteigerten Einnahmen, die durch die Reformen generiert werden sollen, haben zudem das Potenzial, die nationalen Wettbewerbe zu zerstören und einer drohenden Europäischen Super League den Weg zu ebnen", schrieben dutzende Fanszenen in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Gleichsam wird auf eine noch massivere Abwertung der weitaus bedeutenderen und größeren nationalen Ligen verwiesen. Die Aussage spricht das zentrale Problem an: Für die Aktionäre und Stakeholder bietet Fußball neben Gewinnerwartung auch ein immenses Investitionsrisiko.

Dies führt in der kapitalistischen Hackordnung zur noch rücksichtsloseren Durchpressung individueller (Großvereins-) Interessen oder aber zur Konvergenz der Interessen der großen Fußballmonopole.

Diesem Trend wirkt die Reform nicht entgegen – im Gegenteil steht eine weitere Konzentration an Macht, Profit und Siegprämien ins Haus.

Nebenbei bemerkt steigen Belastung und Körperschinderei bei den gut-bezahlten Nussballakteuren – kleinere, internationale Ligen bleiben auf der Strecke und selbst international (auf der Ebene der FIFA) sind unumkehrbare Verschiebungen in Finanzstruktur, Förderungen oder Nationalmannschaften denkbar.

Spannend bleibt die Frage, wie der Kern der Hunderttausenden Fußballverrückten auf die Reformen reagieren wird – am Beispiel der Borussia Dortmund GmbH und Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (so der geschäftliche Name des Fußballverein aus dem Ruhrgebiet) und ihrem neusten Sponsor – dem Waffenhersteller Rheinmetall – konnten man erahnen, welche Kraft in den Kurven dieser Republik schlummert.

Gleichwohl bildet die Reform den vorläufigen Höhepunkt der marktkonformen Kapitalisierung des Sportes des "kleinen Mannes". Während gleichzeitig Breitensport und Vereinsleben stagnieren, Investitionen ausbleiben und die Leistungsspitze dünn ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Reformwucht der Kapitalmagnaten in FIFA, UEFA und DFL bisher nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hat.

Die in den Stadien angestoßene Kampagne "Reclaim the Game" (Erobere das Spiel zurück) spricht daher vielen Stadionpilgern aus der Seele.